Am diesjährigen KHM-Kongress in Luzern trafen sich Vertreter verschiedener Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen zum politischen Roundtable. Marc Müller, Präsident mfe (Haus- und Kinderärzte Schweiz), lancierte die Diskussion mit der miserablen Prognose der Obsan-Studie 2008 (www.obsan.admin.ch), nach der immer mehr ältere und polymorbide Patienten immer weniger Gesundheitsfachleuten gegenüberstehen werden. Die naheliegende Frage dazu von Marc Müller (Abb. 1) hiess dann auch: «Wie können wir darauf reagieren und das Gesundheitsteam der Zukunft kreieren?» Die Notwendigkeit, künftig in einer anderen Form zusammenzuarbeiten, hätten alle erkannt. «Doch», so fragte Marc Müller weiter, «wie lässt sich das umsetzen? Wie werden die Rollen und Aufgaben verteilt sein? Wie können wir alte Muster verlassen?»
Diese Fragen diskutierten auf dem Podium fünf Fachleute aus dem Gesundheitswesen: Lorenz Schmid, Apotheker aus Zürich und Präsident des kantonalen Apothekerverbandes, Brigitte Zirbs, Hausärztin und Vorstandsmitglied von mfe, Tresa Stübi, Zentralpräsidentin SVA (Schweizerischer Verband Medizinischer Praxisassistentinnen), Roswitha Koch, Leiterin Pflegeentwicklung SBK (Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner), und Manuel Schaub, politischer Vertreter der JHaS (Junge Hausärztinnen und -ärzte Schweiz).
Schaub meinte, dass vor allem bei den jungen Hausärzten die «Stormingphase» gar kein Thema sei (Abb. 2): «Bei uns taucht die Kompetenzfrage erst gar nicht auf. Unser Rollenverständnis und unsere Zukunftsideen gehen von einem Teamwork mit den anderen Berufen im Gesundheitswesen aus.» Junge Hausärzte seien grundsätzlich sehr offen gegenüber interprofessioneller Zusammenarbeit. Wichtig sei die Integration der Interprofessionalität bereits in der Assistenzzeit.
Bei den Apothekern sieht die Situation anders aus. «Wir Apotheker befinden uns in einem Spannungsfeld zwischen Beratung und Detailhandel (80%). Diese Situation stellt für uns deshalb ein Muss zur Veränderung dar; unsere Ausbildung bietet dafür auch genügend Potential», erklärte Lorenz Schmid.
Neu: Kommunikation auf Augenhöhe
Die MPAs und die Pflegefachpersonen leben die Interprofessionalität bereits seit längerem. Veränderungen gibt es trotzdem auch auf dieser Seite. So haben die MPAs und Pflegefachleute ihre Ausbildungen in den letzten Jahren den künftigen Anforderungen angepasst. Neu ist neben der zusätzlichen Verantwortung auch die Kommunikation auf Augenhöhe mit den weiteren Akteuren. «Auch dies will gelernt sein», so Roswitha Koch.
Gemäss Brigitte Zirbs gibt es bei den Hausärzten einige Vorbehalte gegenüber der Interprofessionalität. «Wer übernimmt den Lead? Wem kann ich meine Patienten anvertrauen? Wie und wo finde ich das geeignete interprofessionelle Team? Wer hat welche Kompetenzen und wer definiert diese?» Dies seien nur einige Punkte, die es zu klären gäbe, so Zirbs. Wichtig ist aus hausärztlicher Sicht, in diesem Findungsprozess nie das Wichtigste aus den Augen zu verlieren – den Patienten. Alle interprofessionellen Massnahmen müssten patientenzentriert ausgewählt und geschaffen werden.
Beste E-Solution ersetzt den persönlichen Kontakt nicht
Im Publikum machten sich grosse Bedenken bezüglich der Administration und der damit verbundenen Finanzierung bemerkbar. Vor allem im ambulanten Bereich müssten für alle Beteiligten die notwendigen Strukturen und Abgeltungen geschaffen werden. Ein Zuhörer hielt fest, dass zwingend gleiche Grundlagen und Werte geschaffen werden müssten – zum Beispiel gemeinsame Qualitätszirkel –, und dass möglichst einfache Regeln die Zusammenarbeit positiv prägten. Als «Match-entscheidend» für die Zukunft der interprofessionellen Zusammenarbeit sah ein Anwesender die E-Health-Lösungen; dieses Instrument sei unabdingbar und fundamentale Grundlage für die interprofessionelle Zusammenarbeit. Bedenken hatte das Publikum auch in Bezug auf die konkrete Umsetzung der Zusammenarbeit. Wie und wo trifft man sich im ambulanten Setting und wie werden diese Aufwendungen finanziell abgegolten? Trotz bester E-Health-Lösung müsse der persönliche Kontakt nämlich trotzdem stattfinden.
Zukünftige Finanzierung entscheidend
Zum Schluss der Veranstaltung waren sich das Publikum und die Fachleute auf dem Podium (Abb. 3) einig, dass nicht nur die Akteure im Gesundheitswesen gefordert sind, sondern auch die aktive Unterstützung der Politik nötig sei. Für eine künftig erfolgreiche und sinnvolle Zusammenarbeit müssten gleichzeitig gesetzliche Rahmenbedingungen und «Bottom-up»-Projekte lanciert werden. Die Interprofessionalität müsse zwingend bereits in die Ausbildung integriert werden, die Finanzierung die komplexen Fälle richtig abbilden, und – last but not least – alle beteiligten Berufsgruppen müssten richtig abgegolten werden. Geschehe dies nicht, bleibe die Interprofessionalität ein Trend, der nie richtig in die Gänge kommen werde.
«Nach der anfänglichen Storming- bzw. Widerstandsphase treten wir jetzt in die extrem wichtige Normingphase ein. Hier und jetzt gilt es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit wir möglichst schnell, positiv und effizient in die Performingphase wechseln können – zum Wohl unserer Patienten», brachte Marc Müller die Diskussion auf den Punkt.