Teil 1: Menopause
Die Vorteile und Nebenwirkungen einer Hormonersatztherapie

Teil 1: Menopause

Lernen
Ausgabe
2018/09
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.01736
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2018;18(09):160-163

Affiliations
Klinik für Innere Medizin, Spital Zollikerberg, Zollikerberg

Publiziert am 09.05.2018

Die Menopause betrifft jede Frau und markiert das Ende ihrer reproduktiven Lebensphase. Die Mehrheit der Frauen erlebt menopausale Symptome, die in der Regel etwa vier Jahre anhalten. Aufgrund der 2002 veröffentlichten Resultate der Women’s Health Initiative, die über ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, tiefe Venenthrombose und Lungenembolie unter einer postmenopausalen Hormontherapie (HRT) berichtete, geriet diese in Verruf. Im November 2015 erschienen die über­arbeiteten Richtlinien des National Institute for Health and Care Excellence und der ­Endocrine Society, welche die HRT als effektivste Therapie vasomotorischer Symptome bestätigten. Dabei überwiegt der Gewinn an Lebensqualität das Risiko einer HRT, sofern die Behandlung im Alter unter 60 Jahren beziehungsweise innerhalb der ersten zehn Jahre nach Beginn der Menopause begonnen wird. Teil 2 wird den Hypogonadismus behandeln.

Definition

Der Beginn der Menopause ist definiert als der Zeitpunkt zwölf Monate nach der letzten Menstruation, die Perimenopause beginnt etwa vier Jahre zuvor. Im Durchschnitt beginnt die Menopause um das 50. Lebensjahr. Eine vorzeitige Menopause ist der Funktionsverlust der Ovarien vor dem 40. Lebensjahr. Menopausale Beschwerden betreffen die Mehrheit aller Frauen und halten etwa vier Jahre lang an, bei einem Zehntel der Frauen bis zu zwölf Jahren.

Symptome

Der Abfall der Sexualhormone kann das körperliche und seelische Wohlbefinden beeinflussen. Typische Beschwerden der Peri- und Menopause sind vaso­motorische Symptome wie Hitzewallungen oder Nachtschweiss, Schlafstörungen, Müdigkeit, Haarausfall, Gelenkschmerzen, Gewichts- und Stimmungsschwankungen (Irritabilität bis zur depressiven Verstimmung), verminderte Libido und trockene Schleimhäute sowie rezidivierende Harnwegsinfekte. Langfristige Veränderungen durch den Östrogenmangel betreffen die Knochen (Osteopenie und -porose).

Diagnose

Die Diagnose wird durch das Auftreten vasomotorischer Symptome und dem Ausbleiben der Menstruation gestellt, nicht durch Blutanalysen. Die Messung des FSH (follikelstimulierendes Hormon) wird (ausser bei Frauen unter 45 Jahren) nicht empfohlen, da das FSH ein pulsatiles Hormon ist und beträchtliche ­Spiegelschwankungen bei Östrogen und Progesteron auftreten, so dass die Messwerte keine zuverlässige Aussage erlauben.

Geschichte der Hormonersatztherapie

Die amerikanische Women’s Health Initiative (www.whi.org) hatte zum Ziel, in verschiedenen Studien die Auswirkungen einer postmenopausalen Hormonersatztherapie (hormone replacement therapy, HRT), ­Kalzium- und Vitamin D-Supplementation sowie Ernährungsumstellung auf koronare Herzerkrankung, Frakturen, Brust- und Kolonkarzinome zu untersuchen. Es wurden über 161 000 postmenopausale Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren während über 15 Jahren beobachtet. Die ersten Resultate wurden 2002 im Rahmen einer Interimsanalyse publiziert. ­Dabei wurde ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, tiefe Venenthrombose und Lungenembolie nachgewiesen, worauf die Verschreibungen von HRT drastisch abnahmen.
Allerdings wurden die Resultate in den darauffolgenden Jahren reanalysiert. In der ursprünglichen Interimsanalyse war das Durchschnittsalter der Frauen 63 Jahre, nur 3,5% waren 50–54 Jahre alt. Wurden die Ergebnisse nach Alter und Zeit seit Beginn der Menopause aufgeschlüsselt, zeigte sich ein anderes Bild. Wird die HRT im Alter unter 60 Jahren oder innerhalb der ersten zehn Jahre nach Beginn der Menopause (günstiges Fenster) begonnen, überwiegen die positiven Effekte auf die vasomotorischen Symptome und damit die Lebensqualität, die Risiken sind gering.

Aktueller Stand: Vorteile und ­Nebenwirkungen einer HRT

Der aktuelle Stand der Vorteile und Risiken einer HRT bei Frauen <60 Jahren bzw. <10 Jahre Menopause wird im folgenden Abschnitt und in Abbildung 1 zusammengefasst.
Abbildung 1: Vorteile und Risiken einer Hormonersatztherapie HRT. Abkürzungen: BMI = Body Mass Index; E = Östrogen; E + P = Östrogen + Progesteron; KHK = koronare Herzkrankheit. Quelle: Stuenkel CA, et al. Treatment of Symptoms of the Menopause: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab. 2015 Nov;100(11):3975–4011, by permission of ­Oxford University Press.

