Hormonelle Diagnostik – Fälle mit Fallen
Tipps für den Praxisalltag

Hormonelle Diagnostik – Fälle mit Fallen

Lernen
Ausgabe
2017/19
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01525
Prim Hosp Care (de). 2017;17(19):363-367

Affiliations
a Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin und Metabolismus, Inselspital Bern; b Service d’èndocrinologie, diabétologie et ­métabolisme, Département de médecine, CHUV (centre hospitalier universitaire vaudois) Lausanne; c Departement für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus, Universitätsspital Basel

Publiziert am 11.10.2017

Wer kennt das nicht? Man bestimmt einen Hormonwert, erhält ein Resultat und fragt sich, ob dieses nun wirklich für die Beschwerden des Patienten verantwortlich ist und ob nun eine weitere Diagnostik oder Therapie indiziert wäre.

Einleitung

Bei der Bestimmung von Hormonen müssen verschiedene Faktoren wie Tageszeit, bei der Frau Zyklusab­hängigkeit, Medikamente, Stressfaktoren und unter bereits bestehender Hormontherapie der richtige Entnahmezeitpunkt berücksichtigt werden. Auch die Blutentnahme selbst birgt Gefahrenquellen, zum Beispiel müssen manche Hormone schon während der Abnahme gekühlt oder Hemmer von abbauenden Enzymen hinzugegeben werden.
Ganz allgemein ist die Interpretation eines Laborwertes nur im Kontext mit einer bestehenden Klinik möglich und sinnvoll.
Die nachfolgenden Fälle sollen auf Fallen aufmerksam machen und die Interpretation im Praxisalltag erleichtern.

Die Schilddrüse – ist der TSH-Wert immer hilfreich?

Fallvignette 1

Sie messen bei einer 56-jährigen Patientin mit bekannter Hashimoto-Thyreoiditis neu einen TSH-Wert von 7,5 mU/l (Norm 0,25–4,5 mU/l). Sie ist klinisch unauffällig und seit Jahren unter einer stabilen Levothyroxin-Substitution mit dokumentierter Euthyreose. Wie interpretieren Sie diesen Befund? Muss nach all den Jahren die Levothyroxindosis erhöht werden?

Hintergrund

TSH – ein Glykoprotein bestehend aus zwei Untereinheiten – wird in den basophilen Zellen des Hypophysenvorderlappens gebildet (gesteuert durch TRH, übergeordnet aus dem Hypothalamus). Die Freisetzung unterliegt tageszeitlichen Schwankungen (nachmittags tiefer, morgens höher [1]). Schwere Allgemeinerkrankungen sowie Phasen der Rekonvaleszenz können die Schilddrüsenwerte beeinflussen [2]. Um die Schilddrüsenwerte richtig interpretieren zu können, muss auch die Begleitmedikation berücksichtigt werden, die Auswirkung auf den Schilddrüsenmetabolismus haben kann (Tab. 1) [3–5]. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Aufnahme von Levothyroxin im Darm durch Essen oder Trinken reduziert wird [6, 7].
Tabelle 1: Medikamente und Situationen mit Einfluss auf den Schilddrüsenmetabolismus (adaptiert und gekürzt nach [3–5]).
Reduktion der Schilddrüsen­hormonaufnahmeKalziumpräparate, Eisenpräparate, Multivitamin­präparate, die Kalzium oder Eisen enthalten, orale ­Bisphosphonate, Malabsorptions­syndrome, Einnahme mit der Nahrung
Steigerung des Schilddrüsen­hormonmetabolismusAntiepileptika (Phenytoin, Carbamazepin), ­Thyrosinkinaseinhibitoren, Wachstumshormon
Hemmung der TSH-SekretionGlucocorticoide, Dopaminagonisten, Opiate ­(Methadon, Heroin)
Stimulation der TSH-SekretionDopaminantagonisten (z.B. Antiemetika wie Metoclopramid), unbehandelte ­Nebennierenrindeninsuffizienz
Hemmung der Schilddrüsen­hormonproduktionAmiodarone, jodhaltiges Kontrastmittel, Lithium, ­Thionamide (Carbimazol, ­Propylthiouracil)
Stimulation der SchilddrüsenhormonproduktionbHCG (v.a. 1. Triminon), Amiodarone, jodhaltiges ­Kontrastmittel
Hemmung der Konversion T4 → T3Glucocorticoide, Amiodarone, Betablocker, ­Propylthiouracil
Nach genauem Nachfragen gibt die Patientin an, seit einiger Zeit Kalziumtabletten zur Osteoporoseprophylaxe ebenfalls morgens einzunehmen. Zudem nimmt sie die Levothyroxintabletten meist erst mit dem Frühstück ein. Die Antwort lautet deshalb: Nein, die Levothyroxindosis muss nicht erhöht werden, vielmehr muss die Patientin in der korrekten Einnahme sowohl bezüglich des zeitlichen Abstands zum Frühstück wie auch zu den anderen Medikamenten, die die Aufnahme von Levothyroxin im Darm beeinflussen können, geschult werden.

