Achillessehne und Fersensporn in der Arztpraxis
Wenn die Füsse sich melden

Achillessehne und Fersensporn in der Arztpraxis

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Ausgabe
2018/01
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.01611
Prim Hosp Care (de). 2018;18(01):13-15

Affiliations
Fachärztin FMH für Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Sprunggelenk- und Fusschirurgie / Traumatologie, Spitäler fmi

Publiziert am 03.01.2018

Regelmässig finden Patienten mit Schmerzen um die Ferse ihren Weg in die Hausarztpraxis. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über Erkrankungen im Bereich der Achillessehne und über den sogenannten Fersensporn sowie die typischen Beschwerden und die verschiedenen konservativen und operativen Behandlungsmöglichkeiten.

Einführung

Nicht nur Achilles wurde zur Zeit der Antike seine geschwächte Achillessehne zum Verhängnis. Auch heute leiden immer mehr Menschen an Beschwerden im ­Bereich dieser Sehne, die als die stärkste Sehne im Körper gilt. Mit einer Tragkraft von 800 kg bei einer Fläche von 80 mm2 ist der Gastrocnemius-Soleus-Komplex für die Plantarflexion (Abstossen) und Inversion (Einwärtsdrehen) des Fusses zuständig. Aufgrund der reduzierten Durchblutungssituation durch das Para­tendineum besteht eine hypovaskuläre Zone zwischen 6–10 cm proximal des Sehnenansatzes am Calcaneus, was diesen Bereich anfällig für degenerative Veränderungen macht.

Achillessehnenruptur

Ursachen

Allgemein wird zwischen der akuten und chronischen Achillessehnenruptur unterschieden. Zur chronischen Ruptur kann es vier bis sechs Wochen nach initialer Verletzung kommen. Die akute Sehnenruptur ist häufig eine Sportverletzung, hier typischerweise bei Stop-and-go-Sportarten. Bei unter 25-jährigen Patienten ist die Ätiologie meist mechanischer Ursache. Ein akkumulierter Impact, Übertraining sowie anatomische Probleme wie eine verkürzte Wadenmuskulatur mit reduzierter Flexibilität können zu einer Ruptur führen. Bei ­älteren Patienten ist häufig der mangelnde Trainingszustand bei allgemein reduzierter sportlicher Aktivität und eine Überbelastung für einen Sehnenriss verantwortlich. Jedoch kann auch eine asymptomatische Degeneration der Sehne, wie zum Beispiel nach lokaler Steroidinjektion, der Einnahme von Gyrase­hemmern oder bei Diabetes mellitus die Sehne schwächen und so zu einer Ruptur führen.

Diagnositk

In der Praxis präsentieren sich die Patienten mit einer reduzierten Gehfähigkeit. Der Einbeinzehenstand am verletzten Bein ist deutlich abgeschwächt oder nicht durchführbar. Es zeigt sich eine verstrichene Achillessehnenkontur mit palpabler Delle im Verlauf der Sehne. Am liegenden Patienten, mit am Tischende überhängenden Beinen, zeigt sich die deutlich reduzierte Vorspannung durch die gerissene Sehne im Vergleich zur Gegenseite. Aufgrund von Schmerzen und Verklebungen ist der häufig durchgeführte Thompson-Test meist nicht sehr sensitiv.
Klinisch lässt sich die akute Achillessehnenruptur am einfachsten an der vermehrten Dorsalextension des Fusses am auf dem Bauch liegenden Patienten mit beidseits 90° flektierten Knien und Druck beider Handflächen auf die Fusssohlen darstellen. Wenn möglich, kann auch eine Sonographie der Sehne die klinischen Befunde bestätigen. Bei Verdacht auf eine chronische Ruptur empfiehlt sich die Durchführung einer MRI-Untersuchung. Hier kann das Ausmass der degenerativen Veränderungen der Sehne dargestellt werden. Gleichzeitig kann eine ­mögliche Verfettung des Wadenmuskels, wie sie nach länger bestehender (chronischer) Ruptur auftritt, mitbeurteilt werden. Diese Befunde bieten dem Orthopäden wichtige Informationen, die einen Einfluss auf die operative Behandlung haben. Nach festgestellter Ruptur sollte die Behandlung individuell an den Patienten angepasst werden.

