Atem(be)raubende Lungengeräusche
Gut hinhören lohnt sich

Atem(be)raubende Lungengeräusche

Lernen
Ausgabe
2017/06
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01382
Prim Hosp Care (de). 2017;17(06):115-120

Affiliations
LungenSchlafPraxis, Biel/Bienne

Publiziert am 22.03.2017

Im hausärztlichen Alltag begegnet man nicht nur Menschen mit unterschiedlichsten Anliegen, sondern hört auch allerlei Geräusche – vom Husten und Pfeifen über Rasseln, Quieken, Knirschen bis zum Brummen –, die manchmal eine ganz schöne Herausforderung darstellen können.

Der Husten, das häufigste akustische respiratorische Phänomen

Das im hausärztlichen Alltag bei weitem häufigste akustische respiratorische Phänomen ist der Husten. Er kann in vielen Varianten, laut bellend, hüstelnd und mit oder ohne begleitende Sekrete verschiedenster Färbung auftreten.

Akute Bronchitis

Bei der Beurteilung des Hustens spielt für das Festlegen der weiteren Abklärungsschritte die Dauer eine wichtige Rolle. Beim akuten Husten (<3 Wochen) ist die akute Bronchitis eine häufige Ursache. Die allermeisten Bronchitiden, mit Ausnahme derjenigen, die durch ­Bordetella pertussis ausgelöst wurden, sind viral verursacht und benötigen damit bei ansonsten lungengesunden Patienten keine antibotische Therapie. Eine gelblich-grünliche Farbe von Sekreten bei einem viralen Infekt ist nicht zwingend Eiter und somit Bakterien zuzuschreiben, sondern kann auch aus den abgeschilferten bronchialen Epithelzellen zusammen mit vermehrten Drüsensekreten entstehen. Leider werden jedoch bei einer banalen Bronchitis viele unnötige Antibiotika verschrieben, was massgeblich zur Resistenzbildung auf gängige Antibiotika beiträgt.

Keuchhusten

An dieser Stelle seien die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit BAG (Impfplan 2016) zur Verhinderung des Keuchhustens in Erinnerung gerufen, die eine Auffrischimpfung mittels dTPa allen Personen zwischen 25 und 29 Jahren und allen Personen mit Kontakt zu Säuglingen empfehlen (schwangere Frauen ab 2. Trimester oder postpartal, Eltern, Grosseltern, Betreuungspersonen – sei es privat oder in Kindertagesstätten).

Chronischer Husten

Ich werde mich im Folgenden auf den chronischen Husten beschränken, der definitionsgemäss länger als acht Wochen dauert. Der chronische Husten stellt ein häufiges und teilweise hartnäckiges Problem dar, das den Patienten in seiner Lebensqualität beträchtlich einschränken und bis zum sozialen Rückzug führen kann. Es lohnt sich, den Patienten darauf vorzubereiten, dass es oft (leider) keine schnelle Lösung dafür gibt und Geduld gefragt ist. Dadurch kann eine bessere ­Adhärenz bei den längerdauernden Therapieversuchen erzielt werden.

