Ad 12: In den letzten Jahrzehnten kam es zu zwei grossen Änderungen, die direkt zusammenhängen: Feminisierung der Hausarztmedizin und Neuorganisation der Notfalldienste. Ich habe im ausgehenden 20. Jahrhundert zusammen mit 5–6 Kollegen den Notfalldienst in unserer Region abgedeckt. Das bedeutete mehrmals pro Jahr jeweils während sieben Tagen, eine 24-Stunden Präsenz. Zu Beginn meiner Praxistätigkeit waren die Einsätze im Dienst noch zahlreich. Immer mehr wandten sich aber die Patienten in diesen Zeiten direkt ans Spital. Was war die Folge? überlaufene Notfallstationen, Bagatellfälle warteten Stunden, ÄrztInnen und PatientInnen waren unzufrieden. Die HausärztInnen suchten nach neuen Lösungen und fanden diese in einer engeren Zusammenarbeit mit den Spitälern (Pionier von Seiten der Spitäler: Prof. H.J. Beer, Baden). Die HausärztInnen übernahmen nun die «Hausarztnotfälle» direkt im regionalen Spital – eine Win-win-Situation für Patienten, Spitalärzte, die Spitäler und die HausärztInnen! Bleibt noch das Problem der Hintergrund-/Besuchsdienste, bzw. der Notfallpatienten, die einen Arzt benötigen, aber nicht mobil sind. Und hier nun der Zusammenhang mit der Feminisierung der Hausarztmedizin: Nicht jede Hausärztin hat einen Hausmann zu Hause, viele aber haben Kinder, die die Anwesenheit der Mutter nötig haben, und zwar (fast) immer. Eine hausärztliche Tätigkeit im Rahmen der normalen Arbeitszeiten ist organisierbar; ein Hintergrunddienst ist aber für unsere Hausärztinnen organisatorisch sehr schwierig zu bewältigen. Dazu kommt, dass es in unserer immer gewaltbereiteren Gesellschaft für die Hausärztinnen kein Vergnügen ist, in der Nacht alleine zu einer unbekannten Situation zu fahren. Obwohl unser Notfalldienst seit der Zusammenarbeit mit dem regionalen Spital deutlich weniger belastend geworden ist, fordern unsere Kolleginnen, dass der Hintergrund-/Besuchsdienst neu organisiert werden muss. Unsere Praxiskollegin hat in unserem Bezirksverein diesen Sommer eine kleine Umfrage zu diesem Thema durchgeführt: Auf die Frage, ob die Notfalldienstregelung überprüft werden sollte, haben 25 von 27 mit Ja geantwortet (93%). Nur 6 von 24 (25%) wollen unbedingt weiter Hintergrunddienst leisten und 22 von 26 (85%) möchten den Notfalldienst ganz oder teilweise abgeben. Es gibt Kolleginnen, die sich schon überlegen, die hausärztliche Tätigkeit aufzugeben und zum Beispiel als Vertrauensärztin zu arbeiten. Wir müssen dafür schauen, dass unseren Kolleginnen (die oft Ärztin, Hausfrau, Ehefrau und Mutter in einer Person sind) ein Umfeld geschaffen wird, in dem sie die vier Funktionen überhaupt ausführen können. Wir können nicht weiter die teuer ausgebildeten Kolleginnen verlieren und dann wieder das Vakuum mit Ärztinnen aus dem Ausland füllen. Lösungen für das Problem der Besuchs-/Hintergrunddienste gibt es: Ich verweise hier auf die beiden Notarztunternehmen SOS-Ärzte und Mobile-Ärzte (www.sos-aerzte.ch und )! Der Hausarzt hat sich im Laufe der Zeit zu einer Hausärztin gewandelt; damit ist es aber nicht getan! Auch das Umfeld hat und wird sich weiter wandeln und muss sich vor allem den Bedürfnissen der Hausärztinnen anpassen.