Duale Bronchodilatation bei COPD: Welche Patienten profitieren?
Orchestrierung der Behandlung: Nicht immer gleich alle Register ziehen

Duale Bronchodilatation bei COPD: Welche Patienten profitieren?

Lernen
Ausgabe
2017/11
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01429
Prim Hosp Care (de). 2017;17(11):216-218

Affiliations
Institut für Hausarztmedizin, Universität Zürich, mediX Gruppenpraxis, Zürich

Publiziert am 14.06.2017

Das Management der COPD erlebt dank intensiver wissenschaftlicher und klinischer Auseinandersetzung eine spannende Ära, in der ein therapeutischer Nihilismus genauso wenig gerechtfertigt ist wie eine Überbehandlung oder eine inadäquate, wenig nutzbringende Therapie.
Bevor im Folgenden die medikamentöse Therapie der COPD (chronic obstructive pulmonary disease) behandelt wird, sollen die vier Eckpfeiler in Erinnerung gerufen werden, die hinter den vier Buchstaben COPD stehen (Tab. 1). Ausganspunkt für jede Therapie ist eine gesicherte Diagnose. Die Symptome Husten, Auswurf und Atemnot zu lindern und die Prävention von Verschlechterungen sind nutzbringende, patientenzentrierte Massnahmen, ebenso wie die kollaborative und integrierte Versorgung, die der zentralen Rolle des ­Patienten gerecht wird. Ein wichtiger ­Aspekt bei der Diagnosestellung in der Hausarztpraxis ist, dass ca. ­jeder zweite Patient mit COPD bereits einen moderaten Schweregrad – GOLD-Stadium II – aufweist [1–3]. Ein zweiter spannender Aspekt ist die Erkenntnis, dass der progrediente Abfall der forcierten Erstsekunden-­Kapazität (FEV1) bei Rauchern und Exrauchern in den frühen GOLD I- und II-Stadien der COPD stärker aus­geprägt ist als in den GOLD-Stadien III und IV [4]. Das Augenmerk in der Behandlung sollte allerdings nicht nur bei der FEV1, sondern auf anderen, für den Verlauf der COPD und die Prognose der Patienten wichtigen Prädiktoren liegen. Diese sind: der Rauchstopp, das Körpergewicht bzw. die Muskelmasse, Komorbiditäten, sowie das Ausmass der Symptome, dabei vor ­allem der Schweregrad der Dyspnoe, die körperliche Leistungsfähigkeit und die Exazerbationshäufgkeit [1]. Das Ausmass der Atemnot korreliert nicht immer mit dem Schweregrad der COPD. So können Patienten auch in den frühen Stadien der COPD bereits bei geringer Belastung unter erheblicher Atemnot leiden [5]. Dies führt zu einem weiteren sehr wichtigen, wenn nicht sogar dem prognostisch wichtigsten Faktor und Prädiktor für Mortalität, der körperlichen Leistungsfähigkeit [6]. Hier zeigt sich ein ähnliches Bild. Eine markante Einbusse der physical activity kann bereits bei leichter und moderater COPD vorhanden sein.
Tabelle 1: Die vier Eckpfeiler im COPD-Management.
Confirm diagnosis
(Diagnose sichern)
Diagnostische Spirometrie
Optimize symptoms
(Symptome mildern)
Raucherentwöhnung
adäquate Pharmakotherapie
Schulung und Rehabilitation
Prevent deterioration
(Verschlechterung
verhindern)
Raucherentwöhnung, Impfung
Pharmakotherapie
Schulung und Rehabilitation
Früherkennung und adäquates Management
von Exazerbationen
Develop network
(Netzwerk aufbauen)
Koordinierte medizinische Versorgung
Unterstützung des Selbstmanagements
Kooperation mit Spezialisten und Fachpersonen
Die Exazerbationshäufigkeit ist als prognostischer Faktor unbedingt zu berücksichtigen. Exazerbationen sind die häufigste Komplikation der COPD, und mit jeder schweren COPD-Exazerbation steigt das Risiko für weitere Exazerbationen und die Mortalität [7].

