Der politische Arm, die politische Kraft der Haus- und Kinderärzte

Classe politique?

Editorial
Ausgabe
2017/02
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01502
Prim Hosp Care (de). 2017;17(02):0

Affiliations
Präsident mfe

Publiziert am 24.01.2017

Ein geflügeltes Wort, diese Classe politique, meist gebraucht von Leuten, die auf andere zielen, obwohl sie selbst mitten drin sitzen. Gemeint sind Politiker, die sich, abgehoben von ihrer Basis, in einem Elfenbeinturm nur um ihre eigenen Bedürfnisse kümmern und weder hören noch sehen, was ihre Wähler eigentlich möchten. Inzestuöse Machtkonzentrationen, Geklüngel und Vetterliwirtschaft sind die Folgen, oder mit ­einem Bonmot: Was ist die höchste Form der Vernetzung? Der Filz!
Wie ist das bei mfe? Ist der Vorstand Teil der Mitglieder, repräsentiert er die Hausärztin, nimmt er den Kinderarzt wahr? Die Sorge, völlig abgehoben Dinge zu erzählen, Positionen zu vertreten, in denen sich niemand wiedererkennt, begleitet uns im Vorstand mfe dauernd. Entscheiden wir anders, diskutieren wir anders, wenn wir mit einem Wissensvorsprung oder mit einer langjährigen Politikerfahrung unsere Arbeit machen? Engagieren wir uns in Sackgassen, weil wir «berufsblind» sind?
Sicher, der Vorstand ist in seiner Arbeit den Delegierten Rechenschaft schuldig, und natürlich auch all seinen Mitgliedern. Wir sind uns dessen sehr wohl bewusst. Das genügt aber nicht: Wir wollen wissen, wo der Schuh drückt, wir wollen wissen, was sich unsere Kolleginnen und Kollegen überlegen; so viele Ärztinnen und Ärzte sind kreativ und offen! Hilfreich ist natürlich, dass wir in der Praxis arbeiten, dass wir den Alltag aus der persönlichen Erfahrung kennen, dass wir uns mit den gleichen Problemen herumschlagen. Und trotzdem: Nur schon die Wahrnehmung in verschiedenen Regionen der Schweiz, in andersgelagerten sozialen Umgebungen differiert teilweise ausgeprägt. Um das Ziel zu erreichen, Sprachrohr und Interessenvertreter möglichst aller Haus- und Kinderärzte zu sein, hat der Vorstand mfe sich in den letzten Jahren bemüht, die Kontakte zur genannten Basis zu intensivieren. Mit dem neudeutschen Begriff «key account management» wurde ein Grundstein gelegt: Jedes Vorstandsmitglied ist direkter Ansprechpartner der ihm zugeteilten Region, steht dort in möglichst engem Kontakt mit den regionalen Verbänden, informiert und holt ab. Um den Austausch in den Regionen zu verbessern, hat mfe – nach dem Vorbild der Romandie, die dies schon mehrfach durchgeführt hat – seit diesem Jahr auch in den anderen Regionen der Schweiz sogenannte Regionaltreffen organisiert. In offener Diskussion, lebhaft und interessiert, lernen wir so voneinander: die Regionen untereinander, der Vorstand von der Basis. Und im Bestreben, den Nachwuchs zu fördern, können junge Kolleginnen und Kollegen standespolitische Luft schnuppern. Die zuerst spürbaren Zweifel, ob solche Treffen denn nötig und gut seien, haben (glücklicherweise) in eine Zufriedenheit umgeschlagen (begeistert sind wir Schweizer ja selten …). Das gibt uns Mut, die Treffen 2017 zu planen.
Ein Vorstand darf aber nicht nur reagieren, Wünsche abholen, Unzufriedenheiten bewirtschaften; er soll auch innovativ sein und vorwärts denken: «gouverner c’est prévoir», wie es so schön heisst. Mit einem ganz neuen Projekt für 2017 setzt mfe einen Fokus auf ein Gebiet, das in unseren Augen die Zukunft der Grundversorgung prägen wird: die Interprofessionalität. In Zusammenarbeit mit ehpic, dem interprofessionellen Institut der Universität Toronto, hat mfe einen Teach-the-Teacher-Kurs in interprofessioneller Ausbildung organisiert. Bereits bestehende oder geplante interprofessionelle Teams werden aufgerufen, sich für diesen Kurs, der Ende März in Solothurn stattfindet, anzumelden und eine wirklich neue Erfahrung zu machen. Was das mit der Basis zu tun hat? Der Kurs soll der Startschuss sein für ein neues Verständnis der interprofessionellen Zusammenarbeit. Und wir sind mitten drin, gestalten proaktiv mit, immer mehr von uns, und tragen es weiter.
Classe politique? Ich hoffe, wir als Vorstand mfe werden nicht so wahrgenommen, oder höchstens im ­positiven Sinn: Wir sind der politische Arm und die ­politische Kraft, welche die Haus- und Kinderärzte weiterbringen.
Sandra Hügli-Jost
Kommunikations­verantwortliche Hausärzte Schweiz, Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.huegli[at]
hausaerzteschweiz.ch