Therapie

Die konservative Behandlung ist bei älteren, sportlich weniger aktiven Patienten oder im Falle von Komorbiditäten eine gute Option. Für ein ­gutes funktionelles Ergebnis ist der Abstand der Sehnenstümpfe in 20° Plantarflexion des Fusses ein wichtiger Prädiktor für das Outcome. Bei einem Gap über 5 mm ist ein operatives Vorgehen in Erwägung zu ziehen. Dies ist auch der Fall für körperlich arbeitende oder sehr sportliche Patienten jüngeren Alters. Für ein konservatives Vorgehen spricht das Fehlen der Operationsrisiken. In der Literatur ist eine Komplikationsrate von bis zu 33% bei einem operativen Vorgehen beschrieben. Jedoch spricht eine dreifach erhöhte Rerupturrate bei konservativer Behandlung wiederum für einen operativen Eingriff. Bei den verschiedenen Operationsmöglichkeiten kann ein offener oder minimalinvasiver Eingriff erfolgen.
Die konservative Therapie der Achillessehnenruptur beinhaltet eine Ruhigstellung des betroffenen Fusses im Spitzfussgips mit einer Plantarflexion von 20° während sechs Wochen Tag und Nacht. Alternativ kann auch ein Spitzfuss-Softcaststiefel in Kombination mit einem Künzli Ortho Rehab Total-Schuh mit den beiden darin vorhandenen Fersenkeilen getragen werden. In beiden Fällen ist nach Gipsschluss, der in der Regel nach zwei Wochen erfolgt, die Vollbelastung erlaubt. Flankierend beginnt frühzeitig die physiotherapeutische Behandlung. Nach sechs Wochen strikter Spitzfussstellung wird der Winkel über eine Dauer von weiteren sechs Wochen alle zwei Wochen reduziert. Im Spezialschuh geschieht dies durch Wechsel respektive Entfernung der Fersenkeile; nach zwölf Wochen ist keine Fersenerhöhung mehr nötig. Für die Nacht ist der Spitzfuss-Softcaststiefel nicht mehr nötig, jedoch muss der entsprechende Künzli-Schuh bei jeg­licher ­Belastung strikt getragen werden. Mit einer Rückkehr in das Berufsleben bei körperlicher Arbeit ist nach ca. vier Monaten zu rechnen. Das gleiche Therapieschema trifft auch für operierte Achillessehnen zu. Auf Kontaktsportarten muss nach einer Achillessehnenverletzung für gut sechs Monate verzichtet werden.

Achillessehnentendinopathie

Ursachen

Aufgrund der Schwellung und Schmerzen, die mit der Überlastung der Achillessehne einhergehen, wurde früher häufig von einer Achillessehnentendinitis gesprochen. Da sich jedoch mikroskopisch keine Entzündung im klassischen Sinne, sondern eine Degeneration der Sehnenfasern gezeigt hat, setzt sich heute der Begriff Tendinopathie der Achillesehe mehr und mehr durch. Ursächlich ist häufig eine Überlastung der Sehne, sei es bei der Arbeit oder beim Sport, falsches Training oder schlecht sitzendes und drückendes Schuhwerk. Auch kann eine Änderung des üblichen Trainings bezüglich Dauer und Intensität die Achillessehne überlasten. In den meisten Fällen ist eine verkürzte dorsale Muskulatur an der unteren Extremität Mitverursacher der Beschwerden. Ebenfalls ursächlich beschrieben sind der Hohlfuss, der wiederum häufig mit einem verkürzten Gastrocnemius vergesellschaftet ist, die Arthritis sowie Einnahme von Chinolonen.

