Delegiertenversammlung, Haus- und Kinderärzte Schweiz mfe, 24. November 2016, Bern

Philippe Luchsinger folgt auf „Mr. Hausarzt“ Marc Müller

Offizielle Mitteilungen
Ausgabe
2017/01
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01477
Prim Hosp Care (de). 2017;17(01):8-9

Affiliations
Kommunikationsbeauftragte mfe

Publiziert am 11.01.2017

Höhepunkt der Herbst-Delegiertenversammlung 2016 war das Inputreferat des FDP-Politikers und Arztes Ignazio Cassis, Präsident der Gesundheitskommission des Nationalrats. Die Delegierten von mfe interessierten sich vor allem für die gesundheitspolitischen Schwerpunkte der 50. Legislatur.

Interprofessionalität – keine Mode­erscheinung, sondern Notwendigkeit

Interprofessionalität ist kein Modewort, sie ist heute Realität. So laufen Pilotprojekte mit Pflegefachperso- nen, die eine ad hoc-Ausbildung erhalten und dann ins Ärzteteam integriert werden. Aktuell versucht jede 
Berufsgruppe, ihren Bereich zu schützen und/oder auszubauen. Weil ständig ein Mangel an Hausärzten kommuniziert wird, verstärkt sich der Trend, die medizinische Grundversorgung nicht mehr vom Hausarzt abhängig zu machen – dabei erhält die Interprofessionalität eine zukunftsweisende Bedeutung. Aus der Perspektive der Politikerinnen und Politiker haben die Hausärzte in den letzten Jahren am meisten gewonnen: Institute für Hausarztmedizin (IHAM) wurden geschaffen, 200 Mio. Franken wurden zu ihren Gunsten umverteilt, aus dem Zulassungsstopp wurden sie ausgenommen usw. – Ignazio Cassis konfrontierte die Zuhörerinnen und Zuhörer bewusst mit dieser provokanten Aussensicht.

Tarmed – ein Scherbenhaufen mit ­weitreichenden Folgen

Nationalrat und FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis. Er präsidiert curafutura und CURAVIVA Schweiz.
Tarmed bewegt pro Jahr rund 11 Milliarden Franken, was fast den gesamten Kosten für den Gotthardbasistunnel entspricht. mfe und die Fachärzte haben sieben Mal nein zum neuen Tarif gesagt. Auch curafutura fand den vorgeschlagenen Tarif noch nicht reif. «Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen», so Cassis. Die Tarifstruktur ist veraltet und generiert Überversorgung, die zu unnötiger Prämiensteigerung führt. Das sei heute politisch nicht mehr tolerierbar, meinte Cassis weiter. Beide Gesundheitskommissionen des Parlaments haben den Bundesrat deshalb beauftragt, zu intervenieren. Zu Beginn 2017 findet eine bundesrätliche Retraite zu ­diesem Thema statt. Ignazio Cassis geht davon aus, dass bei der erwarteten Tarmedintervention des Bundesrates die Hausärzte wiederum die Gewinner sein werden.
Tatsache ist, dass das aktuelle System und seine Prämien zu einer Verarmung des Schweizer Mittelstandes führen. Die Kaufkraft hat bereits um 0,2 Prozentpunkte abgenommen, wovon 95% auf die Krankenkassenprämien entfallen. Cassis ist überzeugt: Das System kann so nicht mehr weiterlaufen. Entweder reduziere man «militärisch» das Angebot (eher unrealistisch in der Schweiz) oder man reduziere die Nachfrage, indem von den Versicherten mehr Kostenbeteiligung verlangt wird.
Die Tarifpartner haben die Verlängerung des Vertrages für 2017 unterschrieben. Der Vernehmlassungsprozess zu den bundesrätlichen Änderungsvorschlägen wird im Februar 2017 starten. Bundesamt und Parlament sind jedoch weiterhin davon überzeugt, dass eine Lösung ohne Amtstarif gefunden werden kann.

