SWISS EHPIC 2017: von 22. bis 24. März 2017 in Solothurn

Interprofessionalität heisst auch … «Learning by Doing»

Offizielle Mitteilungen
Ausgabe
2017/02
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01496
Prim Hosp Care (de). 2017;17(02):0

Affiliations
Vorstandsmitglied mfe

Publiziert am 24.01.2017

Interprofessionelle Ausbildung ist eine grundlegende und langfristige Strategie, um die Angehörigen der Gesundheits- und Pflegeberufe auf die gemeinsame Arbeit vorzubereiten.
«Die Hausärzte arbeiten schon immer auf interprofessionelle Art und Weise. Sie arbeiten bei der Pflege chronischer und multimorbider Patienten mit zahlreichen Berufsgruppen zusammen. Sie benötigen also bestimmt keinen Unterricht darin!» Dies ist noch immer eine weitverbreitete Denkweise. Durch die Ansichten von Bryan Hodges haben wir diesbezüglich bereits im Jahr 2012 neue Einblicke gewonnen. Interprofessionalität kann als ein Modell erfahren werden, bei dem die Verantwortlichkeiten und Entscheidungen geteilt werden. Die Lektüre seines Werks «Creating the Health Care Team of the Future» war das auslösende Element für die Bildung der Arbeitsgruppe Interprofessionalität (IP) innerhalb von Haus- und Kinderärzte Schweiz mfe, die aus Vorstandsmitgliedern und Delegierten zusammengesetzt ist.

Erfolge und Enttäuschungen

In den letzten Jahren haben wir bei unserer Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen Erfolge und Enttäuschungen erlebt. Wir waren uns unserer praktischen Unerfahrenheit bewusst und hatten das Bedürfnis, ein Konzept für die interprofessionelle Zusammenarbeit zu entwerfen. 2015 sind Marc Müller und ich nach Toronto gereist, um von jenen zu lernen, die interprofessionelle Pflege an der dortigen Universität bereits seit über 15 Jahren erproben.
Das Ausbilderteam, das uns betreute, bestand aus einem Hausarzt, einem Psychiater und zwei Logopäden. Sie liessen uns nicht nur an ihrer pädagogischen Erfahrung teilhaben, sondern vermittelten uns auch ihre politische Strategie: Wie kann die interprofessionelle Pflege im ambulanten Bereich wirksam und nachhaltig gefördert werden?
Ein Kernstück ihrer Strategie ist – neben einer langfristig gesicherten Finanzierung – die interprofessionelle Ausbildung (IPE). Dabei geht es darum, die Auszubildenden verschiedener Berufsgruppen frühzeitig und während der gesamten Ausbildung miteinander in Kontakt zu bringen, damit soziale Beziehungen entstehen. Mithilfe von Kursmodulen und gemeinsamen sozialen Aktivitäten lernen sich die Studierenden kennen und respektieren, bevor sie zu sehr von ihrer Berufsidentität durchdrungen sind. Die IPE ist eine grundlegende und langfristige Strategie, um die Angehörigen der Gesundheits- und Pflegeberufe auf die gemeinsame Arbeit vorzubereiten.
Um die IP dauerhaft durchzusetzen, müssen wir nicht nur die Zukunft durch Ausbildung des Nachwuchses vorbereiten, die vor Ort Tätigen darin schulen und sie mit den Regeln der interprofessionellen Arbeit gemäss den neuen Modellen der horizontalen Kooperation vertraut machen, sondern auch die politischen Entscheidungsträger von der Wichtigkeit der IP überzeugen. Denn die Gesellschaft entwickelt sich rasch, die Bevölkerung altert und die Patienten werden komplexer. Die ambulante Pflege und die Möglichkeit, zu Hause betreut zu werden, entsprechen dem Wunsch der Pa­tienten und wirtschaftlichen Erfordernissen. Diese Realität muss vor dem Hintergrund der Haushaltskürzungen, Vergütungseinschränkungen und vor allem des Mangels an Pflegenden (besonders an Pflegefachfrauen und -männern und Hausärztinnen und -ärzten) betrachtet werden. Die Jugendlichen können sich nur schwer vorstellen, eine Ausbildung in einem Gesundheits- und Pflegeberuf zu absolvieren, da diese Berufe nicht anerkannt und schlecht bezahlt sowie mit einer hohen Belastung verbunden sind. Zudem haben sich in den letzten Jahren bedauerlicherweise immer mehr ausgebildete Pflegefachpersonen und Ärzte entschieden, ihre Karriere neu auszurichten, wodurch der Allgemeinheit grosse Kosten entstehen und das Pflegesystem geschwächt wird. Die Belastung am Arbeitsplatz lässt das System erodieren, der professionelle und psychische Druck ist hoch und bringt Abhängigkeiten, Fehlzeiten und Burn-out mit sich. Unser Gesundheitssystem sollte also nicht nur den Nachwuchs und die bereits Aktiven ausbilden, sondern muss auch die Arbeitsbedingungen verbessern. Neue Berufe wie Pflegekoordinator(in) müssen noch ihren Platz im interprofessionellen Team finden. Eine gut strukturierte interprofessionelle Arbeit ist Teil der infrage kommenden Lösungen.

