Ich war nie der Kampagnentyp, während es meiner Frau passieren konnte, dass sie an irgendeiner Demonstration plötzlich eine Stange eines Transparents mitten im schwarzen Block trug. Sie hätte sachlich gesehen übrigens auch wegen anderen schrägen (aber nie unmoralischen) Unternehmungen hinter schwedischen Gardinen landen können; meine Kleinmütigkeit und Warnungen haben sie nur noch mehr angespornt, die Dinge so durchzuziehen, wie sie es im Kopf hatte. Es begann ja bereits damit, dass sie kurz nach unserer Rückkehr aus Peru – ich gerade im ersten Praxisjahr – politische Bananen verkaufte, solche, die immer nach links gebogen waren (Nicabananen). Nicht unbedingt förderlich für die Aquisition von gutbürgerlichen Patienten. Später, als im Rahmen der Balkankriege eine Gruppe geflüchteter junger Männer in einem Wohnwagen hinter dem Gemeindehaus Unterschlupf fand, sassen diese bald an unserer Weihnachtstafel. Nicht unbedingt zur Freude unserer Kinder, die erst rückblickend stolz darauf sind. Jeder dieser Jungs hatte seine eigene Geschichte, ob wahr oder erfunden. Viele stahlen sich bei Nacht und Nebel davon, einige wenige blieben. Einer machte Karriere und arbeitet heute in leitender Funktion in einem Betrieb der Baubranche. Er wurde vor wenigen Jahren mit seiner Frau und den Kindern eingebürgert. Ein anderer junger Mann, ein hübscher dunkler Kerl, wohnte bei einem älteren Ehepaar und durfte während der Skiferien unsere Wohnung benutzen. Er rückte mit einer 7 dl-Flasche Parfüm an. Unglaublich! Wahrscheinlich ist sie umgefallen, denn das Bad roch nachher wie der Innenhof eines Harems, so dass wir mitten im Winter stundenlang lüften mussten. Dann wurde an der Gemeindeversammlung beschlossen, dass die armen Kerle in der Zivilschutzanlage vegetieren müssten. Eine Gruppe von Leuten – Sie dürfen dreimal raten, wer dabei war – sammelte in unserem Dorf mit damals 1200 Einwohnern innert eines Monats Fr. 90 000 (!) und konnte das wegen seiner rosa Farbe so genannte Sugushüsli kaufen. Im letzten Moment machte die Gemeinde dann doch einen Schwenker und hat die jungen Leute in einem frei gewordenen Haus untergebracht, so dass das Sugushüsli-Geld wieder zurück gegeben werden konnte. Wenig später tauchte eine kleine rundliche Bolivianerin Sra. B. aus dem Nichts und ohne Papiere auf. Solche Menschen kannten wir aus unseren Jahren im Altiplano. Sra. B. arbeitete während Jahren als Putzfrau bei diversen Familien. Meine Frau schaute, dass sie einen gerechten Lohn bekam, eine Krankenkasse etc. Später folgte ihre Schwester, der wir, zusammen mit einer Gruppe von Menschen, die Vervollständigung der Ausbildung als Lehrerin und eine Operation für ihren Sohn bezahlten. Dann war plötzlich eine ganze Sippe von Romas im Dorf, die sich selbst und uns allen immer wieder Kummer bereiteten. Sie drehten die tollsten Dinge, echt böse waren sie nicht. Und sie sind unterdessen immer noch hier und sogar ein bisschen «eingeschweizert». Verstanden haben wir sie nie ganz. Während des Bürgerkrieges im Libanon wurde Mohammed mit Frau und Kindern unserem Dorf zugewiesen. Er musste sein Haus, seine Automobilwerkstatt – einfach alles – hinter sich lassen, und er hinkte wegen eines angeschossenen Knies. Wir mochten ihn alle sehr. Seine Frau war etwas schwieriger, eine echte Dame, stolz, sogar etwas hochnäsig. Es war ihr schnell einmal zu wenig. Weil sie nicht einmal ein Pijama hatte, kaufte meine Frau ein warmes Ding mit einem pseudorientalischen Blumenmuster. Die Frau des Mohammed weigerte sich glatt, diesen Greuel anzunehmen. So musste der Schreibende immer wieder neben dem textilen Scheusal nächtigen (denn so etwas wird von meiner Frau nicht einfach weggeworfen!) Mohammed selbst verrichtete Gelegenheitsarbeiten und frischte unter anderem das Tor meiner Werkstatt auf, so dass wir viele Jahre feierlich durchs das Portal des Mohammed schreiten konnten. Eines Tages waren auch unsere Libanesen wieder weg; hoffentlich zurück in ihrer Heimat? Ach ja, da war noch diese junge Tschechin, Frau Ba. die in der Not einen knorrigen Bauern mitsamt seinem Heimetli am steilen Schattenhang heiratete. Meine Frau kannte sie von der Praxis, und obwohl wir damals noch ziemlich spitz rechnen mussten, steckte sie ihr immer wieder einmal einen Hunderter, damit sie nach Hause telefonieren konnte (was damals noch teuer war!) oder auch einmal mehrere Scheine, damit die Mutter von Frau Ba. für die Geburt des ersten Kindes aus der fernen Heimat anreisen konnte.