Fehlanreize in unserem 
Gesundheits­system?

Die Schweizer Bevölkerung ist grundsätzlich zufrieden mit ihrem Gesundheitssystem – mit Ausnahme der zu hohen Prämien. Ein wichtiges Thema sind die monetären Fehlanreize. Diese können entweder durch den Tarif verursacht werden, oder bei der Finanzierung. «Wer zahlt am Schluss die Rechnung?» ist hier die relevante Frage. Versicherer haben zum Beispiel heute keinen Anreiz, die Patienten ambulant behandeln zu lassen, was oft korrekt und kostengünstiger wäre. Die Prämien würden mehr steigen. Es müsste zwingend mehr von stationär zu ambulant verschoben werden; die Schweiz ist hier im internationalen Vergleich im Verzug. Abhilfe kann nur eine ­einheitliche Finanzierung des stationären und ambulanten ­Sektors schaffen. Dies ist ein strategischer Schwerpunkt von curafutura für das Jahr 2017. Eine ad hoc-Kommission im Parlament befasst sich ebenfalls mit dem Thema. Die Kantone sind heute schon in der Steuerung des ambulanten Bereichs aktiv. Die Wunschvorstellung wäre ein System, das die Steuer- und Prämiengelder gleichmässig in die Bereiche stationär und ambulant bringt. So wäre es künftig möglich, diese Fehlanreize zu vermeiden.

Philippe Luchsinger übernimmt das ­Präsidium

Die Delegierten wählten Philippe Luchsinger einstimmig zum neuen Präsidenten von mfe. Er hat das Präsidium am 1. Januar 2017 von Marc Müller übernommen.
Philippe Luchsinger übernimmt das mfe-Präsidium von Marc Müller.
Marc Müller übergab einen starken Berufsverband mit grossem Einfluss. Dass mfe heute als wichtige Organisation der Hausarztmedizin und relevante, politische Stimme im Gesundheitswesen wahrgenommen wird, geht zu einem grossen Teil auf seine erfolgreiche Arbeit zurück. Marc Müller bleibt als Past-Präsident im Vorstand und wird seine Erfahrungen vor allem in der Gesundheitspolitik und der Interprofessionalität einbringen.
Philippe Luchsinger zeichnet sich durch viel Gespür für politische Fragen aus, ist ein ausgezeichneter Netzwerker und übte sein bisheriges Amt als Vizepräsident mfe mit grossem Engagement und viel Herzblut für die Hausarztmedizin aus. Der gesamte Vorstand und die Delegierten freuen sich, dass mit ihm ein bestens ausgewiesener Nachfolger für das Präsidium gefunden werden konnte. Mehr über Philippe Luchsinger erfahren Sie im Interview auf Seite 10.

Beschlüsse der Delegiertenversammlung von mfe

– Das Grundversorgerkonzept wurde verabschiedet;
– Die Delegiertenversammlung hat dem Kollegium für Hausarztmedizin (KHM) neu einen Delegiertensitz eingeräumt;
– Die Jungen Hausärztinnen und -ärzte Schweiz (JHaS) erhalten im Sinne der Nachwuchsförderung einen zweiten 
Delegiertensitz zugesprochen;
– Änderungen des Anhangs zum Geschäftsreglement (Kriterien Mitgliedschaft mfe): Als gleichwertige Weiterbildung gemäss Art. 4 lit. a der Statuten gilt ein EU-Facharzttitel allgemeine oder innere Medizin bzw. Kinder- und Jugendmedizin, für den eine mindestens fünfjährige Weiterbildung erforderlich ist;
– Das Budget 2017 wurde verabschiedet;
– Der Mitgliederbeitrag bleibt für 2017 unverändert.
Sandra Hügli-Jost
Kommunikationsbeauftragte Hausärzte Schweiz, Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
sandra.huegli[at]
hausaerzteschweiz.ch