Tarifeingriff des Bundesrats

Tarifeingriff des Bundesrats - Ist Gerechtigkeit geschehen?

Editorial
Ausgabe
2017/08
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01559
Prim Hosp Care (de). 2017;17(08):145

Affiliations
Präsident mfe

Publiziert am 26.04.2017

Mittwoch 22. März 2017, die Delegiertenversammlung der FMH im Keller des ADOR ist in vollem Gang. Plötzlich kommt Unruhe auf, am Tisch des Zentralvorstands zuerst, eine gewisse Hektik, und bald ist klar: Bundesrat Berset kündigt seinen Tarifeingriff an, erklärt in der Medienkonferenz, flankiert von Herrn Strupler und Frau Schneider des BAG, wie er sich das vorstellt. Schon kurze Zeit später beginnen verschiedene Telefone zu klingeln oder wenigstens zu vibrieren, die Medien wollen Statements, sofort. Die Frage an die Hausärzte ist immer die gleiche: Seid ihr zufrieden? Ist nun Gerechtigkeit geschehen?
Der erste bundesrätliche Tarifeingriff von 2014 hatte das klare Ziel, die Haus- und Kinderärzte besser zu stellen. Warum «besser» stellen? Weil sich niemand vorher darum bemüht hatte, die Zurückstufungen der Tarmed-Einführung von 2004 in irgendeiner Form zu korrigieren. Politik und Verwaltung sind davon ausgegangen, dass danach Ärzteschaft und Versicherer die Revision des ambulanten Tarifs erarbeiten. Zumindest die Ärzteschaft hat sich der Sache angenommen, leider konnte das Resultat nicht befriedigen, war klar verbesserungswürdig und wurde deshalb von der FMH und den Versichererverbänden abgelehnt.
Nun, der aktuelle Tarifeingriff liegt vor, die ersten Berechnungen sind gemacht. Unsere Tarifkommission hat sich schon intensiv damit beschäftigt, was die Auswirkungen auf unsere Arbeit sein könnten. Ihre erste Analyse ist in diesem Heft zu lesen. Sind wir denn jetzt zufrieden? Der Tarifeingriff zeigt verschiedene Ansätze:
– Das Aufhebung der Dignitäten war ursprünglich auch für die Tarifrevision «Tarvision» geplant gewesen, wurde aber dann nicht konsequent weiterverfolgt. Bundesrat und BAG haben bestätigt, dass sie wie die Spitäler und die Versicherer nichts von solchen Abstufungen wissen wollen. Nicht unbedingt nachvollziehbar ist aber, auf welcher Höhe dieser Faktor festgelegt worden ist.
– Die Korrektur von vielen Handlungsleistungen (auch der Statusuntersuchungen) wird die Haus- und Kinderärzte weniger und in unterschiedlichem Mass betreffen, verschiedene Fachspezialitäten werden aber deutliche Einbussen erleiden.
– In vielen Sparten bleiben die Infrastrukturkosten (TL) unverändert, obwohl auch dort seit Einführung von Tarmed markante Veränderungen zu verzeichnen sind. In anderen wird eine lineare Kürzung vorgenommen, was dem Anspruch auf Sachgerechtigkeit widerspricht.
– Die Spezifizierung der «Arbeit in Abwesenheit» dient sicher der Transparenz, auch wenn die Rubrik «Arbeit für den Versicherer» fehlt. Ein von den Leistungsträgern eingebrachter Vorschlag, nicht nur diese Position mit Limitationen zu versehen, wird unsere Arbeit gerade mit multimorbiden Patienten und in der Interprofessionalität deutlich erschweren. Damit droht der Tarif zu entscheiden, welche Art von Medizin gemacht wird, und überdies 
die dringend notwendige Weiterentwicklung der Grundversorgung zu behindern.
Hat der Eingriff des Bundesrats erstaunt, hat er eine völlig neue Richtung eingeschlagen? Nein, eigentlich nicht. Der Bundesrat hat an der schon lange kommunizierten Haltung, die Grundversorgerarbeit korrekt abzubilden, und die deutlich zu hoch tarifierten Positionen zu korrigieren, festgehalten. Erstaunt hat aber, dass die Korrektur dazu missbraucht wird, das Ganze als Sparübung auszugestalten. Damit soll wahrscheinlich der Druck auf die Ärzteschaft erhöht werden, sich in der eigenen Tarifrevision «Tarco» zu engagieren und einen Konsens zu finden. Ein Eingriff kann nie eine definitive Lösung sein.
Ist nun «Gerechtigkeit geschehen», wie das die Medien von uns wissen wollten? Nein, aber es ist klar, was der Bundesrat von uns allen erwartet: Die Tarifrevision muss die Entschädigung der Haus- und Kinderärzte verbessern und die Arbeit aller korrekt abbilden. Daran wird mfe auch weiterhin tatkräftig mitarbeiten, dazu haben wir uns immer bekannt. Die Vernehmlassungsantwort werden wir mit unseren Delegierten an der DV im Mai diskutieren, und unsere konsolidierte Haltung entsprechend kommunizieren und einfliessen lassen. Die Arbeit geht uns nicht aus!
Sandra Hügli-Jost
Kommunikationsverantwortliche Hausärzte Schweiz, Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.huegli[at]hausaerzteschweiz.ch