Fazit für die Praxis

– Um Resorptionsstörungen zu vermeiden, sollte Levothyroxin – wie im Schweizerischen Arzneimittelkompendium empfohlen – als Gesamtdosis morgens, vorzugsweise mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück, eingenommen werden;
– Medikamente, die den Schilddrüsenstoffwechsel beeinflussen, sollten möglichst in einem zeitlichen Abstand von zwei bis vier Stunden eingenommen werden.
Obwohl in der hausärztlichen Praxis die Fälle primärer Schilddrüsenstörungen überwiegen, gibt es immer wieder Patienten mit sekundären Hypothyreosen, häufig im Rahmen einer Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (z.B. nach Operationen an der Hypophyse aufgrund von Adenomen). Hausärztlich bereitet häufig die Levothyroxin-Dosisfindung Probleme. Bei der Behandlung von sekundären Hypothyreosen gilt es Folgendes zu beachten:

Fazit für die Praxis

– Vor Beginn einer Levothyroxinsubstitution sollten die anderen Hypophysenachsen, insbesondere die kortikotrope Achse, überprüft werden;
– Eine Levothyroxinbehandlung darf nur eingeleitet werden, wenn eine Nebennierenrindeninsuffizienz ausgeschlossen ist oder mitbehandelt wird (Gefahr der Addisonkrise);
– Der TSH-Wert kann bei sekundären Hypothyreosen weder für die Diagnostik noch für die Therapiekontrolle verwendet werden und muss nicht bestimmt werden [3, 8];
– Die Kontrolle der Substitutionstherapie bei sekundären Hypothyreosen richtet sich nach dem fT4-Wert, dieser sollte im mittleren bis oberen Normbereich liegen.

Erhöhtes Parathormon = primärer ­Hyperparathyreoidismus?

Fallvignette 2

Eine 69-jährige Patientin, BMI 26 kg/m2, Blutdruck 140/95 mm Hg, Bauchumfang 92 cm, in gutem Allgemeinzustand, zeigt in einer Blutuntersuchung inzidentell ein erhöhtes Parathormon mit 95 pg/ml (Norm 10–73 pg/ml). Der Phosphatspiegel ist leicht erniedrigt bei korrigierten Kalziumwerten im mittleren Normbereich. Eine Niereninsuffizienz konnte ausgeschlossen werden. Der 25-Hydroxy-Vitamin D-Spiegel ist noch ausstehend. Besteht hier ein primärer Hyperparathyreoidismus, und muss ein Nebenschilddrüsenadenom gesucht und eventuell sogar chirurgisch saniert werden?

Hintergrund

Vitamin-D-Mangelzustände sind häufig bei älteren Personen. Ursächlich hierfür sind verminderte Sonnenlichtexposition, eine verminderte funktionale ­Kapazität der Haut sowie in kleinerem Masse auch diätetische Einflüsse (wenig Fisch, Eier, Milchprodukte). In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass ein 25-Hydroxy-Vitamin D-Spiegel unter 30 nmol/l (zum Teil sogar <50 nmol/l) eine Erhöhung des Parathormons bewirken [9, 10] und einen sekundären ­Hyperparathyreoidismus verursachen kann, mit erhöhtem Knochenturnover, Knochenverlust, Minerali-sationsverlust und erhöhtem Frakturrisiko. Neben ­einem Vitamin D-Mangel können eine verminderte Nierenfunktion (oder verminderte Leberfunktion), niedrige Kalziumspiegel (z.B. bei kalziumarmer Ernährung oder Störung der Kalziumaufnahme durch den Darm) aber auch Schleifendiuretika (Erhöhung der ­Kalziumexkretion) [11] einen sekundären Hyperparathyreoidismus verursachen (Tab. 2).
Tabelle 2: Zusammenhang der unterschiedlichen Parameter bei dokumentiertem Hyperparathyreoidismus.
 NIpHPVitamin-D-Mangel
Kalzium↓←→
Phosphat↓←→
Kreatinin←→←→
Parathormon
25-OH-Vitamin D↓←→↓←→↓ ↓
Abkürzungen: NI = Niereninsuffizienz; pHP = primärer Hyperparathyreoidismus.
Als nach drei Tagen das Resultat des 25-Hydroxy-Vitamin D-Spiegels vorliegt zeigt sich ein Mangelzustand mit 28 nmol/l. Eine Substitution wird eingeleitet. Daraufhin ist der PTH-Spiegel im Verlauf um ca. 30% gesunken und zeigt nun eine normale Parathyreoideafunktion bei normalen Kalziumwerten.