Eine Zwischenbilanz mit Fokus auf die Therapieziele bei COPD sieht folgendermassen aus:

Eine Therapie für Patienten mit COPD sollte Symptome rasch und anhaltend lindern, Exazerbationen vermindern und die Lebensqualität verbessern. Dabei kommt der Pharmakotherapie ein grosser Stellenwert zu. Allerdings sollte dabei der Anspruch erhoben werden, diese Medikamente adäquat und nutzbringend einzusetzen. Eckpfeiler der COPD-Pharmakotherapie bei symptomatischen Patienten mit leichter oder mittelschwerer Obstruktion mit und ohne Exazerbationen sind die langwirksamen Bronchodilatatoren. Dazu zählen die langwirksamen Anticholinergika (long-­acting muscarinic receptor-antagonist, LAMA) (Tab. 2) und die langwirksamen Beta-2-Agonisten (long-acting beta-agonists, LABA) (Tab. 3). Für die im Praxisalltag 
so häufig eingesetzten Kombinationspräparate mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) gibt es für COPD zunehmend weniger Evidenz, und ihr Einsatz bedarf 
einer strengen Nutzen-Nebenwirkung-Abwägung [8]. Das Absetzen der ICS führte bei COPD-Patienten nicht zur Zunahme von Exazerbationen [9].
Tabelle 2: Übersicht über die langwirksamen Anticholinergika (LAMA).
 Indikation und Dosierung (Erwachsene)
 WirkstoffProduktDarreichungsformAsthma bronchialeCOPD / chronisch
obstruktive Bronchitiden
LAMA
Langwirksame
Anticholinergika
AclidiniumEklira®Genuair®
Trockenpulverinhalator
mit Mehrfachdosierung
keine Indikation322 μg
2 × tägl. 1 Hub
TiotropiumSpiriva®HandiHaler®
Kapseln mit Pulver
zur Inhalation
keine Indikation18 μg
1 × tägl. 1 Hub
GlycopyrroniumSeebri®Breezhaler®
Kapseln mit Pulver
zur Inhalation
keine Indikation50 μg
1 × tägl. 1 Hub
UmeclidiniumIncruse®Ellipta®
Trockenpulverinhalator
mit Mehrfachdosierung
keine Indikation55 μg
1 × tägl. 1 Hub
Tabelle 3: Übersicht über die langwirksamen Beta-2-Agonisten.
 Indikation und Dosierung (Erwachsene)
 WirkstoffProduktDarreichungsformAsthma bronchialeCOPD / chronisch
obstruktive Bronchitiden
LABA
Langwirksame
Beta-2-Agonisten
FormoterolOxis®Tubuhaler®
Trockenpulverinhalator
mit Mehrfachdosierung
6 μg, 12 μg
1–2 × tägl. 6–12 μg,
max. 2 × 24 μg
kurzzeitig max. 2 × 36 μg
pro Tag
6 μg, 12 μg
6–12 μg bei Bedarf
oder 2 × tägl. 6–12 μg
max. 48 μg pro Tag
FormoterolForadil®Aerolizer®
Kapseln mit Pulver
zur Inhalation
12 μg
2 × tägl. 1–2 Hübe
max. 48 μg pro Tag
12 μg
2 × tägl. 1–2 Hübe
SalmeterolSerevent®Diskus®
Trockenpulverinhalator
mit Mehrfachdosierung
50 μg
2 × tägl. 1–2 Hübe
50 μg
2 × tägl. 1–2 Hübe
  Dosieraerosol25 μg
2 × tägl. 2–4 Hübe
25 μg
2 × tägl. 2–4 Hübe
IndacaterolOnbrez®Breezhaler®
Kapseln mit Pulver
zur Inhalation
keine Indikation150 μg, 300 μg
1 × tägl. 1 Hub
max. 300 μg 1 × tägl.
OlodaterolStriverdi®Respimat®
Soft-Mist-Inhalator
mit Patrone
keine Indikation2,5 μg
1 × tägl. 2 Hübe

Zwei Fragen liegen beim Einsatz von langwirksamen Bronchodilatatoren auf der Hand

1. LAMA oder LABA?

Die Beantwortung dieser Frage stützt sich vor allem auf Studien, die Tiotropium (LAMA) mit anderen Stand­ardtherapien (LABA, LABA/ICS) verglich. Diese Studien zeigten, dass Tiotropium hinsichtlich Reduktion von Exazerbationen signifikant besser war [10, 11]. Die anderen sich auf dem Markt befindenden LAMA-Präparate sind hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit mit Tiotropium vergleichbar (Tab. 2)

