Ein strategischer Schritt in einem langen, gemeinschaftlichen Lernprozess
Interprofessionalität

Ein strategischer Schritt in einem langen, gemeinschaftlichen Lernprozess

Offizielle Mitteilungen
Ausgabe
2018/02
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.01704
Prim Hosp Care (de). 2018;18(02):26-27

Affiliations
Vorstandsmitglied mfe

Publiziert am 24.01.2018

Seit 2013 setzen sich mfe und der Vorstand der Plattform Interprofessionalität für die Förderung ­eines Versorgungsmodells ein, bei dem die Patienteninteressen das zentrale Anliegen eines interprofessionellen Teams sind.
Das kanadische Modell, mit dem sich zwei Vorstandsmitglieder in Toronto vertraut machten, hat uns nachhaltig beeindruckt. Gestärkt durch diese Erfahrung nahmen wir uns in der Schweiz dieser Aufgabe an. Zuerst mussten in den eigenen Reihen die Kolleginnen und Kollegen überzeugt werden. Diese befürchteten anfänglich einen Verlust an Befugnissen oder Tätigkeitsfeldern. Anschliessend galt es, diejenigen Partner zu überzeugen, mit denen wir ein berufliches Bündnis entwickeln wollten. Ungeachtet des etwas harzigen Starts und der anfänglichen Diskussionen mit den Kolleginnen und Kollegen, denen das Konzept der gemeinsamen Patientenbetreuung fremd war, erwies sich der bisher eingeschlagene Weg als vielversprechend! Im Hintergrund konnten wir dabei stets auf die um­fassende Sichtweise und das Wohlwollen unserer «Schirmherrin» Catherine Gasser zählen, die uns mit ihrer praktischen Erfahrung umfangreich unterstützte.

Von Beginn an gemeinsam aufbauen – ein wesentliches Kriterium!

Zuerst wurde 2013 die «Plattform Interprofessionalität in der primären Grundversorgung» als ein Forum für den Austausch von Gedanken und Informationen gegründet. Zwar war das Verhältnis anfänglich von einem gewissen Misstrauen geprägt, gleichwohl ent­wickelte sich nach und nach eine freundschaftliche Zusammenarbeit. An der Plattform beteiligten sich die wichtigsten Partner der ambulanten Grundversorgung und Akteure aus der Praxis: Besonderes Augenmerk lag darauf, dass nicht Theoretiker in der Plattform vertreten sind, sondern Fachleute, die mit der praktischen Pa­tientenarbeit vertraut sind. Wir wollten keine politische Struktur zur Ausübung von Einfluss und Macht aufbauen, vielmehr war das Ziel, Gesundheitsfachleuten mit gemeinsamen Werten eine erweiterte Perspektive zu ermöglichen. So konnten wir die Fähigkeiten der einzelnen Partner kennenlernen und besser verstehen. Wir haben die Stereotype abgebaut, die den Austausch zwischen den Berufsgruppen überschatteten und zu Spannungen führten. Nach und nach entwickelten sich eine respektvolle Beziehung und ein gleichberechtigter Austausch zwischen den Mitgliedern. Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Pflegefachfrauen und -fachmänner, Ernährungs­beraterinnen und -berater, Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker, medizinische Praxis­assistentinnen und -assistenten und Spitex-Vertreter arbeiteten zusammen, um Analysekriterien zur Bewertung interprofessioneller Projekte zu entwickeln. Sie bestimmen den Prozess der Ausarbeitung eines Projekts, das tatsächlich inter­professionell ist und nicht nur von mehreren Berufsgruppen auf Anweisung einer leitenden Person ausgeführt wird. Von Beginn an gemeinsam aufzubauen, ist ein wesentliches Kriterium! Diese Parameter wurden auf verschiedene Projekte angewandt, darunter auf «Prism», ein Projekt aus Genf, das sich mit der Versorgung komplexer Patienten beschäftigt und das Punktemaximum erreichte. Diese Analysekriterien sollen die vielfältigen Aspekte, die für Interprofessionalität unabdingbar sind, vollständig erfassen. Trotz der zeitweiligen Kritik an den hohen Ansprüchen lässt sich heute sagen, dass die Kriterien ein nützliches und praktisch umsetzbares Instrument sind. Künftig können sie auch als Leitfaden bei der Ausarbeitung interprofessioneller Projekte dienen. Die Kriterien sind auf unserer Website www.interprofessionalitaet.ch abrufbar.

Gründung eines neuen Vereins

Nachdem wir im Verlauf von drei Jahren unsere Beziehungen optimiert haben, gewannen wir die Überzeugung, dass wir uns nicht die zur Förderung grösserer Projekte nötigen Mittel beschaffen können, solange wir nur lose vernetzt strukturiert sind. Folglich zogen wir in Betracht, einen eigenen Verein zu gründen. Dies war keine einfache Aufgabe! Erneut tauchten überwunden geglaubte Widerstände auf, welche die Umsetzung des Vorhabens verzögerten. Um die ge­eignete Struktur festzulegen, mussten die höchsten ­Ebenen der Projektpartner gemeinsam beraten: Sie schufen eine Struktur und Statuten, die von allen ‑Partnern akzeptiert wurden. Wir, die Beteiligten der ersten Stunde, fürchteten, dass dieser authentische Austausch zwischen Fachleuten aus der Praxis, dieser ­gegenseitige Respekt und diese gleichberechtige Sicht verloren gehen könnten. Doch wir sehen mit Zu­versicht nach vorne und freuen uns darauf, dass diese Grundsätze auch die neue Struktur kennzeichnen. Die Partner der ersten Stunden zogen es vor, in die zweite Reihe zu treten: Für die neue Struktur wollten wir ­frische Kräfte! So wird am 22. Januar 2018 mit der ­Gründung des Vereins ein neues Kapitel aufgeschlagen.

Stabile und zuverlässige Partner

In der Zwischenzeit ist das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit dem Ansinnen an uns herangetreten, eine Zusammenarbeit aufzubauen. Der neue Verein verfügt nunmehr über stabile und zuverlässige Partner, die ihn unterstützen werden. Darüber hinaus plant der neue Verein bereits, diesen Herbst mit dem BAG und der Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) einen Kongress zu veranstalten und dadurch die Zusammenarbeit zur Förderung der Interprofessionalität in der Schweiz zu stärken. Ein weiterer Schritt zu einer abgestimmten und praxis­orientierten Interprofessionalität!
Sandra Hügli-Jost
Kommunikations­beauftragte mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz, Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.huegli[at]hausaerzteschweiz.ch