ehealth Teil 1: Die Konturen werden klarer
ehealth – die «letzte Meile» wird entscheidend sein

ehealth Teil 1: Die Konturen werden klarer

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Ausgabe
2018/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.01760
Prim Hosp Care (de). 2018;18(10):183-184

Affiliations
a Hausarzt und Mitglied im Entwicklerteam von Elexis, Medizinisches Zentrum gleis d, Chur; b Software-Entwickler, medevit, Götzis, Voralberg, Österreich

Publiziert am 30.05.2018

Die vierteilige Artikelserie wendet sich an den zukünftigen Anwender. Einleitend werden einige grundlegende ehealth-Aspekte besprochen und anschliessend das Potenzial von ehealth für die Anwender an den Beispielen «eImpfdossier», «eMedikationdossier/eMediplan» und «EPD»-Dokumentzugang aufgezeigt.

Einleitung

Das Hauptziel vom elektronischen Patientendossier (EPD) ist, gesundheitsrelevante Patienten-Daten jederzeit und unabhängig vom Ort der Akteure austauschen und einsehen zu können [2]. Eine Voraussetzung zur Erreichung dieses Ziels sind national gültige Standards für den Datenaustausch im Gesundheitswesen. Diese ermöglichen neben der Nutzung des EPD auch den ­bidirektionalen elektronischen Datenaustausch zwischen Gesundheitsfachleuten.
Die Standards liegen vor, die technische Infrastruktur ist im Aufbau (Stamm-Gemeinschaften [3]). Ein erster Test dieser Infrastruktur erfolgte im Herbst 2017 am EPD-Projectathon [4], ein weiterer Projectathon war im April 2018 in Den Hague und findet im Herbst 2018 ­wiederum in der Schweiz statt. Der Start des EPD im klinischen Alltag ist auf spätestens Frühling 2020 vorge­sehen.
Im ersten Teil skizzieren wir summarisch einige Grundlagen zu ehealth, die jeder Anwender kennen sollte.

Elektronische Kommunikation – ­einige grundlegende Aspekte

Elektronische Kommunikation zwischen heterogenen Systemen setzt Interoperabilität voraus. Eine solche erfordert national gültige Standards für die Übermittlung von Daten (Technik) als auch für die Bedeutung der übermittelten Daten (Semantik). Die Entwicklung ­eines solchen national akzeptierten Rahmenwerkes erforderte konzeptuell [5], technisch [6], rechtlich [7] und organisatorisch [8] ein jahrelange Aufbauarbeit.
«ehealthsuisse» stützt sich beim Datenaustausch auf die international anerkannten «Profile» von Integrating Healthcare Enterprise (IHE) [9, 10]. Mit diesen Profilen werden definierte medizinische Arbeitsprozesse wie zum Beispiel die Erstellung eines Medikationsplanes abgebildet. Die «Austauschformate» [11] setzen sich aus mehreren Profilen zusammen und erlauben einen Arbeitsablauf, wie beispielsweise «Impfen» oder «Rezepterstellung», abzubilden. Die «Metadaten» [12] der eDokumente geben Auskunft über die Art und Bedeutung der Dateninhalte, aber auch über Verfasser, ­Herkunft, Fachrichtung etc. der Daten. IT-Systeme, die ­solche Austauschformate herstellen und versenden ­sowie empfangen und verarbeiten können, sind interoperabel.
Die Erstellung von Austauschformaten (z.B. «eImpfdossier» [13]) bedingt eine enge Zusammenarbeit von Anwendern (z.B. «Interprofessionelle Arbeitsgruppe Elektronisches Patientendossier» IPAG [14]) und Software-Ingenieuren [15]. Aufgabe der Anwender ist, die Arbeitsprozesse und die dazugehörigen Dateninhaltezu definieren. Die Software-Ingenieure bündeln in der Folge das ganze zu einem «Austauschformat».