Fazit für die Praxis

– Nicht jeder erhöhte Parathormonwert entspricht der Diagnose eines primären Hyperparathyreoidismus;
– Vor allem bei älteren Patienten ist ein Vitamin D-Mangel gehäuft;
– Die häufigsten Gründe für einen sekundären Hyperparathyreoidismus sind ein Vitamin D-Mangel und chronische Nierenerkrankungen.
– Die Eidgenössische Ernährungskommission empfiehlt für die erwachsene Schweizer Bevölkerung allgemein 600 IE Vitamin D täglich (über 60 Jahre 800 IE), bei schwerem Vitamin D Mangel 1500–2000 IE täglich [12] mit dem Ziel, den 25-Hydroxy-­Vitaminspiegel auf >75 nmol/l anzuheben.

Das Prolaktin – spricht eine Erhöhung immer für ein hypophysäres Problem?

Fallvignette 3

Sie sehen eine 24-jährige, sonst gesunde, schlanke Patientin mit unregelmässigen Menstruationszyklen. Der Prolaktinwert ist leicht erhöht bei 40 mcg/l, knapp das Doppelte der oberen Norm. Muss nun ein Hypophysenadenom gesucht werden?

Hintergrund

Prolaktin wird im Hypophysenvorderlappen produziert und von dort in einem zyklusabhängigem (bei der Frau ähnlich dem Estradiol [13]) Tag-Nachtrhythmus (Minimum zwischen 9 und 11 Uhr morgens [14]) sezerniert. Eine Hyperprolaktinämie kann viele Ursachen haben (Abb. 1). Häufig wird eine Prolaktinbestimmung bei Oligo-/Amenorrhoe, Galaktorrhoe oder unerfülltem Kinderwunsch vorgenommen. Physiologisch kann ein erhöhter Prolaktinwert durch Schwangerschaft, Stillzeit und Stress verursacht sein. Pathologisch kommen als wesentliche Ursachen Medikamente mit dopamin­antagonistischer Wirkung (Tab. 3) und hypophysäre Prozesse in Frage. Andere – seltenere Ursachen – sind eine hypothalamische Prolaktinstimulation durch eine primäre Hypothyreose, eine verminderte Elimination von Prolaktin durch eine schwere Nieren- oder Leberinsuffizienz oder eine neurogene Stimulation (z.B. Thoraxwandverletzungen, Bruststimulation). Auch bei polyzystischem Ovarsyndrom, Hypophysitis oder Irritation/Unterbrechung des Hypophysenstiels kann es zu einer Hyperprolaktinämie kommen [15]. Häufig vernachlässigt ist die ­Makroprolaktinämie als Ursache der Hyperprolaktinämie. Hier führen Autoantikörper dazu, dass sich Prolaktinmonomere zu Makromolekülen zusammenlagern, die länger in der Zirkulation bleiben und zu falsch erhöhten Prolaktinwerten führen. Eine Makro­prolaktinämie hat aufgrund der verminderten bis ­fehlenden Bioaktivität wahrscheinlich keine Krankheitsrelevanz, sollte aber im Workup einer Hyperprolaktinämie nicht fehlen, vor allem wenn keine sonstigen ­Ursachen gefunden werden können oder keine spezifischen Symptome vorliegen [16]. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass mit der Höhe des Prolaktinspiegels die Wahrscheinlichkeit eines prolaktinbildenden Tumors der Hypophyse (Prolaktinom) zunimmt.
Tabelle 3: Medikamente, die eine Hyperprolaktinämie auslösen können (adaptiert und gekürzt nach [15]).
SubstanzgruppeWirkstoff/WirkungHandelsname
AntidpressivaAmitriptylin
Clomipramin
Escitalopram
Fluoxetin
Sertralin
Saroten®
Anafranil®
Cipralex®
Fluctine®, Fluoxetin®
Sertralin®, Zoloft®
NeuroleptikaHaloperidol
Olanzapin
Pipamperon
Risperidon
Aripiprazol
Haldol®
Zyprexa®
Dipiperon®
Risperdal®
Abilify®
AntihypertensivaVerapamil
Metyldopa
Isoptin®, Flamon®
Aldomet®
MagensäurehemmerRanitidin/H2-RezeptorblockerZantic®
AntiemetikaMetoclopramid/Dopaminant­agonistenPaspertin®
OpiateOpiate 
ÖstrogeneOrale öströgenhaltige ­Antikonzeption 
BenzodiazepineDiazepamValium®, Stesolid®
AntiepileptikaCarbamazepinTegretol®
 