Vasomotorische und urogenitale Symptome

Die HRT ist bei weitem die wirksamste Therapie. Bei symptomatischer vaginaler Atrophie (Trockenheit, Juckreiz, Fluor, Dyspareunie, vaginale Infektionen) genügt oft eine lokale niedrig dosierte Östrogentherapie, bei ungenügender Wirkung kann sie mit einer systemischen HRT kombiniert werden.

Koronare Herzkrankheit

Eine kombinierte Östrogen-Gestagen-Gabe mit Beginn innerhalb des günstigen Fensters erhöht das kardiovaskuläre Risiko nicht oder nur minimal, eine Östrogenmonotherapie reduziert das Risiko für eine koronare Herzkrankheit (KHK) sogar. Die Primärprävention einer koronaren Herzkrankheit ist aber keine Indikation für eine HRT.

Mammakarzinom

Das Risiko für Brustkrebs ist von Frau zu Frau unterschiedlich. Eine kombinierte Östrogen-Gestagen-Gabe kann das Brustkrebsrisiko erhöhen, dabei steigt das ­Risiko, je länger die HRT eingenommen wird. Gemäss den NICE(National Institute for Health and Care Excellence)-Guidelines (UK) nimmt die Brustkrebsinzidenz pro 1000 menopausalen Frauen während 7,5 Jahren kombinierter HRT-Einnahme um 5 (in randomisierten Studien) bis 17 Fälle (in Beobachtungsstudien) zu. Eine Östrogenmonotherapie erhöht das Risiko nicht. Die Daten zur Sicherheit einer HRT bei Brustkrebs-Überlebenden sind widersprüchlich, eine HRT wird deshalb nicht empfohlen. Sie kann aber bei inakzeptabel schlechter Lebensqualität und bei Versagen nichthormonaler Alternativen nach Rücksprache mit dem behandelnden Onkologen erwogen werden.

Zerebrovaskuläre Erkrankungen (Hirnschlag)

Das Risiko für einen Schlaganfall steigt unter kombinierter oraler HRT an, gemäss der NICE-Guidelines ist die Inzidenz pro 1000 menopausalen Frauen während 7,5 Jahren kombinierter HRT-Einnahme um 6 (in randomisierten Studien) bis 4 Fälle (in Beobachtungsstudien) erhöht. Bei transdermaler HRT steigt das Risiko für einen Hirnschlag nicht, so dass bei Frauen mit höherem Grund­risiko eine transdermale HRT bevorzugt werden sollte.

Tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien

Das Risiko ist für beide Erkrankungen erhöht. Auch hier ist das Risiko mit einer transdermalen HRT geringer als mit einer oralen HRT, so dass die transdermale HRT bevorzugt werden sollte (insbesondere bei Frauen mit einem BMI >30 kg/m2).

Krebserkrankungen

Kolonkarzinom: Es findet sich eine Reduktion unter HRT.
Lungenkarzinom: Es zeigt sich eine Abnahme unter kombinierter HRT.
Endometriumkarzinom: Jede Östrogentherapie induziert eine dosisabhängige Stimulation des Endometriums, womit das Risiko eines Endometriumkarzinoms ansteigt. Dieser Anstieg wird durch eine ausreichende Gestagenbeigabe verhindert, weshalb Frauen mit einem Uterus ein systemisches Gestagen oder eine intrauterine Gestagenspirale benötigen.
Ovarialkarzinom: Das Risiko ist unter kombinierter HRT leicht erhöht. In der Collaborative Group on Epidemiological Studies of Ovarian Cancer ist das absolute Zusatzrisiko für Frauen zwischen 50–54 Jahren 0,55 Fälle pro 1000 Frauen pro 5 Jahre.

Frakturen

Frauen mit HRT haben unter der Anwendung weniger Frakturen (16 bis 23 Frakturen weniger pro 1000 menopausale Frauen).

Diabetes Typ 2

Eine HRT ist nicht mit einem erhöhten Risiko für einen Diabetes Typ 2 assoziiert, sondern ist im Gegenteil protektiv.

Vorsichtsmassnahmen/­Kontraindikationen

Gut besprochen, mit der Patientin abgewogen und ­zuerst abgeklärt werden muss eine HRT bei unklaren vaginalen Blutungen, Zustand nach tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie, Mamma- oder Endometriumkarzinom, Angina pectoris oder Status nach Herzinfarkt, unkontrollierter Hypertonie und Leber­erkrankungen. Oft wird vor Beginn einer HRT eine Mammographie und gegebenenfalls ein vaginaler Ultraschall durchgeführt. Bei sehr hohem Leidensdruck aufgrund vasomotorischer Symptome und bei Ver­sagen nicht-hormoneller Therapien kann eine HRT in gewissen Fällen trotz vorhandenen Risikofaktoren erwogen werden.