Ursachen

Die häufigsten Ursachen des chronischen Hustens sind:
Reflux (falls Volumen- und nicht Säurereflux, wird der Patient Magenbrennen und saures Aufstossen verneinen).
Asthma (häufig in Form des cough variant asthma, das sich, wie der Name sagt, als Husten und nicht als Atemnot manifestiert). Das Asthma ist die zweithäufigste Ursache eines chronischen Hustens!
Eosinophile Bronchitis (sozusagen eine Cousine des Asthmas, da sie ebenfalls mit einer eosinophilen Entzündung einhergeht). Im Gegensatz zum bronchialen Asthma ist die eosinophile Bronchitis nicht mit einer bronchialen Hyperreagibilität vergesellschaftet, das heisst der Bronchoprovokationstest wird bei der eosinophilen Bronchitis ein normales Resultat zeigen, beim Asthma hingegen lässt sich damit ein signifikanter Abfall des Erstsekunden­volumens provozieren).
– Das upper airway cough syndrome (früher syndrome déscendant genannt) infolge eines postnasal drip von den oberen in die unteren Atemwege (was der Patient häufig nicht verspürt).
Rauchen
Chronische Bronchitis sowie chronisch obstruktive Pneumopathie COPD (definiert durch eine passende Anamnese sowie eine nicht reversible obstruktive Ventilationsstörung FEV1/FVC<70% postdilatatorisch in der Spirometrie. Die Spirometrie verpasst allerdings die COPD-Subgruppe, die hautpsächlich ein Emphysem und damit eine verringerte Diffusionskapazität aufweist. Diese kann in der Bodyplethysmographie mit Diffusionskapazitätsmessung festgestellt werden).
ACE-Hemmer (und selten AT-II-Antagonisten), auch nach bis anhin langem, problemlosem Gebrauch.
– Und (auf den ersten Blick erstaunlich) die obstruktive Schlafapnoe, die durch erhöhte nächtliche intrathorakale Druckschwingungen Reflux provo­zieren oder zu einer Reizung des pharyngealen Weich­teilgewebes und so zu Husten führen kann.
Häufig tragen mehrere Faktoren zum chronischen Husten bei, beispielsweise postnasal drip und Asthma. Deshalb kann ein eingeleiteter Therapieversuch, der nur auf eine der beiden Pathologien abzielt, nur teilweise Linderung verschaffen. Ein weiterer häufiger Grund für ein unbefriedigendes Ansprechen ist die zu wenig lange Durchführung des Therapieversuches. Refluxbeschwerden, postnasal drip-Symptomatik und ein postuliertes Asthma sollten jeweils für acht (!) Wochen behandelt werden, bevor ein Therapieversuch als gescheitert erklärt wird.
Ein weiteres Hindernis stellen Bedenken von Seiten der Patienten bezüglich der Kortikosteroide in den Inhalationsmedikamenten und topischen Nasenpräparaten dar. Diese gilt es zu Beginn des Therapieversuches proaktiv anzusprechen und auszuräumen.
Im pneumologischen Alltag ist die ungenügende Inhalationstechnik ein Dauerbrenner sowie ein Klassiker als Erklärung, weshalb die von der Hausärztin zu Recht eingeleitete kortikosteroidhaltige Inhalationstherapie nicht anschlug. Eine anschauliche Demonstration der richtigen Inhalationstechnik bei der wachsender Zahl verschiedener Inhalationsgeräten findet sich auf der Website der Schweizerischen ­Lungenliga oder der Deutschen Atemwegsliga (www.lungenliga.ch/inhalieren; www.atemwegsliga.de/richtig-inhalieren). Zwei hilfreiche Artikel dazu sind im Swiss Medical Forum erschienen [1, 2].

Abklärungen

Der Abklärungsgang wird von der Anamnese und dem Status bestimmt. Alarmzeichen wie blutiger Auswurf, veränderter Hustencharakter bei chronischem Husten, Gewichtsverlust, Fieber oder nächtliches Schwitzen deuten auf eine chronisch entzündliche Genese (z.B. Vaskulitis, organisierende Pneumonie), chronisch infektiöse Ursache (beispielsweise Tuberkulose), oder ein malignes Geschehen hin. Ein weiteres Symptom, dass den Husten anders «färbt», ist eine konkomitante Atemnot.
Vorausgesetzt es liegen keine Alarmzeichen vor, empfiehlt es sich, den Abklärungsgang mit einer Spiro­metrie (falls vorhanden) und einem Thoraxröntgen pa/lateral zu beginnen. Zwei Dinge sind bei der Spirometrie zu beachten:
1) Eine normale Spirometrie darf nicht mit einer normalen Lungenfunktion gleichgesetzt werden;
2) Die Ausführungsqualität bestimmt, ob das Resultat verwertbar und damit aussagekräftig ist.
Je nach Beschwerdebild sollte man die Suche nach ­einer obstruktiven Schlaf­apnoe mittels nächtlicher Pulsoxymetrie in die Wege leiten, wobei auch hier gilt: Eine normale nächtliche Pulsoxymetrie schliesst ein relevantes obstruktives Schlafapnoesyndrom nicht aus!

