Lehren und Forschen
Eine Rolle der Apotheken für die Gemeinschaft?
Sicherstellung der Rücknahme nicht verwendeter Medikamente
Faculté de biologie et de médecine de l’Université de Lausanne
Modul «immersion communautaire» der Fakultät für Biologie und Medizin der UNIL
Unter der Leitung von Jean-Bernard Daeppen (Verantwortlicher), Jacques Gaume (Koordinator), Aliciane Ischi (Logistik), Patrick Bodenmann, Bernard Burnand, Aude Fauvel, Sophie Paroz, Daniel Widmer und Madeleine Baumann
Vier Wochen lang forschen Medizinstudierende im dritten UNIL-Jahr in der Gemeinschaft zu einem Thema ihrer Wahl. Ziel des Moduls ist es, die künftigen Medizinerinnen und Medizinern mit nicht-biomedizinischen Faktoren vertraut zu machen, die sich auf Gesundheit, Krankheit und die praktische Ausübung der Medizin auswirken: Lebensstil, psychosoziale und kulturelle Faktoren, politische Entscheidungen, wirtschaftliche Einschränkungen, ethische Fragen usw. In Fünfergruppen definieren die Studierenden eine wissenschaftliche Fragestellung und beschäftigen sich mit der Fachliteratur. Ihre Forschungsarbeit bringt sie in Kontakt mit dem Netzwerk der Akteure aus den betroffenen Communities sowie mit Fachleuten oder Patientenverbänden, deren jeweilige Rollen und Einflüsse sie analysieren. Jede Gruppe wird von einem Tutor oder einer Tutorin aus dem Kreis der Lehrenden der Fakultät für Biologie und Medizin der Universität Lausanne (UNIL) begleitet. Zum Abschluss des Moduls stellen die Studierenden ihre Arbeiten auf einem zweitägigen Kongress vor. Sechs Arbeiten sind studienübergreifend gestaltet und werden gemeinsam mit Pflegefachfrauen in Ausbildung der Haute Ecole de la Santé La Source durchgeführt. An zwei Arbeiten sind zudem Studierende der Anthropologie der Fakultät für Sozial- und Politikwissenschaften beteiligt. Das Projekt wird finanziell unterstützt durch die Direction générale de l’enseignement supérieur des Kantons Waadt. Die drei herausragendsten Arbeiten wurden für eine Publikation in Primary and Hospital Care ausgewählt.
Einleitung
Gekaufte und ungebrauchte Medikamente (UM) gehören zu den Sonderabfällen [1]. Nach Gesetz müssen sie einer autorisierten Rücknahmestelle übergegeben werden (z.B. Apotheken, Abfallentsorgungsstellen) [2] und nicht in den Müll, ins Waschbecken oder die Toilette geworfen werden (Abb. 1). Die Apotheken des Kantons Waadt sind jedoch nicht verpflichtet, diese Rückgaben anzunehmen, und deren Entsorgungskosten werden ihnen belastet [3]. Eine systematische Rückgabe der UM in Apotheken zur Entsorgung oder eventuellen Wiederverwendung, würde die Umweltbelastung, den Missbrauch und die Verschwendung mindern, erfordert aber eine informierte Bevölkerung [4]. Wir haben demnach den Wissensstand und die Motivation bei einer Studienpopulation und bei Apothekern und Ärzten im Kanton Waadt bezüglich der Rückgabe von UM in Apotheken sondiert. Wir wollten vor allem wissen, ob ihrer Ansicht nach damit die Apotheken einen Dienst für die Gemeinschaft böten, und welches die nötigen oder erwünschten Mittel wären, diese Rückgaben zu fördern.
Methode
Durch teilstrukturierte Interviews befragten wir 7 Personen aus der Bevölkerung (verschiedenen Alters, Geschlechts und Zivilstands), 5 Apotheker und 4 waadtländische Ärzte. Wir haben auch einen Vertreter der Generaldirektion für Umwelt des Kantons Waadt, der Westschweizer Genossenschaft zur Sensibilisierung für Abfallentsorgung, der Vereinigung der Waadtländer Apotheken, die Kantonsapothekerin, einen der Gründer der Pharmacies du Coeur in Genf, eine Expertin in Ökotoxikologie, den leitenden Manager einer Apothekenkette und einen Arzt, der ausserhalb des Kantons praktiziert und UM zurücknimmt, getroffen. Die Vereinigung der Sonderabfallverwertung CRIDEC hat per E-Mail geantwortet und wir besuchten 5 Abfallsammelstellen.
