Ein «Zwick», der einen in die Irre führen könnte

Ein «Zwick», der einen in die Irre führen könnte

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Ausgabe
2018/09
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.01632
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2018;18(09):159

Publiziert am 09.05.2018

Ein beeindruckender Fallbeschrieb

Ein «Zwick», der einen in die Irre führen könnte

Eine 64-jährige Patientin meldet sich telefonisch im Notfalldienst. Ihre Frage ist, ob sie wegen eines Hexenschusses («Es tat einen Zwick beim Bohnenlesen im Garten») ein Schmerzmittel haben dürfe. Sie ist, subjektiv ansonsten aus völliger Gesundheit heraus, seit Kurzem wegen einer malignen Hypertonie behandelt. Diese wurde fünf Tage zuvor vom Augenarzt als Ursache einer Visusminderung bei Fundus hypertonicus überhaupt erst festgestellt. Die initialen Blutdruckwerte von 250 mm Hg systolisch sind mittlerweile bei ca. 150 mm Hg eingestellt.
Während der – nur durch Zufall – per sofort möglichen Notfallkonsultation («muss das denn sein», sagte sie noch) wies sie keinerlei Zeichen für orthopädisch verursachte Rückenschmerzen auf. Sie schildert die typischen Beschwerden einer Lumbago, erst bei nochmaliger Nachfrage zwicke es auch beim Atmen.
Auskultatorisch fiel ein fehlendes Atemgeräusch links basal auf, kein Strömungsgeräusch oder ähnliches. Im Röntgenthorax zeigte sich eine basale Pleuraverschattung links bei deutlicher Mediastinalverbreiterung mit Mittellinienverlagerung nach rechts (Abb. 1). Die Patientin war mittlerweile ohne jede Massnahme beschwerdefrei, im Verlauf wurde sie dann allerdings kaltschweissig und kurzatmig.
Sie verstirbt trotz sofortiger Einweisung per Rettung mit Voraborganisation des Prozederes wenige Stunden später im hämorrhagischen Schock bei offen perforierter Dissektion eines thorakalen Aortenaneurysmas.
Dieser Fall hat mich, trotz korrekten und schnellen Handelns und bei uns in der Praxis häufiger vitaler Notfälle, tief beeindruckt hinterlassen, da ich der Patientin (ich bin nicht der Hausarzt gewesen) ohne die Konsultation mit Untersuchung aufgrund der hochsuggestiven Anamnese (zum Beispiel in der Nacht am Telefon) ohne Weiteres zur Einnahme eines Schmerzmittels hätte ­raten können.Niccolo Schuback, Klosters
Abbildung 1: Röntgenthorax mit basaler Pleuraverschattung links bei deutlicher Mediastinalverbreiterung mit Mittellinienverlagerung nach rechts.