Erste Fallvignette

52-jähriger «Expat» aus Holland mit bekanntem Asthma präsentiert sich bei der Hausärztin zur Check-up-Untersuchung. Beiläufig erwähnt er einen chronischen Husten. Normale Lungenauskultation, leichte Rhinophonie. Die hausärztliche Spirometrie ist normal. Das Thoraxröntgenbild (Abb. 1) zeigt zur Beunruhigung aller eine Hilusvergrösserung beidseits sowie multiple kleine Noduli.
Abbildung 1: Thorax pa mit Hilusvergrösserung beidseits und multiplen kleinen Noduli.
Pneumologisch besteht eine normale Lungenfunktion und ein deutlich erhöhtes FeNO (fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid) als Zeichen der eosinophilen Entzündung und Ausdruck des aktiven Asthmas. Bronchoskopisch kann die Verdachtsdiagnose einer Sarkoidose bestätigt werden.

Die Lungenauskultation

Obwohl der technische Fortschritt die medizinische Landschaft seit Laennec, dem Vater des Stethoskops, stark verändert hat, kann neben der Anamnese die Lungenauskultation in der Begegnung mit dem Patienten eine entscheidende (und kostengünstige) Rolle im diagnostischen Prozess spielen.
Die korrekte Lungenauskultation, wie sie auch heute noch gelehrt wird, erfolgt am unbekleideten Oberkörper über den folgenden Stationen:
Die Oberlappen werden anterior auskultiert, die Lingula und der Mittellappen können akustisch nur lateral erfasst werden. Am Rücken werden folglich die Unterlappen auskultiert (Abb. 2).
Abbildung 2: Auskultationspunkte bei der Lungenauskultation.
Der Ausdruck «vesikuläres Atmen» ist veraltet, die heutige korrekte Benennung ist simpel «normales Atemgeräusch». Lungengeräusche helfen als wichtiger Baustein, den diagnostischen und therapeutischen Ablauf zu lenken, jedoch schliesst eine normale Lungenauskultation eine Lungenpathologie nicht aus und erfordert je nach Beschwerden oder Symptomen dennoch Abklärungen (Tab. 1).
Tabelle 1: Bezeichnungen der auskultierten Lungengeräusche (modifiziert nach [4]).
Deutsch EnglischKommentar
Normales Atemgeräuschnormal breathing soundsVeraltet: «vesikuläres Atmen»
Pfeifen, GiemenwheezingVeraltet: «trockene Nebengeräusche»
Brummenrhonchi = low pitched wheezing 
Rasselgeräuscherales, crackles (USA)
crepitations (UK)
 