HRT bei vorzeitiger Menopause oder prämaturer Ovarialinsuffizienz

Bei vorzeitiger Menopause (Menopause vor dem 40. Lebensjahr) oder prämaturer Ovarialinsuffizienz sollte eine HRT zur Osteoporoseprophylaxe bis zum Erreichen des durchschnittlichen Menopausealters (in der Schweiz ± 50. Lebensjahr) immer gegeben werden.

Präparatwahl

Hat man sich zu einer HRT entschieden, müssen die beiden Fragen, ob die Patientin ihren Uterus noch hat (Hysterektomie ja/nein) und vor wie vielen Jahren die Menopause begonnen hat, beantwortet werden.
Wichtig ist, dass bei vorhandenem Uterus immer eine Kombinationstherapie (Östrogen + Progesteron) verordnet wird. Bei hysterektomierten Frauen genügt eine Östrogen-Monotherapie.
Hat die Menopause vor weniger als drei Jahren be­gonnen, wird eine sequentielle HRT empfohlen, weil ansonsten vermehrt Zwischenblutungen auftreten, da die Ovarfunktion noch nicht ganz erloschen ist. Sofern die Menopause länger als drei Jahre zurückliegt, kann eine kontinuierliche HRT verschrieben werden.
Beispiele für Präparate sind in Tabelle 1 aufgelistet. Generell wird mit einer tiefen Dosis begonnen. Bei einem erhöhten Risiko für tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, Hirnschlag oder Übergewicht/Adipositas wird eher eine transdermale als eine orale HRT empfohlen.
Ist die Patientin vor allem durch die genitale Atrophie mit trockenen Schleimhäuten und rezidivierenden Harnwegsinfekten gestört, wird primär mit lokalen Präparaten ein Therapieversuch unternommen, bevor eine systemische HRT zum Einsatz kommt.
Tabelle 1: Beispiele für HRT-Präparate auf dem Schweizer Markt.
HRT Name
Östrogen + 
Progesteron 
sequentielloralClimen®, Cyclacur®,
Femoston®, Novofem®, Trisequens®
transdermalEstracomb TTS®, 
Sequidot®, Systen® Sequi
Östrogen + 
Progesteron 
kontinuierlichoralActivelle®, Angeliq®, 
Femoston® conti, Indivina®, Kliogest®
transdermalEstalis® TTS, ­Systen® Conti
Östrogen oralEstrofem®, Femoston® mono, Ovestin®, 
Progynova®
transdermalClimara®, Divigel®, 
Estradot® , Oestrogel®, 
Sandrena®
Genitale Atrophie Blissel®, Estring®, 
Oestrogynaedron®, 
Ovestin®, Vagifem®
Libidoverlust Livial® (Tibolon)
Ist das Risiko sehr hoch, bestehen Kontraindikationen für eine HRT oder die Patientin möchte keine Hormone nehmen, können Phytoöstrogene oder andere nicht-hormonelle Therapien versucht werden. Beispiele sind in Tabelle 2 aufgelistet.
Tabelle 2: Beispiele für nicht-hormonelle Pharmakotherapie bei menopausalen Symptomen.
ProduktName
PhytoöstrogeneCimicifuga racemosa 
(Traubensilberkerze)
Soja
Rotklee
Hopfen
Salbei
AntidepressivaSSRI: Paroxetin, Fluoxetin, Citalopram
SNRI: Venlafaxin
NeurotransmitterGabapentin, Pregabalin

Kontrollen

Empfohlen wird eine erste Kontrolle der Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Therapie nach drei Monaten. Blutungsunregelmässigkeiten sind in den ersten drei Monaten der Therapie häufig, persistieren sie anschliessend, sollten eine Endometriumhyperplasie oder ein Endometriumkarzinom ausgeschlossen werden.
Berichtet die Patientin über ein gutes Ansprechen und wenige Nebenwirkungen genügen Kontrollen anschliessend einmal jährlich. Die Indikation für die HRT sollte jährlich diskutiert werden, insbesondere nach fünfjähriger Einnahme. Generell ist es nicht notwendig oder sinnvoll, die Anwendungsdauer der HRT bei guter Wirksamkeit zu beschränken, sofern die Patientin über die möglichen Langzeitfolgen der Einnahme (z.B. ansteigendes Brustkrebs­risiko) informiert ist.

Fazit für die Praxis

• Leidet eine menopausale Frau an vasomotorischen und anderen Symptomen, die ihre Lebensqualität einschränken, darf eine HRT verschrieben werden, sofern die Patientin <60 Jahre alt oder <10 Jahre menopausal ist. In diesem günstigen Fenster überwiegen die Vorteile einer HRT gegenüber den Risiken.
• Die Indikation der HRT sollte jährlich überprüft und eine erneute Nutzen-/Risikoabwägung durchgeführt werden.
• Die Diagnose der Menopause ist eine klinische, Messungen des FSH sind nicht notwendig.
Dr. med. Sibylle Kohler
Spital Zollikerberg, ­Trichtenhauserstrasse 20
CH-8125 Zollikerberg
sibskohler[at]gmx.ch
– Menopause: diagnosis and management. NICE Guideline (NG 23), November 2015.
– Stuenkel, et al. Treatment of symptoms of the menopause: an Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab. 2015;100(11):3975–4011.