Ergebnisse
Mehr als die Hälfte der Studienpopulation wusste, dass nicht verwendete Medikamente (UM) in der Apotheke zurückgegeben werden können. Die befragten Apotheker glaubten, die Bevölkerung sei bezüglich der Rückgabe von UM gut informiert, die Ärzte aber waren gegenteiliger Meinung. Wir stellten fest, dass die Entsorgung – auch durch Fachleute – nicht immer korrekt ausgeführt wurde.
Unsere Studienpopulation brachte ihre UM zurück, um die Gefahr des Zugriff durch Kinder zu begrenzen und aus Umweltschutzgründen. Sie würde durch eine mögliche Wiederverwendung motiviert. Apotheker und Ärzte glaubten, dass die Rückgabe von UM den Missbrauch beschränken und die adäquate Entsorgung garantieren würde.
Die Rückgabe von UM wurde als eine Rolle der Apotheken für die Gemeinschaft wahrgenommen, da der Apotheker als Fachperson für Medikamente gilt.
In Bezug auf die Förderung der Rückgabe von UM erklärte die Studienpopulation, schlecht informiert zu sein. Apotheker und manchmal Ärzte gaben Informationen ab. Die Apothekenkette hatte in ihren Filialen Plakate aufgehängt.
Die befragte Bevölkerung wünschte, bei der Rezeptabgabe, beim Verkauf, in der Werbung, mit einem Logo auf den Verpackungen usw., besser informiert zu werden. Die Apotheker wünschten eine bessere Aufteilung der Kosten, die Reduktion des Volumens von UM und Hilfe beim Aussortieren. Die Ärzte dachten, dass sie besser informieren könnten. Einzelverkauf, Anpassung der Packungsgrössen und eine bessere Zusammenarbeit Arzt-Apotheker zur Erhöhung der Behandlungsadhärenz wurden oft als Mittel zur Reduktion der UM genannt.
Wir haben weitere Probleme festgestellt; so etwa die Ablehnung der Rücknahme durch einzelne Apotheken, das Fehlen von systematischen Rückgabestellen bei den Abfallsammelstellen und zuweilen schlecht sichtbare, manchmal widersprüchliche oder im Verlauf sich ändernde Informationen.
Diskussion
Wir stellen fest, dass unsere Studienpopulation teilweise informiert ist und gerne besser Bescheid wüsste. Die Entsorgung ist, auch durch Fachleute, nicht immer angemessen. Die Rückgabe wird im Allgemeinen als Rolle der Apotheken für die Gemeinschaft akzeptiert, die Kosten sollten jedoch nicht ausschliesslich ihnen belastet werden. Die Informationen sind nicht immer zugänglich und klar, ebensowenig die Durchführung der vereinfachten Rückgabe. Es wäre demnach wünschenswert, die Akteure des Gesundheitswesens und der Abfallentsorgung zusammenzuführen, um die Information zu vereinheitlichen, klar zu gestalten und zu fördern, die Entsorgungskosten aufzuteilen und eventuell die lokale Wiederverwendung nicht abgelaufener UM zu unterstützen.
Danksagungen
Wir danken den befragten Beteiligten und unserer Tutorin, Frau Dr. Bickle Graz.
Korrespondenzadresse
Dr. phil. Jacques Gaume
Responsable de recherche
Coordinateur du module B3.6 – Immersion communautaire
Département universitaire de médecine et santé communautaires CHUV
Avenue de Beaumont 21 bis, Bâtiment P2
CH-1011 Lausanne
Jacques.Gaume[at]chuv.ch
Referenzen
1 Buletti M. Entsorgung von medizinischen Abfällen [Broschüre]. Bern: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft; 2004; 43p.
2 Bundesamt für Umwelt. Pflichten der Haushalte [Online]. [Am 10.04.2012 aktualisiert; am 03.03.2017 aufgerufen]. Verfügbar: https://www.bafu.admin.ch/bafu/fr/home/themes/dechets/info-specialistes/politique-des-dechets-et-mesures/aide-a-l_execution-relative-aux-mouvements-de-dechets-speciaux-e/obligations-du-detenteur-lors-de-la-remise-de-dechets/obligations-des-menages.html
3 Lehoczki A. Von Patienten nicht verwendete Medikamente: Auswertung der Rückgaben an Apotheken und Perspektiven [nicht veröffentlichte Diplomarbeit]. Genf: Fakultät der Wissenschaften Universität Genf; 2007.
4 Tong AY, Peake BM, Braund R. Disposal practices for unused medications around the world. Umwelt Int. 2011;37(1):292–8. doi: 10.1016/j.envint.2010.10.002
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