Weiterentwicklung des Fachbereiches Allgemeine Innere Medizin

Woher sie kommt, wohin sie geht

Editorial
Ausgabe
2017/17
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01637
Prim Hosp Care (de). 2017;17(17):323

Affiliations
Co-Präsident SGAIM

Publiziert am 13.09.2017

In Verlauf der letzten 30 Jahre hat es die Allgemeine Innere Medizin (AIM) es geschafft, sich als eigenständige Fachrichtung zu etablieren, unabhängig von den aus der Inneren Medizin hervorgegangenen Fachgebieten. Ursprünglich sollte der Kompetenzrahmen der Inneren Medizin alles umfassen, was nicht in den Bereich der Chirurgie fiel, mit Ausnahme bestimmter Teilgebiete wie HNO oder Gynäkologie. Vor diesem Hintergrund wurde am 10. Juli 1932 die Schweizerische Gesellschaft für Innere Medizin gegründet. Mit welchem Ziel? Die Bekämpfung zentrifugaler Entwicklungen in der Inneren Medizin und der Gefahr der Aufsplitterung in Einzeldisziplinen. Dieses Vorhaben konnte aufgrund der Wissensvermehrung, der zunehmenden Spezialisierung und der Unmöglichkeit, jedes Teilgebiet zu beherrschen, nicht verwirklicht werden. Infolgedessen entstanden die «Tochtergesellschaften», etwa für Kardiologie und Pneumologie, zunächst als «Subdisziplinen», später als unabhängige Fachgebiete.
Das Aufkommen der «Tochtergesellschaften» barg ein neues Risiko, nämlich die Fragmentierung der Patientenbetreuung in einer Gesellschaft, die durch die Alterung der Bevölkerung gekennzeichnet ist. Es galt, eine neue Herausforderung zu bewältigen: Den Patienten in seiner Komplexität zu betreuen und zu gewährleisten, dass die von einem Spezialisten empfohlene Behandlung einer Komorbidität nicht im Widerspruch zu einer anderen Therapie stand, die ein weiterer Spezialist gegen eine andere Erkrankung vorschlug. So entwickelte sich die «Allgemeinmedizin», das heisst die Fähigkeit, den Patienten in seiner Gesamtheit zu behandeln, seine Therapien in Einklang zu bringen, mit den verschiedenen Spezialisten zusammenzuarbeiten sowie die Behandlungen mithilfe einer integrativen Sichtweise zu koordinieren und dabei auch nicht-ärztliche Gesundheitsberufe zu berücksichtigen. Indem sie diese Ziele zu ihrer Spezialität machte, erhielt die «Innere Medizin» ihre neue Mission und wandelte sich in «Allgemeine Innere Medizin». In der Schweiz nahm dieser Wandel eine konkrete Form an, als am 17. Dezember 2015 eine gemeinsame Fachgesellschaft für Allgemeinmedizinerinnen und ‑mediziner sowie für Internistinnen und Internisten gegründet wurde: die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM).
Die Allgemeine Innere Medizin hat sich in den vergangenen 30 Jahren zudem durch eine gewisse Zurückhaltung gegenüber den medizinischen Praktiken ausgezeichnet. Sie trug in hohem Masse zur Entwicklung der evidenzbasierten Medizin bei, also zur kritischen Prüfung der ärztlichen Kenntnisse und zur Förderung medizinischer Praktiken auf der Grundlage empirischer Nachweise. Sie ist überdies Initiatorin der Bewegung Choosing Wisely (smarter medicine in der Schweiz): Dabei wird empfohlen, auf Tests und Untersuchungen zu verzichten, die für den Patienten keinen Mehrwert bringen und deren Risiken den Nutzen übersteigen. Schliesslich leistet die Allgemeine Innere Medizin einen Beitrag, um der Präzisionsmedizin (früher auch «personalisierte Medizin» genannt) den Weg in die Zukunft zu ebnen: Diese passt das Konzept der evidence based medicine, die oftmals mit dem Hintergedanken «One size fits all» angewandt wird, an die individuellen Gegebenheiten des einzelnen Patienten an.
In diesem Heft startet die SGAIM eine Artikelserie, in der verschiedene Exponent/-innen aus unserem Fachgebiet ihre Vorstellungen über die Weiterentwicklung und die Zukunft der Allgemeinen Inneren Medizin äussern. Wir möchten damit eine Diskussion anregen und einen Beitrag leisten, damit die Attraktivität der Tätigkeit in der Allgemeinen Inneren Medizin gesteigert wird. Ich freue mich auf den vielfältigen Ausblick in eine spannende Zukunft.
Bruno Schmucki
Kommunikation, SGAIM, Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere ­Medizin
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bruno.schmucki[at]sgaim.ch