2. Warum und für wen eine LAMA/LABA-Kombinationstherapie?

Die Kombination der beiden Bronchodilatatoren LAMA und LABA in einem Inhaler (Tab. 4) führt zu einer langwirksamen, stärkeren Bronchodilatation, gemessen an der trough FEV1 (der FEV1 gemessen kurz vor der nächsten Inhalation bzw. 22,5 Stunden nach der letzten). Ferguson et al. erhob die grösste FEV1-Zunahme bei Patienten mit moderater COPD ohne vorherige LABA-Therapie [12]. Die duale Bronchodilatation zeigte, wie zu erwarten war, auch einen signifikant besseren Effekt auf die FEV1 als eine LABA/ICS-Kombination [13]. Ein positiver Effekt auf die Exazerbationsrate wurde sowohl im Vergleich zur Einzeltherapie mit LAMA, als auch im Vergleich mit LABA/ICS, dokumentiert [14, 15].
Tabelle 4: Übersicht über die LAMA/LABA-Kombinationspräparate.
 Indikation und Dosierung (Erwachsene)
 WirkstoffProduktDarreichungsformAsthma bronchialeCOPD / chronisch
obstruktive Bronchitiden
LAMA/
LABAGlycopyrronium
+
Indacaterol
Ultibro®Breezhaler®
Kapseln mit Pulver
zur Inhalation
keine Indikation110/50 μg
1 × tägl. 1 Hub
max. 1 Hub pro Tag
Umeclidinium
+
Vilanterol
Anoro®Ellipta®
Trockenpulverinhalator
mit Mehrfachdosierung
keine Indikation55/22 μg
1 × tägl. 1 Hub
max. 1 Hub pro Tag
Tiotropium
+
Olodaterol
Spiolto®Respimat®
Soft-Mist-Inhalator
mit Patrone
keine Indikation2,5/2,5 μg
1 × tägl. 2 Hübe
Ein wichtiges Phänomen, auf das bei COPD-Patienten hingewiesen und eingegangen werden sollte, ist die Überblähung. Der Mechanismus des «air trapping» steht im Zentrum eines Teufelskreises von Atemnot, reduzierter Leistungsfähigkeit, Dekonditionierung und letztlich Immobilität. Die LAMA/LABA-Kombination Tiotropium/Olodaterol bewirkte eine signifikante und anhaltende Abnahme der Überblähung über den ganzen Tag im Vergleich zu den Monotherapien [16]. Die Flame-Studie [17], in der Patienten mit mittelschwerer bis sehr schwerer COPD und mindestens einer Exazerbation im Vorjahr eingeschlossen wurden, rückte den Stellenwert der ICS-Therapie zur Reduktion von Exazerbationen in ein neues Licht. Sie zeigte eine signifikante Verringerung der Rate moderater und schwerer Exazerbationen sowie eine klinisch relevante Verbesserung der krankheitsspezifischen Lebensqualität mit der LABA/LAMA-Kombination (Indacaterol/Glycopyrronium) einmal täglich, gegenüber der LABA/ICS-Kombination Salmeterol/Fluticason zweimal täglich [17]. Die Kombination Indacaterol/Glycopyrronium ging zudem mit deutlich weniger Pneumonien einher als Salmeterol/Fluticason [18]. Diese Ergebnisse haben relevante Implikationen für das künftige Management von Patienten mit COPD und für neue Guideline-Empfehlungen, vor allem, wenn vergleichbare Resultate mit anderen LABA/LAMA-Kombinationstherapien folgen.

