Ein Kongress, der summt und brummt

40 Jahre Ärztekongress Arosa

Editorial
Ausgabe
2017/06
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01520
Prim Hosp Care (de). 2017;17(06):107

Affiliations
Mitglied der Redaktion von «Primary and Hospital Care»

Publiziert am 22.03.2017

Natürlich nehme ich von einem Kongress jedes Mal ­einen Rucksack von medizinischen Informationen und neuen Kenntnisssen mit. Bewusst soll hier einmal auch die Wertschöpfung «beyond medicine» beschrieben werden.
«Salü Schämpu!» Jedes Mal, wenn ich ihn am Bahnhof Arosa, auf dem Weg zur Eishalle oder im Foyer erblicke, wird es mir warm ums Herz. Jean-Pierre Grob, Dulliken, verkörpert wie kein zweiter meine Generation (1948), die den Aufbruch der Hausärzte miterleben und auch mitgestalten durfte. Er, der begeisterte ehemalige Pfadfinder, war für alle «Schandtaten» zu haben. Er rannte mit dem Mikrophon anlässlich der lebhaften Diskussionen im Saal herum, er übernahm die Moderationen von Workshops, auch wenn ihm das Thema nicht so lag, und vor allem strahlte er immer einen angeborenen Optimismus aus, der einfach gut tat. Klar sitzt er auch seit Jahren im Beirat ein, der sich zur Programmgestaltung zweimal jährlich trifft.
Jetzt sind unsere Tage in Arosa gezählt und wir treten mit wehem Herzen nach weit über 20 Jahren aus der Organisation zurück. Wir haben die diversen Jobs von wahren Leuchttürmen der Hausarztszene übernommen, von Bene Horn und der famosen ersten Generation von Hausarztlehrern der Universität Bern und von Walter Irniger, der mit seiner Begabung für eine gute (und seriöse!) Bühnenshow mein eigentlicher Mentor war. Und da war natürlich Tino Röthlisberger, zusammen mit dem Sekretariat (früher Helene Guler, heute Barbara Guler), die Seele und der Motor des Kongresses. Klar kann man auch andernorts an Kongresse ­gehen und es ist gut, dass auch Davos, Crans Montana und Luzern ihre Liebhaberszene haben. Die wichtigen Referate und Workshops sind – oft von denselben ­Re­ferenten – an den verschiedenen Orten zu hören. ­­Mit ausgezeichneten «klinischen» Kursen haben die ­grossen Kliniken heute ein tolles Angebot zu bieten.
Warum lohnt es sich denn immer noch, nach Arosa zu gehen? Dieser Kurs wird als einziger ausschliesslich von Hausärzten konzipiert. Die Handschrift des Komitees ist spürbar. Die «Dialoge» Hausarzt/Spezialist auf der Bühne, die Walter Irniger als erster in dieser Form wagte, haben ihren Fokus auf der täglichen Arbeit. Wir wollen keine Studienresultate und keine Forschung präsentiert haben. Wir hören gerne das Konzentrat aus Evidenz und Eminenz, ohne Überheblichkeit dargebracht und «heruntergebrochen» auf unseren Bedarf. Unsere Lieblingsdozenten sind bodenständige Kliniker und Praktiker, die uns als Partner ansprechen. Manche Sternstunden bleiben mir in Erinnerung, darunter natürlich der unvergleichliche Etzel Gysling. Als Moderator durfte ich manche Höhenflüge geniessen, musste auch einige wenige «Abstürze» verdauen.
Ich liebe dieses Aroser «Pulloverpublikum», das so ganz sich selbst ist und zum Glück neben den knorrigen Herren und Damen reifen Alters immer mehr auch aus jungen Hausärztinnen und Hausärzten besteht. Eine besondere Freude bereitet uns die jedes Jahr eingeladene Gruppe von Studierenden. Klar könnte man den gleichen Kongress in Olten abhalten (ich mag ­Olten sehr!), aber die Klausur in den Bergen ist eben ­etwas Besonderes. Abends geht der Kongress in den ­Restaurants, an Lesungen oder beim Fonduehock auf dem Tschuggen weiter. Es gibt nichts Wichtigeres als diese Gespräche, Begegnungen und Kongressfreundschaften, dieses Teilen von Erfahrungen, Kummer und Freude, den Austausch über den Ärger mit Versicherungen und Kassen, Tipps betreffend neuer Laborgeräte und vieles mehr. Liebe Referentinnen und Referenten, seien Sie nicht traurig, wir schätzen Ihre fantastischen Referate und ausgezeichneten Workshops, und wir wären nichts ohne Sie. Aber die persönlichen Eindrücke, die «Gesichter und Geschichten», die wir als emotionale Souvernirs mit nach Hause nehmen, sind nicht zu übertreffen. Darum möchte ich mich im Namen des Kongressvereins – Andy Fischbacher, Sedrun (Präsident), Heinz Bhend, Aarburg (Programmchef), Claudia Zuber, Othmarsingen (Kassierin), Oliver Senn, Zürich (Studentenprojekte), Patricia Herzog, Fislisbach (Aktuarin) und Martin Röthlisberger, Arosa – dafür bedanken, dass Sie nach Arosa kommen. Denn Sie, das Publikum, machen den Kongress aus und sind Salz und Pfeffer für die von uns angerichtete Mahlzeit. Das ist meine Mühe mit dem Abschied: Wo finde ich in Zukunft eine solche Ansammlung von Menschen, die mir etwas bedeuten? Motivierte Berufsleute, die eine Stimmung verbreiten wie ein emsiger Bienenstock an einem Frühlingstag, wenn es summt und brummt.
Dr. med. Edy Riesen
Facharzt für
Allgemeinmedizin FMH
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CH-4417 Ziefen
edy.riesen[at]hin.ch