Potenziell vermeidbare Rehospitalisationen
Qualitätsindikatoren in der Schweiz

Potenziell vermeidbare Rehospitalisationen

Lehren und Forschen
Ausgabe
2017/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01480
Prim Hosp Care (de). 2017;17(10):191-192

Affiliations
a Verantwortliche für klinische Indikatoren, CHUV, Lausanne; b Stellvertretende Leiterin der medizinischen Abteilung, CHUV, Lausanne

Publiziert am 24.05.2017

Rehospitalisationen sind häufige Ereignisse, die im Verlauf einer Krankheit vorkommen können. In vielen Situationen ist die Rehospitalisation jedoch möglicherweise die Folge eines nicht angemessen abgewickelten Übergangs zwischen stationärer und ambulanter Betreuung oder einer Komplikation, die nach der Entlassung der Patienten auftritt. Der Nationale Verein für Qualitätsentwicklung in ­Spitälern und Kliniken (ANQ) hat die Rate der potenziell vermeidbaren Rehospitalisationen innert 30 Tagen (berechnet mithilfe des Algorithmus SQLAPE®) in die Liste seiner Indikatoren aufgenommen.
Wenn man sich mit Rehospitalisationen befasst, stellt sich eine Reihe von Fragen. Die alleinige Rate der ­Rehospitalisationen innert 30 Tagen ist nicht aus­reichend präzise, um allfällige Qualitätsmängel fest­zustellen; denn in vielen Fällen sind diese Rehospitalisationen geplant und Teil einer Betreuung, die der bewährten Praxis in verschiedenen Fachgebieten entspricht, oder sie sind angesichts der Krankheit normal. Zudem kann der Patient aufgrund einer gänzlich anderen Erkrankung erneut stationär aufgenommen werden (Abb. 1).
Auch Rehospitalisationen von Patienten, die in ein Drittspital verlegt wurden, wurden nicht berücksichtigt, da die dortigen Geschehnisse nicht unter der Kontrolle des ersten Spitals standen.
Abbildung 1: Art und Verteilung der Rehospitalisationen. 
Quelle: Datenmaterial CHUV 2016.

Der Algorithmus SQLAPE®

Der Algorithmus schliesst die Aufenthalte jener Pa­tienten aus, die bei ihrem Austritt in ein anderes Akutspital verlegt werden. Unter Berücksichtigung von Informationen, die aufgrund der Diagnose und der Interventionen zur Verfügung stehen, klammert der Algorithmus auch alle Rehospitalisationen aus, die geplant sind, als Teil einer normalen Behandlung angesehen werden oder durch eine neu aufgetretene Erkrankung bedingt sind; ausserdem berücksichtigt er eine Liste von Krankheiten, die als schwer behandelbar gelten oder häufige Rehospitalisationen erfordern. Dadurch können wir uns auf jene Rehospitalisationen konzentrieren, von denen sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, dass sie unvermeidbar sind (die also vielleicht ver­mieden werden könnten). Wir nennen sie folglich ­potenziell vermeidbare Rehospitalisationen. Diese ­Bezeichnung bedeutet nicht, dass alle diese Rehospitalisationen zu vermeiden sind: Aus diesem Grund wird diese Rate mit der «erwarteten» Rate verglichen, das heisst mit einer Rate, die auf Daten beruht, die im Laufe mehrerer Jahre in Schweizer Spitälern bei Patienten mit denselben Merkmalen (vor allem Diagnose, Operationen, Zahl der vorgängigen Rehospitalisationen) beobachtet wurden. Die Definition des Indikators sagt nichts darüber aus, ob das Spital die Rehospitalisation vermeiden könnte oder sollte.
Der Indikator der potenziell vermeidbaren Rehospitalisationen ist ein Indikator für die Qualität der Behandlung, insbesondere der Qualität der Vorbereitung des Austritts. Zu den Faktoren, die sich auf die Rate der potenziell vermeidbaren Rehospitalisationen positiv auswirken können, zählen: Information des Patienten, Medikationsabgleich sowie rasche Übermittlung des Austrittsberichts an die Hausärztin bzw. den Hausarzt.

Kein Algorithmus ist perfekt

Zwangsläufig werden «falsch positive» Bewertungen vorkommen, also Rehospitalisationen, die laut SQLAPE® als potenziell vermeidbar gelten, aber in Wirklichkeit zur bewährten Praxis einer bestimmten Fachrichtung gehören; ungeachtet dessen können mithilfe vieler dieser potenziell vermeidbaren Rehospitalisationen, wenn man den Fall genauer analysiert, Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Das neue Tool SQLAPE-Monitor sollte diesen Schritt stark erleichtern: Das Tool ermöglicht, die Ergebnisse potenziell vermeidbarer Rehospitalisationen darzustellen; so können die Dossiers einfacher geprüft und allfällige Problemsituationen analysiert werden, etwa durch Ermittlung jener Bereiche und Abteilungen, in denen die Rate potenziell vermeidbarer Rehospitalisationen zu hoch ist.
Estelle Lécureux
Responsable des indicateurs cliniques
CHUV
CH-1011 Lausanne
estelle.lecureux[at]chuv.ch
Halfon P et al. «Validation of the potentially avoidable hospital readmission rate as a routine indicator of the quality of hospital care», Medical care, 2006.