Feinblasige Rasselgeräuschefine crackles«Velcro», Knisterrasselgeräusche als Synonyme der Sklerosiphonie: endinspiratorische nicht weghustbare feinblasige Rasselgeräusche
Grobblasige Rasselgeräuschecoarse crackles 
Quiekensquawk 
Hören Sie in der Auskultation zum Beispiel feinblasige endinspiratorische nicht weghustbare Rasselgeräusche, liegt der Verdacht auf eine interstitielle Pneumopathie, insbesondere auf eine idiopathische pulmonale Fibrose, viel näher als auf ein upper airway cough syndrome, und Sie können dem Patienten fruchtlose und unbefriedigende Therapieversuche ersparen.
Neben dem Husten hören Sie im hausärztlichen Alltag vermutlich ab und zu ein pfeifendes Giemen (engl. wheezing) und sein «Geschwister», das Brummen (engl. rhonchi). Das klassische Giemen entsteht durch Ver­engung der Atemwege, das Brummen mehr durch Aufreissen des Flüssigkeitsfilms und erhöhter Atemweg-
Kollapsibilität, daneben spielt die Verengung der Atemwege ebenfalls eine ursächliche Rolle. Ein Brummen verschwindet häufig, nachdem der Patient gehustet hat [3]. Nicht alles, was pfeift, ist Asthma oder COPD, wie eine eindrückliche publizierte Fallgeschichte belegt, in der eine 38-jährige Frau bei wiederholtem Giemen jahrelang bis zur chronischen Prednison- und Anti-IgE-Therapie mit Omalizumab für ein vermutetes Asthma behandelt wurde, bis eine Bronchoskopie während einer Hospitalisation einen exzessiven dynamischen Atemwegskollaps als Ursache der Beschwerden demonstrierte.
Vom Giemen ist der Stridor zu unterscheiden, der inspiratorisch und expiratorisch auftreten kann und immer ein Warnzeichen darstellt. Tritt er inspiratorisch auf, besteht eine extrathorakale Verengung (Stimmbandpathologie, Laryngomalazie, Verletzung nach ­Extubation); tritt er exspiratorisch auf, besteht eine Verengung der grossen intrathorakalen Atemwege (Tumor, Tracheomalazie); tritt er biphasisch auf, liegt eine fixierte Verengung vor (bilaterale Stimmbandparese, Kehlkopftumor).
Die Sklerosiphonie, definiert als nicht weghustbare endinspiratorische feinblasige Rasselgeräusche («Velcro»), ist eines der sensitivsten und frühesten klinischen Zeichen für eine interstitielle Pneumopathie, zum Beispiel eine idiopathische pulmonale Fibrose, und tritt vor der konventionell radiologischen Manifestation auf. Patienten mit wiederholt auskultierten nicht abhustbaren feinblasigen basalen posterioren Rasselgeräuschen sollten deshalb pneumologisch abgeklärt werden.
Grobblasige Rasselgeräusche werden bei Herzinsuffizienz, Pneumonie, Bronchiektasen und COPD gehört.
Etwas Exotischer und rarer ist das mitt- bis endinspiratorische Quieken (engl. squawk), das typisch, aber nicht pathognomonisch für die Hypersensitivitätspneumonitis (früher exogenen allergische Alveolitis genannt) ist. Quieken kann ebenfalls bei interstititellen Pneumopathien und bei der Pneumonie als Ausdruck des Befalls der kleinen Bronchiolen (Bronchiolitis) gehört werden.

Zweite Fallgvignette

63-jährige Exraucherin (Rauchstopp vor zwei Jahren, Status nach 25 Pack years) beschreibt ein längeres Hüsteln. Vor acht Wochen hausärztliche antibiotische Behandlung aufgrund einer vermuteten Pneumonie bei Husten, Fieber und CRP von 140 mg/l. Damals obstruktiver Auskultationsbefund. Pneumologische Zuweisung bei Verdacht auf Asthma. Bis anhin kein Röntgen.
In der pneumologischen Untersuchung normale Lungenauskultation. Lungenfunktionell leichtgradige vollständig reversible obstruktive Ventilationsstörung mit vollständiger Reversibilität. Damit hohe klinische Wahrscheinlichkeit für ein Asthma bronchiale mit kompatibler Anamnese und dem passenden Befund einer vollständig reversiblen obstruktiven Ventilationsstörung. Das exhalierte Stickstoffmonoxid als Zeichen der eosinophilen bronchialen Schleimhautentzündung ist passend dazu signifikant erhöht.
Braucht es ein Thoraxröntgenbild? Siehe Auflösung (Abb. 3) auf der nächsten Seite.
Abbildung 3: Thorax pa und lat: pulmonale Rundherd im linken Oberlappen.
Auflösung: Die Patientin weist einen Rundherd im linken Oberlappen auf, der sich als Lungenkarzinom entpuppte. Die Indikation für ein Thoraxröntgenbild ist in diesem Fall zweifach gegeben: Einerseits Abklärung des chronischen Hustens, andererseits (gemäss den britischen Richtlinien) ­Verlaufsbild bei abgeklungener Pneumonie bei Exraucherin und/oder >50 jährig.

Therapie

Anamnese und klinischer Befund können helfen, mit welchem Therapieversuch als erstes gestartet werden soll. Dieser sollte genug lange – in der Regel acht Wochen – durchgeführt werden.