«Teach the Teacher»

mfe hat die Initiative gestartet, die kanadischen Erfahrungen umzusetzen. In der Schweiz steht die Ära der interprofessionellen Pflege erst am Anfang, viel bleibt noch zu tun. Derzeit arbeitet jeder sein eigenes Modell aus und handelt auf eigene Faust, ohne sich um Kosten und Zusammenhänge zu kümmern. Wir sind der Ansicht, dass die Schweiz ein koordiniertes, abgestimmtes und an die verschiedenen kantonalen Systeme angepasstes Modell interprofessioneller Pflege benötigt, um den Aufgaben der Zukunft gewachsen zu sein. Mit Ihrer Hilfe und Unterstützung möchten wir aktiv zur Ausarbeitung eines Schweizer Modells der Interprofessionalität beitragen. mfe hat darum das Ausbilderteam aus Toronto eingeladen, sein Fachwissen mit den Schweizer Pflegefachpersonen und Ärzten zu teilen. Ihr Ausbildungsmodell wurde bereits erfolgreich in einige Länder übertragen, etwa in die USA, nach Australien und Dänemark.
Die Schweiz ist Gastgeberin des ersten Pilotkurses SWISS ehpic 2017, der in englischer Sprache abgehalten wird und von 22. bis 24. März 2017 in Solothurn stattfindet. Der Pilotkurs wurde nach dem Modell «Teach the Teacher» gestaltet. Die Teilnahmekosten wurden möglichst gering berechnet, da wir die Teilnehmer dazu motivieren möchten, sich gemeinsam mit mfe aktiv für die Entwicklung und Förderung einer hochwertigen und abgestimmten interprofessionellen Ausbildung in der Schweiz zu engagieren. Unser Ziel ist, ein motiviertes Team zu bilden, das uns bei der Entwicklung einer Schweizer IP-Ausbildung begleitet. Wir haben uns dafür entschieden, uns bei dieser ersten Erfahrung von einigen Partnern begleiten zu lassen, die während der Vorbereitungsphase ihre Vision mit uns geteilt haben: BIHAM (Berner Institut für Hausarztmedizin, Prof. Nicolas Rodondi), Genfer Institut für Hausarztmedizin (Prof. Johanna Sommer), die Berner und Genfer Fachhochschule für Gesundheit sowie das CIS (Interprofessionelles Simulationszentrum, Dr. med. Elisabeth van Gessel). Ausserdem haben wir bestimmte Netzwerke gebeten, uns für eine Partnerschaft zur Verfügung zu stehen, und haben zwei Versicherungen (Helsana und CSS) eingeladen, diese Piloterfahrung mit der Gruppe zu teilen, um sie so zu animieren, die Modelle hochwertiger interprofessioneller Pflege für ihre Versicherten zu fördern.

Wir freuen uns auf zahlreiche 
Teilnehmerinnen und Teilnehmer!

Sie sind den Patienten nahe, Sie begleiten und pflegen sie – Sie sind also eine gute Kandidatin/ein guter Kandidat für diesen Kurs! Idealerweise sollte man sich in Gruppen zu zwei oder drei Personen einschreiben, die unterschiedliche Ausbildungen absolviert haben und die an einem IP-Projekt beteiligt sind. Die infrage kommenden Berufsgruppen sollten vor allem im ambulanten Bereich tätig sein und umfassen Ärztinnen und Ärzte, Apotheker, Pflegefachpersonen, Ernährungsberaterinnen, Logopäden, Physiotherapeutinnen, Pflegekoordinatoren, Psychologinnen, Sozialarbeiter, Hebammen oder auch Seelsorger. Verantwortlich für die Organisation des Kurses ist die Agentur Medworld. Zur Teilnahme genügt es, eine individuelle oder Gruppenanmeldung (Anmeldeformular auf der Website von mfe http://www.hausaerzteschweiz.ch) sowie ein Motivationsschreiben, in dem in englischer Sprache das Engagement und die Motivation für die IP erklärt wird, an Medworld zu richten. Der Anmeldung sollte überdies die kurze Darstellung eines interprofessionellen Projekts beigefügt sein, das im Laufe der drei Ausbildungstage genauer ausgearbeitet und im beruflichen Rahmen im Anschluss an den Kurs in die Praxis umgesetzt wird. Die Gruppenmitglieder werden den Ausbildenden nach drei Monaten per Telekonferenz ihr Feedback übermitteln. Sechs Monate nach dem Kurs findet im Rahmen des SGAIM-Kongresses am 14. und 15. September 2017 eine Synthesetagung statt, in deren Mittelpunkt die Analyse der Projekte und das Ausbildungskonzept stehen.
Wir freuen uns darauf, zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüssen zu dürfen und mit Ihnen unseren Enthusiasmus für die interprofessionelle Pflege zu teilen.
Sandra Hügli-Jost
Kommunikationsverantwortliche Hausärzte Schweiz, Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.huegli[at]
hausaerzteschweiz.ch)