Diagnostik

In der Sprechstunde berichten die Patienten über eine Weichteilschwellung, Überwärmung und Steifigkeit im Bereich der Achillessehne. Typischerweise bestehen Anlaufschmerzen, Beschwerden beim Treppensteigen oder Bergauflaufen. Die Beschwerden sind unter Belastung in der Regel weniger ausgeprägt, treten jedoch in Ruhe wieder verstärkt auf. Später zeigt sich häufig eine schmerzhafte spindelförmige Schwellung im Verlauf der Sehne. Unterschieden wird die Achillessehnentendinopathie mit degenerativen Veränderungen in der Sehne und die Ansatz-/Insertionstendinopathie mit Beschwerden im Ansatz­bereich der Sehne am Calcaneus.
Klinisch sind die Sehne und die Weichteile geschwollen und schmerzhaft palpabel. Der Zehenstand kann die Beschwerden verstärken. In der Sonographie oder im MRI können die degenerativen Bereiche nachgewiesen werden.

Therapie

Die Behandlung der Achillessehnentendinopathie mit intratendinöser Läsion beinhaltet zunächst die deut­liche Reduktion oder den völligen Stopp der belastenden Aktivität. Lokale Massnahmen wie Kühlen oder Quarkwickel sowie die Einnahme von NSAR sollten ­immer auch von einer physiotherapeutischen Behandlung flankiert werden. Eine temporäre Entlastung der Sehne über das Tragen von Schuhen mit einem kleinen Absatz von 2–3 cm oder die Einlage von Fersenkeilen kann ebenfalls zu einer Beschwerdelinderung führen. Die Eigenblutbehandlung konnte keinen positiven Effekt auf die Beschwerden zeigen. Bei einer Stosswellenbehandlung wird ein Therapieerfolg bis zu 60% beschrieben. Eine wichtige Säule der Behandlung ist die Durchführung regelmässiger Dehnungsübungen für die Wadenmuskulatur. Dies, in Kombination mit ­exzentrischen Übungen für den Gastrocnemius-Soleus-Komplex, zeigt sich häufig erfolgreich.
Im Allgemeinen kann mit einem Beschwerderückgang innerhalb eines Jahres gerechnet werden. Von der lokalen Steroidinfiltration der Sehne oder auch der sehnennahen Schleimbeutel wird aufgrund des deutlich erhöhten Risikos für eine Ruptur abgeraten. Während die konservativen Massnahmen in 70–80% der Fälle zu ­einem Erfolg ­führen, besteht für die hartnäckigen Verläufe die Möglichkeit eines operativen Vorgehens. Hier bietet sich ­einerseits das offene Sehnendébridement mit gegebenenfalls gleichzeitiger Entfernung störender Knochensporne oder entzündeter Schleimbeutel an.
Sollte die betroffene Sehne noch keine fortgeschrittene Degeneration aufweisen, so besteht die Möglichkeit der Durchführung einer Tendinoskopie der Sehne mit gegebenenfalls Débridement und gleichzeitiger Durchführung eines proximalen medialen Gastrocnemius-Release zur Entlastung der Sehne.

Plantarfasziitis

Ursachen

Die Erkrankung der Plantarfaszie, die mit Schmerzen an der Ferse einhergeht, entsteht häufig durch eine Überbeanspruchung und daraus resultierenden Mikro­verletzungen. Etwa 10% der Bevölkerung leidet einmal im Leben unter dieser Erkrankung. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Das Durchschnittsalter liegt zwischen 40 und 60 Jahren. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter und dem BMI des Patienten zu. Berufsgruppen, die lange Stehen oder Gehen, sowie Sportler sind häufiger betroffen. Der namensgebende Fersensporn ist bei 60–90% aller Patienten mit Plantar­fasziitis radiologisch nachweisbar. Allerdings kann sich dieser auch bei 10–30% der Normalbevölkerung radiologisch nachweisen lassen.