Beispiele für Therapieversuche

– Rauchstopp;
– Reflux: hochdosiert Protonenpumpeninhibitoren (PPI) für acht Wochen. Beispielsweise Omeprazol 40 mg 1-0-1 oder Lanzoprazol 30 mg 1-0-1. Das Bett als Ganzes schräg stellen (dazu genügt es, die Bettbeine unter dem Kopfende mittels Unterlage 10 bis 15 cm zu erhöhen). Bei PPI-Unverträglichkeit einen anderen PPI versuchen;
– «Upper airway cough syndrome»: topisches kortikosteroidhaltiges Mono- oder Kombinationspräparat für die Nase (Kombination mit Antihistaminikum), richtige Applikationstechnik zeigen!
– Stopp ACE-Hemmer: es kann bis zu drei Monate dauern, bis der durch ACE-Hemmer induzierte Husten verschwindet;
– Asthma bronchiale und eosinophile Bronchitis: kortikosteroidhaltiges Mono- oder Kombinationspräparat. Unbedingt korrekte Inhalationstechnik beachten, instruieren und kontrollieren.
Bei teilweisem Ansprechen Therapieversuche kombinieren: Zum Beispiel für Asthma und «upper ­airway cough syndrome»behandeln. Bei unbefriedigendem Ansprechen ist ein pneumologisches Konsilium empfohlen (Tab. 2).
Tabelle 2: Häufige Ursachen pneumologischer Beschwerden und Therapievorschläge.
Häufige UrsachenTherapievorschlägeZu beachten
RefluxPPI hochdosiert für acht Wochen
Bett hochstellen
Nicht zwangsläufig mit Magenbrennen 
oder sauerem Aufstossen verbunden
AsthmaKortikosteroidhaltiges Mono- oder ­Kombinationsinhalationspräparat«Hustenvariante des Asthmas»
Inhalationstechnik beachten!
Eosinophile BronchitisKortikosteroidhaltiges Mono-oder ­Kombinationsinhalationspräparat 
«Upper airway cough syndrome»Kortikosteroidhaltiges topisches Mono-
oder ­KombinationspräparatFrüher «Syndrome déscendant»
Häufig asymptomatisch
Korrekte Applikationstechnik instruieren
Chronische Bronchitis Klinische Definition: Über zwei konsekutive Jahre drei Monate produktiver Husten und Ausschluss von anderen Ätiologien (z.B. Bronchiektasen)
COPDInhalationstherapie gemäss COPD-Stadium, 
kein inhaliertes Kortikosteroid indiziertAnamnese und spirometrisch 
FEV1/FVC <70% postdilatatorisch
Cave: Spirometrie verpasst Emphysem
RauchenRauchstopp 
ACE-HemmerStopp des ACE-HemmersSelten AT-II-Antagonisten
Husten kann nach Absetzen des ACE-Hemmers bis zu drei Monate anhalten
OSASAbklärung und Therapie 
(CPAP, Protrusionsschiene, ­
Gewichtsreduktion)Kann sich bei Frauen sehr atypisch mit ­Depressionen, Kopfweh und Müdigkeit ­manifestieren
Abkürzungen: ACE = angiotensin converting enzyme ; AT-II = Angiotensin II; COPD = chronic obstructive pulmonary disease; CPAP = continuous positive airway pressure); FEV1/FVC = forced expiratory volume in 1 second/forced vital capacity; OSAS = obstruktives Schlafapnoe-Syndrom; PPI = Protonenpumpeninhibitoren.
Auch wenn in der Auskultation nichts Auffälliges gehört und im konventionellen Thoraxröntgen nichts Pathologisches gesehen werden kann, muss bei Patienten, die Atembeschwerden oder Anstrengungdypnoe beklagen, an eine pulmonale Genese gedacht werden, wie die letzte Fallvignette einprägsam illustriert.