Zusammenfassung

Die Erstlinien-Pharmakotherapie der COPD ist die Bronchodilatation.
Die Kombination LABA/LAMA ist für den Grossteil der COPD-Patienten in der Hausarztpraxis wirksamer und nützlicher als die Kombinationstherapie mit LABA/ICS.
Einen Stellenwert hat die LABA/LAMA-Kombinationstherapie bei symptomatischen Patienten mit «air trapping»/Hyperinflation und eingeschränkter körperlicher Aktivität auch in frühen GOLD-Stadien.
Medikamente sind nur ein Aspekt einer guten Betreuung! Rauchstopp-Begleitung, Grippeimpfung, pulmonale Rehabilitation und effektive Selbstmanagementschulung sollten integraler Bestandteil der Betreuung von COPD-Patienten sein.
CS ist Expertin für advisory boards von AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, GSK und Novartis und hält Vorträge zum Thema mit Referentenhonoraren.
Prof. Dr. med.
Claudia Steurer-Stey
Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich
Hirschengraben 84
CH-8001 Zürich
claudia.steurer-stey[at]
uzh.ch
 1 From the Global Strategy for the Diagnosis MaPoC. Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) 2015. Update 2017. Available from: http://www.goldcopd.org.
 2 Mapel DW, Dalal AA, Blanchette CM, Petersen H, Ferguson GT. Severity of COPD at initial spirometry-confirmed diagnosis: data from medical charts and administrative claims. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis. 2011;6:573–81.
 3 Markun S, Rosemann T, Dalla-Lana K, Steurer-Stey C. The Impact
of Case Finding on the Recruitment Yield for COPD Research in Primary Care: An Observational Study. Respiration. 2016.
 4 Tantucci C, Modina D. Lung function decline in COPD. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis. 2012;7:95–9.
 5 O’Donnell DE, Maltais F, Porszasz J, Webb KA, Albers FC, Deng Q,
et al. The continuum of physiological impairment during treadmill walking in patients with mild-to-moderate COPD: patient characterization phase of a randomized clinical trial. PLoS One. 2014;9(5):e96574.
 6 Waschki B, Kirsten A, Holz O, Muller KC, Meyer T, Watz H, et al. Physical activity is the strongest predictor of all-cause mortality
in patients with COPD: a prospective cohort study. Chest. 2011;140(2):331–42.
 7 Suissa S, Dell’Aniello S, Ernst P. Long-term natural history of chronic obstructive pulmonary disease: severe exacerbations
and mortality. Thorax. 2012;67(11):957–63.
 8 Crim C, Calverley PM, Anderson JA, Celli B, Ferguson GT, Jenkins C, et al. Pneumonia risk in COPD patients receiving inhaled corticosteroids alone or in combination: TORCH study results.
Eur Respir J. 2009;34(3):641–7.
 9 Magnussen H, Disse B, Rodriguez-Roisin R, Kirsten A, Watz H, Tetzlaff K, et al. Withdrawal of inhaled glucocorticoids and exacerbations of COPD. N Engl J Med. 2014;371(14):1285–94.
10 Tashkin DP, Celli B, Senn S, Burkhart D, Kesten S, Menjoge S, et al.
A 4-year trial of tiotropium in chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med. 2008;359(15):1543–54.
11 Vogelmeier C, Hederer B, Glaab T, Schmidt H, Rutten-van Molken MP, Beeh KM, et al. Tiotropium versus salmeterol for the prevention of exacerbations of COPD. N Engl J Med. 2011;364(12):1093–103.
12 Ferguson GT, Flezar M, Korn S, Korducki L, Gronke L, Abrahams R, et al. Efficacy of Tiotropium + Olodaterol in Patients with Chronic Obstructive Pulmonary Disease by Initial Disease Severity and Treatment Intensity: A Post Hoc Analysis. Adv Ther. 2015;32(6):
523–36.
13 Donohue JF, Worsley S, Zhu CQ, Hardaker L, Church A. Improvements in lung function with umeclidinium/vilanterol versus fluticasone propionate/salmeterol in patients with moderate-to-severe COPD and infrequent exacerbations. Respir Med. 2015;109(7):870–81.
14 Wedzicha JA, Decramer M, Ficker JH, Niewoehner DE, Sandstrom T, Taylor AF, et al. Analysis of chronic obstructive pulmonary disease exacerbations with the dual bronchodilator QVA149 compared with glycopyrronium and tiotropium (SPARK): a randomised, double-blind, parallel-group study. Lancet Respir Med. 2013;1(3):199–209.
15 Vogelmeier CF, Bateman ED, Pallante J, Alagappan VK, D’Andrea P, Chen H, et al. Efficacy and safety of once-daily QVA149 compared with twice-daily salmeterol-fluticasone in patients with chronic obstructive pulmonary disease (ILLUMINATE): a randomised, double-blind, parallel group study. Lancet Respir Med. 2013;1(1):
51–60.
16 Beeh KM, Westerman J, Kirsten AM, Hebert J, Gronke L, Hamilton A, et al. The 24-h lung-function profile of once-daily tiotropium and olodaterol fixed-dose combination in chronic obstructive pulmonary disease. Pulm Pharmacol Ther. 2015;32:53–9.
17 Wedzicha JA, Banerji D, Chapman KR, Vestbo J, Roche N, Ayers RT, et al. Indacaterol-Glycopyrronium versus Salmeterol-Fluticasone for COPD. N Engl J Med. 2016;374(23):2222–34.
18 Price D, Yawn B, Brusselle G, Rossi A. Risk-to-benefit ratio of inhaled corticosteroids in patients with COPD. Prim Care Respir J. 2013;22(1):92–100.