Tarifeingriff des Bundesrates

Sachlich, kompetent und ruhig – aber klar in der Sache

Editorial
Ausgabe
2017/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01606
Prim Hosp Care (de). 2017;17(12):223

Affiliations
Präsident mfe

Publiziert am 27.06.2017

In den letzten Tagen und Wochen hat der Tarifeingriff des Bundesrats zu vielfältigen Reaktionen geführt, nicht wenige wollen erreichen, dass er gar nicht in Kraft gesetzt wird.
Ist denn dieser bundesrätliche Tarifeingriff wirklich so neu und überraschend? Wenn wir die leidvolle Geschichte des Tarmed nochmals ansehen, kommen wir zu einem ganz anderen Schluss. Schon 1997 ist die erste Frist zur Erarbeitung eines Tarifs abgelaufen, schon damals musste der Bundesrat damit drohen, einen Amtstarif einzuführen. Nach viel hin und her, Boykottdrohungen, Anpassungen, Eingriffen von innen und aussen erfolgte die Einführung 2004, und schon damals war der Tarmed zum einen veraltet (die Berechnungen zur Gesamtrevision Arzt­tarif GRAT sind über zehn Jahre vorher durchgeführt worden), zum anderen weder sachgerecht noch betriebswirtschaftlich korrekt. Tarmed war ein politischer Tarif. Und er sollte angepasst, entwickelt, korrigiert werden. Santésuisse hat das mit ihrem Veto ­kontinuierlich verhindert, das Drücken auf den Taxpunktwert war einfacher und erfolgversprechender. So kommt die Eidgenössische Finanzkommission (EFK) in ihrer Wirkungsanalyse 2010 zum Schluss, dass Tarmed betriebswirtschaftlich nicht korrekt ist, und dass die intellektuellen Leistungen im Verhältnis zu den technischen unterbewertet sind.
In der Zwischenzeit ertönt von allen Seiten der Ruf, jetzt müsse doch endlich etwas geschehen. Der Druck aus der Bevölkerung, der Druck aus der Politik steigt massiv, und es bleibt dem Bundesrat gar nichts anderes übrig, als nach 2014 einen zweiten Tarifeingriff durchzuführen. Dass dieser einschneidender sein würde, dass dieser wehtun würde, hat der Bundesrat mehrmals im Voraus verlauten lassen. Nur politisch sehr unbedarfte Gemüter können behaupten, sie seien überrascht worden. Wenn dem Bundesrat vorgeworfen wird, dass der Eingriff nicht sachgerecht sei (das Luzerner Kantonsgericht hat jetzt sogar entschieden, der erste Eingriff sei es schon nicht gewesen), muss man diesen Stimmen natürlich recht geben: Sachgerecht war dieser Tarif nie, und erst recht hat er nicht zur angestrebten besseren Abgeltung der intellektuellen Leistung geführt. Dass mit dem bevorstehenden Tarifeingriff aber die heilige Kuh der Kostenneutralität verletzt wird, ist ein Novum und gefährlich, die Down-Regulierung der Ärzteeinkommen auf diesem Weg ist nicht akzeptabel.
Teile der Ärzteschaft reagieren heftig und laut, versuchen sich in Generalopposition und verkennen dabei, dass wir als Ärzte würdevoll Verantwortung tragen müssen, und dass weder Politik noch Bevölkerung ­Verständnis haben für keifende Streiter. Ganz Laute publizieren während der Vernehmlassung offene Briefe, entgegen politischen Gepflogenheiten in der Schweiz. Entsprechend hat mfe auch einen anderen Weg gewählt: Nach detaillierter Analyse werden die in unseren Augen unsere Arbeit behindernden Eingriffe ­akribisch und fundiert moniert. Der von unserer Tarifkommission erarbeitete Text ist hier nachzulesen: http://www.hausaerzteschweiz.ch/gesundheitspolitik/positionspapiere/. Danke für diese ausserordentliche Leistung!
Das BAG hat kommuniziert, dass Positionen, die nachweisbar falsche und gefährdende Auswirkungen haben, angepasst werden können. Das ist ein Zwischenziel, da unterstützen wir auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachgebieten. Und: Darin liegt auch ein Hinweis für TARCO (TARMEDconsensus): die Erarbeitung der neuen, sachgerechten Tarifstruktur muss unser Ziel sein, das Ziel der gesamten Ärzteschaft, das Ziel von mfe.
Sandra Hügli-Jost
Kommunikations­beauftragte mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz
Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.huegli[at]
hausaerzteschweiz.ch