Jährliche Eichung des Audiometers in der Grundversorgerpraxis – Wo bleibt der gesunde Menschenverstand?

Leserbriefe
Ausgabe
2017/20
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2017.01655
Prim Hosp Care (de). 2017;17(20):381

Publiziert am 25.10.2017

Jährliche Eichung des Audiometers in der Grundversorgerpraxis – Wo bleibt der gesunde Menschenverstand?

Leserbrief zu Kollegium für Hausarztmedizin KHM. 
Ist Ihr audiometrisches Messmittel geeicht?
Prim Hosp Care. 2017;17(15):285
Gemäss Verordnung des EJPD über audiometrische Messmittel vom 9. März 2010 müssen Audometriegeräte jährlich geeicht werden. Diese Eichung ist ausschliesslich bei der METAS in Wabern möglich, die seit Ende Juni 2016 (Aufhebung aller Ermächtigungen von Audiometer-Eichstellen) das Monopol auf die Eichungen hat. Wo bleibt die Intervention der Wettbewerbskommission WEKO? Die Kosten für eine Eichung belaufen sich auf 230 Franken plus Portokosten. Bei Eichung vor Ort kommen 115 Franken als Wegpauschale dazu.
In unserer Praxis kommt das Audiometriegerät praktisch nur für Schüleruntersuchungen zum Einsatz. Da diese Untersuchungen im Kanton Bern nur mit 55 Franken entschädigt werden, müssen wir in Zukunft fünf Untersuchungen «gratis» durchführen, um nur schon die Kosten der Eichung zu decken.
Auch die genaueste Eichung kann bei freistehenden Audiometern nicht verhindern, dass Umgebungsgeräusche die Audiometrie leicht verfälschen oder stören. Trotzdem werden alle Schüler/-innen mit einer Hörsenke oder Hörminderung erfasst und an den HNO-Spezialisten weitergeleitet. Dafür ist keine Genauigkeit auf 10 dB nötig.
Der HNO-Spezialist misst in einer schallisolierten Audiometriekabine. Dass diese Geräte geeicht werden müssen, ist klar. Dort geht es um exakte Messungen, die je nach Befund die Übernahme von Hörgeräten durch Versicherungen zur Folge haben. Die Hausärztinnen und Hausärzte dürfen schliesslich auch keine Hörgeräte verordnen.
Dass deshalb bei reinen Screeninguntersuchungen in der Hausarztpraxis jährliche Eichungen nötig sein sollen, finde ich völlig übertrieben. Das wäre etwa so, wie wenn in der Schweiz plötzlich per Verordnung alle privaten Kühlschränke jährlich auf 6° geeicht werden müssten, um Lebensmittelintoxikationen zu verhindern ...
Dr. Urs L. Dürrenmatt
Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, Thun