Tag des akademischen Nachwuchses in der Hausarztmedizin
Präsentationen, Diskussionen, Anregungen

Tag des akademischen Nachwuchses in der Hausarztmedizin

Lehren und Forschen
Ausgabe
2017/11
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01505
Prim Hosp Care (de). 2017;17(11):210-211

Affiliations
Institut für Hausarztmedizin, Universität Zürich, UniversitätsSpital Zürich

Publiziert am 14.06.2017

Es ist besonders wichtig, junge Forschende in der Hausarztmedizin zu vernetzen. Dafür wurde der Tag des akademischen Nachwuchses in der Hausarztmedizin (TANHAM) gegründet.

Einleitung

Im Jahre 2011 haben sich die fünf Institute für Hausarztmedizin der Universitäten Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich als Swiss Academy for Family Medicine (SAFMed) zusammengeschlossen. Die Schweizer Universitätsrektorenkonferenz hat in den Jahren 2013–2016 im Rahmen ihres Förderprogramms von Kooperations- und Innovationsprojekten SAFMed mit 5 Millionen Franken unterstützt, mit dem Ziel einer Stärkung der akademischen Hausarztmedizin. Jedem Institut fiel dabei eine spezifische Aufgabe zu, Zürich war für die Förderung der Akademisierung des wissenschaft­lichen Nachwuchses zuständig.
Bald wurde dabei klar, dass es besonders wichtig ist, die Vernetzung der jungen Forschenden in der Hausarztmedizin zu fördern. Eine Massnahme dazu sollte eine Veranstaltung sein, bei der jeweils zwei Nachwuchsforscher aus jedem Institut ihre geplanten Projekte, aber auch abgeschlossene Arbeiten vorstellen und diskutieren können um voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu inspirieren und motivieren. Damit war der Tag des akademischen Nachwuchses in der Hausarztmedizin, TANHAM, geboren.
Am 24. Januar 2017 fand der 3. TANHAM in Bern statt. Insgesamt elf Nachwuchsforscher aus den Instituten Basel, Bern, Lausanne, Luzern, Genf und Zürich nutzten die Möglichkeit, ihre Forschungsresultate zu präsentieren.
Teilnehmer des 3. TANHAM Treffens in Bern am 24. ­Januar 2017.