Diagnostik

Die Patienten berichten von langsam progredienten belastungsabhängigen Fersenschmerzen. Die Beschwerden präsentieren sich typischerweise zentral plantar am Calcaneus, können jedoch auch ringförmig bei Kompression des Fersenbeines und plantomedial lokalisiert sein. Es kann zu einer Schmerzausstrahlung bis in den Vorfuss kommen. Typisch sind die morgendlichen Anlaufschmerzen sowie die zunehmenden ­Beschwerden bei längerer Belastung. Häufig kommt es am Abend zu einem «Nachbrennen».
Klinisch sollte eine Beurteilung des Fusses hinsichtlich Fehlstellung, Gewölbe und auch Gangbild erfolgen. Eine mögliche Verkürzung des Gastrocnemius kann häufig nachgewiesen werden. Auch zeigen sich die typischen Druckschmerzen am Calcaneus. Bei ausgeprägten Beschwerden kommt es zu einem Fasziendehnungsschmerz. Differenzialdiagnostisch sollte an ein Tarsaltunnelsyndrom, eine Ermüdungsfraktur des Calcaneus, ­subtalare Arthrose, Tendinopathie des Tibialis posterior sowie an eine lumbogene Komponente gedacht werden.

Therapie

Die Therapie ist vornehmlich konservativ. 85–90% der betroffenen Patienten sind nach zwei Jahren symptomfrei. Wichtig ist die Aufklärung des Patienten hinsichtlich des längeren Verlaufs und der konservativen Massnahmen. Auf das Gehen und Stehen auf hartem Untergrund sowie das Tragen von Schuhen mit harter Sohle sollte idealerweise verzichtet werden. Es empfehlen sich Schuhe mit Puffersohle, Gelpolstern oder Memory-Schaum-Einlage. Auch orthopädische Mass­einlagen können neben einer Unterstützung der Fussgewölbe eine Fersenweichbettung ­erhalten. Auf harte Schläge auf die Ferse sollte bis zur Beschwerde­regredienz verzichtet werden. Eine lokale Kältebehandlung sowie regelmässige Dehnungsübungen für die dorsale Kette sind ebenfalls erfolgversprechend. Eine physiotherapeutische Begleitbehandlung zur Durchführung lokaler analgetischer Massnahmen sowie das Tragen von Nachtschienen zur Vordehnung der Wadenmuskulatur können zusätzlich verordnet werden. Die Stosswellenbehandlung zeigt einen ­Therapieerfolg von 40–60%. Leider wird sie in der ­Regel nicht von den Krankenkassen übernommen. Die ebenfalls durchführbare Kortisoninfiltration sollte aufgrund der Nebenwirkungen wie Verminderung des Fersenfettpolsters und Riss der Plantarfaszie maximal ein- bis zweimal durchgeführt werden, bei unzureichendem Ansprechen sollte auf die ­übrigen konservativen Massnahmen zurückgegriffen werden. Bezüglich der Eigenblutbehandlung konnten hier noch keine ­sicheren Ergebnisse gezeigt werden.
Eine operative Therapie sollte allenfalls nach ausgeschöpfter konservativer Therapie über zwölf Monate in Betracht gezogen werden. Hier besteht die Möglichkeit eines offenen oder endoskopischen partiellen Release der Plantaraponeurose. Eine Beschwerderegredienz konnte auch bei der Durchführung eines proximalen medialen Gastrocnemius-Release festgestellt werden. Dies vor allem, wenn die Patienten eine deutliche Verkürzung der Wadenmuskulatur aufwiesen.

Fazit

Die in der Hausarztpraxis häufig anzutreffenden Erkrankungen der Achillessehne sowie der Plantar­aponeurose sind in der Regel gut zu diagnostizierende Leiden. Bezüglich der oft langwierigen konservativen Therapie ist die Information und Instruktion des Pa­tienten und vor allem auch die Motivation zum Durchhalten im Hinblick auf einen Behandlungserfolg ­immens wichtig. Bei fehlendem Ansprechen auf die konservativen Massnahmen bestehen jedoch auch gute operative Behandlungsmöglich­keiten, so dass, wenn nötig, auf einen «Plan B» zurückgegriffen werden kann.
Dr. med. Petra Heil
Leitende Ärztin
Fachärztin FMH für Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparates Sprunggelenk- und Fusschirurgie / Traumatologie
Spitäler fmi AG
Weissenaustrasse 27
CH-3800 Unterseen
petra.heil[at]spitalfmi.ch