Nach Ausschluss einer Makroprolaktinämie und wiederholter Bestimmung des Prolaktinwerts morgens, nüchtern, 30 Minuten nach Einlage ­einer Butterflynadel (um den Stress der Blutentnahme zu minimieren) bestätigt sich ein leicht erhöhter Wert um 40 mcg/l. Bei Erhebung der Medikamentenanamnese zeigt sich, dass die Patientin seit einigen Monaten Escitalopram aufgrund einer Angststörung einnimmt. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Psychiater konnte dieses Medikament ausgeschlichen werden und in einer Prolaktinkontrolle acht Wochen später zeigt sich ein Prolaktinwert im Normbereich.

Fazit für die Praxis

– Eine Hyperprolaktinämie spricht nicht immer für ein Hypophysenadenom – vor allem nur leicht erhöhte Prolaktinwerte (bis 100 mcg/l) könnnen verschiedene Ursachen haben;
– Die häufigste Ursache für eine leichte Hyperprolaktinämie sind Medikamente;
– Bei erhöhten Prolaktinwerten und negativer Medikamentenanamnese oder Gesichtsfeldeinschränkungen ist eine hypophysäre Bildgebung empfohlen [17]. Es sollte berücksichtigt werden, dass ca. 10% der gesunden Bevölkerung in der Bildgebung ein sogenanntes Inzidentalom in der Hypophyse aufweisen. Deshalb ist es wichtig vor der Bildgebung ­andere Ursachen für eine Hyperprolaktinämie auszuschliessen [18].
Abbildung 1: Ätiologie der Hyperprolaktinämie.

Hypercortisolismus – zur Diagnose einer Cushing-Erkrankung ist es ein weiter Weg

Fallvignette 4

Sie sehen eine 24-jährige Patientin, die Sie wegen Müdigkeit und tiefnormalen Blutdruckwerten ohne Orthostase weiter abklären. Sie ist normalgewichtig. Der Morgencortisolwert liegt deutlich erhöht bei 995 nmol/l, fast das Doppelte der oberen Norm. Kann ein Hypocortisolismus ausgeschlossen werden? Liegt hier (im Gegenteil) eine Cushing-Erkrankung vor?