Vielfalt an Forschungsthemen und ­Methoden am 3. TANHAM in Bern

Nachfolgend werden die Forschungsprojekte kurz vorgestellt.
Der multimorbide Patient und die Erwartungen der Pa­tienten an die Hausarztmedizin waren bei drei Projekten im Fokus. Eine repräsentative Untersuchung im Netzwerk der Sentinella-Praxen an über 2500 konsekutiv erfassten Patienten zeigte, dass bei 52% mindestens zwei chronische Erkrankungen vorlagen und der Anteil Patienten ohne chronische Erkrankung mit 27% ­geringer ausfiel. Eine systematische Analyse bei 843 multimorbiden hausärztlich betreuten Patienten ergab, dass die Patienten im Median neben elf Praxisbesuchen beim Hausarzt in 34% weitere Kontakte für paramedizinische Behandlungsangebote benötigten und im Durchschnitt 1,9 zusätzliche ärztliche Fachspezialisten in­volviert waren, womit nicht nur die «Krankheitslast» sondern auch die «Behandlungslast» bei multimorbiden Patienten eindrücklich gezeigt werden konnte.
Passend zum Nachweis dieser Behandlungslast waren auch die Ergebnisse einer Befragung bei fast 200 Pa­tienten zu den Erwartungen an die Hausarztmedizin. So war für eine Mehrheit der Befragten die kontinuierliche patientenzentrierte Betreuung in der Praxis, die Koordination der medizinischen Versorgung sowie die Kommunikation von sehr grosser Bedeutung.
Neben der Multimorbidität standen auch einzelne Erkrankungen im Fokus der jungen Forscher. So befasste sich eine Dissertationsarbeit mit der Versorgungsqualität von PAVK-Patienten in der Praxis. Mit Hilfe von Routinedaten aus elektronischen Krankengeschichten konnte die Forscherin bei über 1200 Patienten mit ­einer peripher arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) das Risikoprofil und Behandlungsindikatoren, wie sie im englischen System des Quality and Outcomes Framework (QOF) zur Inzentivierung der Hausärzte ­angewendet werden, analysieren. Dabei zeigte sich ­einerseits eine gute Erfüllung der Blutdruckzielwerte, andererseits ergaben sich aber auch Schwierigkeiten mit der Übertragbarkeit von Qualitätsindikatoren aus einem anderen Gesundheitssystem auf die Schweiz.
Ein weiteres Forschungsprojekt hat sich mit dem Problem von Wadenkrämpfen befasst. Es zeigte sich, dass Wadenkrämpfe bei Patienten nicht nur häufig, sondern auch mit erheblichen Schmerzen und einer relevanten Schlafstörung assoziiert sind. Die Erfahrungen aus dieser Beobachtungsstudie dienen nun der Planung für eine Interventionsstudie mit dem Ziel, die Wirkung einer gezielten Physiotherapie zu testen.
Basierend auf der Hypothese, dass im nationalen Überwachungssystem für Antibiotikaresistenzen die häufigen unkomplizierten Harnwegsinfektionen, die in der Praxis meist empirisch (ohne mikrobiologische Resistenzprüfung) behandelt werden, unterrepräsentiert sind, wurde ein Forschungsprojekt vorgestellt, das zum Ziel hat, die aktuelle Resistenzlage bei Harnwegs­infektionen in der Praxis zu untersuchen. Dank der Kollaboration aller SAFMed-Institute und der Unterstützung durch ärztliche Netzwerke in allen Landesteilen wird die Realisation dieses Projekts dazu beitragen, evidenzbasierte Behandlungsempfehlungen für die hausärztliche Praxis zu generieren.
Auch zu Aspekten der Gesundheitsförderung und Prävention wurden Forschungsresultate präsentiert. So zeigte eine von Hausärzten durchgeführte Intervention über zwölf Monate bei übergewichtigen Kindern eine erfolgreiche Reduktion des Gewichts. Aus hausärztlicher Sicht von Bedeutung waren die Resultate zur Aufrechterhaltung und Implementation der Intervention. Die Mehrheit der Studienärzte hat die Intervention nach Studienabschluss in der Praxis weitergeführt resp. würde das Vorgehen auch Kollegen in der ­Praxis weiterempfehlen.
Eine weitere Arbeit präsentierte erstmals das Risikoprofil von Benutzern der von der Schweizerischen ­Herzstiftung kürzlich lancierten online Plattform «Swissheart-Coach». Die Analyse demografischer und kardiovaskulärer Risikofaktoren bei den etwas mehr als 1000 Anwendern der Plattform zeigte, dass eher gesunde Personen die Plattform nutzten. Die Ergebnisse sind eine wichtige Datenbasis um das Potenzial und den möglichen zielgerichteten Einsatz dieses neuen Tools weiter zu klären.
Hausärztemangel, Interprofessionalität und Weiterbildung waren weitere Themen, die wissenschaftlich im Fokus standen. So wurden weitere Daten zur ­Work-Force-Studie präsentiert, einer schweizweiten ­Erhebung zur Befindlichkeit der aktuell in der Praxis tätigen Hausärztinnen und Hausärzte. Der Haus­ärztemangel, wie er von den Teilnehmern der Be­fragung erlebt wurde, war zwischen Stadt- und Land­regionen vergleichbar. Um die prognostizierten Versorgungslücken anzugehen, sind neben der Nachwuchsförderung auch interprofessionelle Lösungen notwendig. Passend zu dieser Thematik wurden erste Resultate vorgestellt, die im Rahmen einer systematischen Literaturübersicht die Voraussetzungen für eine wirksame interprofessionelle Zusammenarbeit analysieren. Schliesslich ergab eine Evaluation der Praxis­assistenz durch die Befragung bei mehr als 350 Absolventen, dass die Mehrheit sich im weiteren Verlauf für die Aufnahme einer hausärztlichen Praxis­tätigkeit entschied. Die erlernten «Skills» im Rahmen der Praxis­assistenz waren dabei ein wichtiger Erfolgs­faktor beim Entscheid für eine weitere hausärztliche Tätigkeit, womit das Forschungsprojekt die wichtige Rolle der Praxisassistenz bei der eigenen Nachwuchsförderung belegen konnte.
Was ist denn nun neu an diesen Resultaten? Neu ist, dass sie aufgrund der hohen Qualität der angewendeten Methoden und Analysen einen validen Beleg für den Beitrag der Hausarztmedizin für ein effizientes Gesundheitssystem liefern. Der Mehrwert der Forschung liegt damit in einer soliden Datenbasis, welche die in Praxen gesammelte Erfahrungen abbildet und in gesundheitspolitischen Diskussionen hoffentlich gewinnbringend «umgemünzt» werden kann.

Ausblick

Die konstruktiven Diskussionen und Anregungen im Anschluss an die Projektpräsentationen wurden sehr geschätzt. Die positive Resonanz der Nachwuchsforscher auf das TANHAM-Angebot als Übungs- und Netzwerkplattform hat die Organisatoren und Leiter der SAFMed-Institute motiviert, dieses Angebot auch im nächsten Jahr wieder anzubieten. Wir sind überzeugt, dass das Angebot zur Mitwirkung an Forschungsprojekten die Attraktivität der Hausarzt­medizin steigern kann. Forschung ist damit kein Selbstzweck, sondern führt Studierende und Assistenten über Masterarbeiten und Dissertationen an das Fachgebiet heran.
Prof. Dr. med.
Thomas Rosemann, PhD
Prof. Dr. med.
Oliver Senn, MPH
Institut für Hausarztmedizin, Universität Zürich
UniversitätsSpital Zürich
Pestalozzistrasse 24
CH-8091 Zürich