Dritte Fallvignette

Eine 52-jährige Tierärztin, wohnhaft in den Voralpen und Nieraucherin, bemerkt eine Anstrengungsdyspnoe. Der Status ist bis auf Übergewicht (BMI 29 kg/m2) bland, insbesondere die transdermale gemessene Sättigung und die Lungenauskultation. ­
Die Stressergometrie beim Kardiologen fällt normal aus und die Beschwerden werden als psychosomatisch beurteilt. Über die nächsten zwei Jahre nehmen die Beschwerden zu, so dass das Treppensteigen im Eigenheim beschwerlich wird. Inter­mittierend trockener Husten. Im Status stabiles Übergewicht, ­unveränderter Befund. Erneut wird die Patientin kardiologisch abgeklärt, inklusive Koronarangiographie und einem Rechtsherzkatheter, was alles normal ausfällt. In der Koronarangio­graphie fallen eine zeitenweise deutlich erniedrigte O2-Sättigung auf, und die Patientin wird pneumologisch zugewiesen. Transdermale O2-Sättigung in Ruhe 96%, fraglich endinspiratorische feinblasige Rasselgeräusche basal rechts. Beim Treppensteigen deutliches Absinken der transdermal gemessenen O2-Sättigung (falls möglich stellt mehrfaches Treppensteigen mit gleichzeitiger pulsoxymetrischer Messung ein einfaches und gutes Screening für eine belastungsinduzierte Hypoxämie dar). Die Bodyplethysmographie ergibt normale Volumina, es besteht folglich weder eine obstruktive noch restriktive Ventilationsstörung. Hingegen ist die Diffusionskapazität (DLCO) mit 43%Soll mittel- bis schwergradig reduziert. Differentialdiagnostisch lässt die klinische Konstellation einer isolierten Reduktion der Diffusionskapazität an eine interstitielle Pneumopathie, ein Emphysem oder an eine pulmonale Hypertonie denken. Computer­tomographisch und bioptisch konnte eine chronische Hyper-
sensitivitätspneumonie diagnostiziert werden.
Im lungenärztlichen Alltag fällt auf, dass bei Dyspnoe die Lungen häufig stiefmütterlich behandelt oder gar vergessen werden. Nichts hören heisst also nicht, dass keine pulmonale Problematik besteht!

Fazit für die Praxis

• Die Lungenauskultation kann massgeblich die Abklärung lenken.
• Ein normaler Lungenauskultationsbefund (korrekt als «normales Atemgeräusch» beschrieben) schliesst jedoch eine Lungenpathologie nicht aus.
• Bei Dyspnoe – so banal es klingt – die Lungen nicht vergessen.
• Eine normale Spirometrie darf nicht mit einer normalen Lungenfunktion gleichgesetzt werden.
• Chronischer Husten sollte initial mit einer Spirometrie und einem konventionellen Thoraxröntgen abgeklärt und die Therapieversuche systematisch und genug lange (acht Wochen!) durchprobiert werden.
• Die korrekte Inhalationstechnik ist von grösster Wichtigkeit.
Ich danke Frau Dr. med. Anne-Kathrin Brill, FMH Pneumologie, und Frau Dr. med. Franziska Morger, FMH Allgemeine Innere Medizin, für das sorgfältige Gegenlesen und die angeregten Änderungen.
Dr. med. Magdalen Gürtler
FMH Pneumologie und Innere Medizin
Schlafmedizin SGSSC
CH-2502 Biel/Bienne
magdalen.guertler[at]hin.ch
1 Rothe T. Inhalative Therapie – Teil 1: Physik und Systeme. Schweiz Med Forum 2014;14(20):402–6.
2 Rothe T. Inhalative Therapie – Teil 2: Inhalationstechnik und Wirkstoffe. Schweiz Med Forum 2014;14(21):426–30.
3 Bohadana A, Izbicki G, Kraman St. “Fundamentals of Lung Auscultation”. N Engl J Med. 2014;370:744–51.
4 Bürgi U, Huber LC. Lungenauskultation Erkenntnisse und Irrtümer. Dtsch Med Wochenschr 2015;140:1078–82.