Hintergrund

Die Regulation der Cortisolsekretion wird durch CRH aus dem Hypothalamus und ACTH aus der Hypophyse bewerkstelligt, im Sinne eines negativen Feedbackmechanismus. Die Sekretion von Cortisol verläuft nach ­einem Tagesrhythmus mit der höchsten Konzentration am frühen Morgen, sinkenden Werten tagsüber und den niedrigsten Messwerten in der Nacht. Cortisol liegt im Blut zu 85% an Plasmaeiweiss gebunden vor (75% an Corticosteroid-bindendes Globulin CBG, 10% an Albumin). Die Cortisolbestimmung ist nur bei ­hohem klinischen Verdacht empfohlen und nicht als Screeningtest bei unspezifischem Beschwerdebild. Namentlich wird eine Cortisolbestimmung bei Patienten mit mehreren Cushing-Stigmata (Tab. 4) [19], bei Kindern mit verlangsamter Wachstumgeschwindigkeit und Gewichtszunahme sowie bei Patienten mit adrenalen Inzidentalomen, die mit einem Adenom vereinbar sind, empfohlen. Hier eignet sich eine Plasmacortisolbestimmung nicht, vielmehr werden Urin- oder Speicheluntersuchungen empfohlen oder ein Dexamethasonhemmtest [19]. Ein Hypocortisolismus sollte bei akut kranken Patienten mit Volumenmangel, Hypotension, Hyponatriämie, Hyperkaliämie, Fieber, Bauchschmerzen, Hyperpigmentation oder unklarer Hypoglykämie abgeklärt werden [20], wobei berücksichtigt werden muss, dass ein Morbus Addison eine sehr seltene Erkrankung ist. Viel häufiger ist eine sekundäre corticotrope Insuffizienz im Rahmen einer vorausgegangenen Steroidtherapie. Diese ist aber klinisch schwieriger zu erfassen, da in diesem Fall die mineralcorticoide Achse noch intakt ist und die akuten Symptome deshalb weniger ausgeprägt sind. Bei der Interpretation der Blutwerte muss berücksichtigt werden, dass das Plasmacortisol wie oben beschrieben mehrheitlich an das CBG gebunden vorliegt und eine CBG-Erhöhung (z.B. durch eine Östrogentherapie)ebenfalls zu einem erhöhten Cortisolwert führen kann.
Tabelle 4: Klinische Symptome einer Cushing-Erkrankung [19].
HauptsymptomeEasy bruising (Hämatomneigung)
 Faciale Plethora (fülliges, gerötetes Gesicht)
 Proximale Muskelschwäche oder Myopathie
 >1 cm breite, rote Striae
 Bei Kindern: Gewichtszunahme, Wachstumsretardierung
Weitere SymptomeBüffelnacken
 Adipositas
 Supraklavikuläre Fettgewebsvermehrung
 Dünne Haut, periphere Ödeme
 Akne/ Hirsutismus
 Wundheilungsstörungen
Bei der Patientin ergab die Medikamentenanamnese, dass sie nie Steroide eingenommen hat, allerdings nimmt sie seit Jahren eine östrogenhaltige Antikonzeption ein. Die klinische Untersuchung war unergiebig, insbesondere zeigte sich keine Hyperpigmentation, die Patientin war gesamthaft in einem guten Allgemeinzustand. Ein Hypocortisolismus war klinisch unwahrscheinlich. Bei der Bestimmung des Plasmacortisols zeigt sich wider Erwarten ein Hypercortisolismus. Bei Nicht-Übereinstimmen der Klinik mit den Laborresultaten müssen Störfaktoren evaluiert werden. Bei dieser jungen Frau erklärt die östrogenhaltige Antikonzeption den erhöhten Plasmacortisolwert ohne klinische Relevanz. Die Ursache für die Müdigkeit war in der Überlastung durch die Arbeit und gleichzeitiger Weiterbildung an mehreren Abenden in der Woche erklärt. Ein Eisenmangel oder eine Anämie konnte ausgeschlossen werden.

Fazit für die Praxis

– Bei der Cortisolbestimmung muss die Zirkadianität berücksichtigt werden. Am Verlässlichsten ist eine Bestimmung nüchtern am Morgen zwischen 8 und 9 Uhr;
– Ein primärer Hypocortisolismus hat meistens ein klinisches Korrelat. Ein sekundärer Mangel ist klinisch schwieriger zu erfassen, da die mineralcorticoide Achse noch intakt ist. Die häufigste Ursache für einen sekundären Hypocortisolismus ist eine vorhergegangene Steroidtherapie.
– Zur Abklärung einer Cushing-Erkrankung eignet sich die Bestimmung des Plasmacortisols nicht. Hier wird bei klarem klinischen Verdacht eine Urin- oder Speichelcortisolmessung bzw. ein Dexamethasonhemmtest empfohlen.

Take Home Message

– Laborresultate sind nur im Kontext mit der passenden Klinik interpretierbar.
– Stimmen Laborresultate und Klinik nicht überein, sollten Analysefehler (Abnahmezeitpunkt, Abnahmemodalitäten) oder externe Störfaktoren (Medikamente, Hormonersatzpräparate) berücksichtigt werden.
– Ein gemessener Hormonspiegel kann adäquat oder inadäquat sein und sollte immer im Gesamtkontext der hormonellen Regelkreise gesehen werden.
Prof. Dr. med. et phil.
Emanuel Christ
Leiter interdisziplinäre Endokrinologie
Departement für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
CH-4031 Basel
Emanuel.Christ[at]usb.ch
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