Alzheimer – die Epidemie des 21. Jahrhunderts
Die Herausforderung der Prävention im Kanton Waadt

Alzheimer – die Epidemie des 21. Jahrhunderts

Lehren und Forschen
Ausgabe
2018/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.01739
Prim Hosp Care (de). 2018;18(10):171-172

Affiliations
Studenten im dritten Jahr, Bachelor, an der Fakultät für Biologie und Medizin der Universität Lausanne

Publiziert am 30.05.2018

Studierende des dritten Studienjahres Medizin der UNIL forschten während vier Wochen an einem Community-Thema ihrer Wahl. Zweck dieses Moduls ist, den zukünftigen Ärzten und Ärztinnen die nicht-biomedizinischen Aspekte von Gesundheit, Krankheit und der medizinischen Tätigkeit aufzuzeigen.

Einführung

Gemäss einem von der Schweizerischen Alzheimervereinigung und dem Bundesamt für Statistik [1, 2] ausgearbeiteten Szenario könnten bis 2050 zwischen 200 00 und 310 000 Menschen in der Schweiz von Morbus Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen betroffen sein. Im schlimmsten Fall würde dies die Anzahl der derzeitig betroffenen Patienten verdreifachen. Seit 2010 hat der Kanton Waadt von politischer Seite aus ein Programm initiiert, um die Behandlung von Menschen mit Alzheimer zu verbessern [3].
Ziel dieser Untersuchung ist, die vom Kanton Waadt aktuell durchgeführten Massnahmen zur Lösung dieser Problematik sowie die anvisierten Verbesserungen, um dem Anstieg der Patientenzahlen gerecht zu werden, zu analysieren.

Methode

Um die Prävention von Alzheimer im Kanton Waadt aus verschiedenen Blickwinkeln zu erörtern, haben wir Einzelinterviews mit neun Experten verschiedener Ebenen des Gesundheitswesens durchgeführt. Wir sprachen mit einen Allgemeinmediziner, einem ­Forscher der Abteilung Physiologie der Universität Lausanne, einem Soziologen, der Direktorin für die Entwicklung von Berufspraktiken des Centre Médico-Social, der Vorsteherin des öffentlichen Gesundheitswesen, der Direktorin der Schweizerischen Alzheimervereinigung Waadt, einem Neurologen und Direktor des Centre Leenaards de la Mémoire des CHUV, dem ­Direktor des Gesundheitsnetzwerkes Lausanne sowie mit dem Direktor einer sozialmedizinischen Einrichtung in Prilly, die Fondation la Primeroche.
Wir nahmen auch an der Konferenz «Morbus Alzheimer: Früherkennung und Aussicht auf Impfung» teil, führten eine Literaturrecherche durch und konsultierten die Broschüren der Schweizerischen Alzheimer­vereinigung Waadt.

Ergebnisse

Unsere Erhebung erlaubte uns aufzuzeigen, dass der Kanton Waadt für die Schweiz Pionierarbeit auf dem Gebiet der Alzheimer-Prävention leistet. Seine Politik verfolgt das Ziel, betroffenen Personen die Möglichkeit zu geben, so lange wie möglich zu Hause bleiben zu können sowie die Betreuung durch das nahe Umfeld zu unterstützen, beispielsweise durch die Schaffung von Aufnahmezentren, welche die Patienten für eine befristete Zeit aufnehmen können (nicht mehr als ein Monat). «Solidarische Quartiere» sind in Entwicklung, um ältere Menschen stärker in ihr soziales Umfeld zu integrieren, um Isolation und die mit ihr einhergehende Verschlechterung des Zustands der Patienten zu vermeiden. Zurzeit handelt es sich bei den betreuenden Personen meist um Familienmitglieder, was die Betreuung zu Hause für Patienten ohne familiäres Umfeld stark erschwert.
Ein Problem, das unsere Arbeit aufwirft, ist die Frage nach der Nützlichkeit der Diagnose. In diesem Punkt bestehen Divergenzen: Viele Fachleute sehen keinen Nutzen für die Diagnose dieser Krankheit, weil es keine Behandlung dafür gibt. Andere glauben, dass eine ­Diagnose die Qualität der Pflege verbessere und eine bessere Unterstützung der betreuuenden Personen ermögliche. Tatsächlich investieren die Betreuenden viel Zeit, um dem Kranken zu helfen, manchmal auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit.
Schliesslich bleibt die finanzielle Belastung, die diese Präventivmassnahmen verursachen, ein Problem. Um die Sicherheit der Person zu Hause zu gewährleisten, sind manchmal Anpassungen – beispielsweise ergonomische – notwendig. Die Grundversicherung kommt jedoch für diese Vorsorgemassnahmen nicht auf. Gleiches gilt für die meisten Dienstleistungen der Schweizerischen Alzheimervereinigung Waadt.

Diskussion

Unsere Arbeit zeigt auf, dass das aktuelle System hauptsächlich auf der Betreuung zu Hause basiert, die nur dank der beträchtlichen Initiative der betreuenden Personen aus dem nahen Umfeld möglich ist. Bei Patientinnen und Patienten ohne familiäres Umfeld ist ein Krankenhausaufenthalt oder eine Unterbringung in einem Heim fast unvermeidlich, da die Kosten für eine 24-Stunden-Pflege zu Hause zu hoch wären.
Eine Anpassung des Versicherungswesens wäre daher notwendig, um die finanzielle Belastung des Systems zu verringern. «Solidarische Quartiere» sind ein Beispiel für Massnahmen, die dazu beitragen könnten, das Fehlen eines familiären Umfelds aufzufangen.
Diese Arbeit untersucht den Aspekt präventiver Massnahmen, aber das Ideal wäre langfristig, Alzheimer heilen zu können. Es wäre daher notwendig, auch die Erkenntnisse und Fortschritte, welche die Forschung bietet, weiter zu verfolgen.
Dr. phil. Jacques Gaume
Responsable de recherche
Coordinateur du module
B3.6 – Immersion
communautaire
Département universitaire
de médecine et santé communautaires
CHUV
Avenue de Beaumont 21 bis
Bâtiment P2
CH-1011 Lausanne
Jacques.Gaume[at]chuv.ch
1 Office Fédéral de la Statistique (2006), Scenarios de l’évolution de la population 2005–2008. OBSAN (2007), Maladies chroniques et dépendance fonctionnelle des personnes âgées. Association Alzheimer Suisse (2004.)
2 Les données et les chiffres, Association Alzheimer Suisse, 2017, http://www.alz.ch/index.php/les-donn%C3%A9es-et-les-chiffres.html.