Anbindung der Primärsoftware an ehealth

Die Teilnahme an ehealth setzt eine Software voraus, die
a) Daten in Austauschformat-konforme Dateien exportieren und von diesen importieren sowie
b) diese standardkonform verschicken und empfangen kann.
Beide Bereiche setzen profunde Kenntnisse der IHE-­Architekturen mit ihren Integrations-Profilen voraus [16]. Mit dem ehealth Connector (eHC) [17] steht eine Softwarebibliothek kostenlos zu Verfügung, welche die Komplexität des Anschlusses bündelt und für den Primärsoftware-Anbieter den Anschluss an ehealth stark vereinfacht.
Der eHC wird voraussichtlich alle ehealthsuisse-Standards unterstützen. Primärsoftware, die über den eHC kommunizieren kann, soll «ehealth-ready» sein. Die Hersteller finden den aktuellen Stand der Entwicklung und den Code der Software des eHC auf der Ent­wicklungs-Platform [18], eine Umsetzungshilfe [19] beschreibt den technischen Kontext.
Das EPD unterstützt (leider) nur die bidirektionale ­point-to-patient-Kommunikation, die ehealth-Standards ­werden aber auch eine point-to-point, die gerichtete eKommunikation zwischen Gesundheistfachleuten, unterstützen (von «Spital zu Arzt» oder von «Arzt zu Arzt»). Letzteres ermöglicht den Gesundheitsfachleuten eine eKommunikation auch bei Patienten ohne EPD; auf absehbare Zeit sicher die überwiegende Mehrheit der Patienten. Bei diesem gerichteten Datenaustausch haben die Anwender allerdings selber für einen datenschutzkonformen Transport zu sorgen, z.B. mit einem Versand der Daten über eine sichere email-Verbindung wie HIN, via «Gemeinschaft» oder mit einer Übergabe der Daten an den Patienten auf ­einem USB-Stick.

Zu guter Letzt – die «letzte Meile»

Nicht alles was technisch machbar ist, setzt sich in der Praxis durch oder wird von den Anwendern auch akzeptiert. Die «letzte Meile» bleibt noch zu gehen [20].Komplexe Innovationen mit Involvierung verschiedenster Akteure und starken Eingriffen in verschiedene Bereiche (Arbeitsbereich, Datenschutz, Recht etc.) setzen eine Akzeptanz in all diesen Bereichen voraus –das heisst von der Politik, über die Technik und die ­Implementierung, bis zum Anwender im konkreten Arbeitsalltag (sogenannte «sozio-technische Akzeptanz» [21]). Die zentral gesteuerten eHealth-Grossprojekte im England der 00-er Jahre und in den USA unterschätzten diesen Faktor. Sie scheiterten weniger an technischen Schwierigkeiten als an der Umsetzung zentral geplanter Prozedere. ehealthsuisse wurde durch die föderale Struktur unseres Gesundheitswesens gezwungen, die Akteure schon früh und viel breiter in die Entwicklung und Planung von ehealth einzubeziehen, die Chancen eines Gelingens sind entsprechend höher.
Die «letzte Meile» wurde mit dem Startschuss zur Etablierung der Gemeinschaften in Angriff genommen. Aus Anwendersicht sind für eine Akzeptanz von ehealth die «Bedienungsfreundlichkeit» und ein «spürbarer Anwendernutzen» die beiden entscheidenden Kriterien. Denn «… a common theme in failed initiatives to introduce IT systems in healthcare is failure of designers to take account of how the technology was to be used in practice» [22].
Bedienungsfreundlichkeit ist mit einer schlanken und zielführenden Implementierung zu erreichen. Eine solche erfordert die Mitarbeit der Anwender und Anwenderinnen und kann unmöglich von den Software-Entwicklern alleine geleistet werden.
Wie die nachfolgenden Texte der Artikelserie aufzeigen, kann die Anbindung ans EPD für den Anwender von grossem Nutzen sein. Das EPD konnte den «Sparring-Partner» noch nicht spielen – dies ist für die nächsten Projectathons vorgesehen. Beim Beispiel der «eImpfung» spielte «meineimpfungen» die EPD-Rolle, beim Beispiel der «eMedikation» der eMediplan und zu guter Letzt wird ein Szenario auf den Zugriff auf ePD-Dokumente skizziert.
Dr. med. Franz Marty
Facharzt für Allgemein­medizin FMH
Erlenweg 8
CH-7000 Chur
mesmeta[at]bluewin.ch
 1 Der EPD-Aufbau läuft – im technischen Bereich sind Anpassungen notwendig.[Internet]: https://www.e-health-suisse.ch/gemeinschaften-umsetzung/umsetzung/roadmap-einfuehrung-epd.html
 2 Gesundheitsinfos – zur richtigen Zeit am richtigen Ort. ehealthsuisse [Internet]: https://www.e-health-suisse.ch/elektronisches-patientendossier/fuer-die-gesundheitsfachpersonen/was-ist-das-epd.html
 3 Gemeinschaften und Stammgemeinschaften. ehealthsuisse [Internet]: https://www.e-health-suisse.ch/de/politik-recht/strategische-grundlagen/strategie-ehealth-schweiz.html
 7 Rechtliche Grundlagen. Das Ausführungsrecht. ehealthsuisse [Internet]: https://www.e-health-suisse.ch/politik-recht/rechtliche-grundlagen/ausfuehrungsrecht.html
 8 ehealthsuisse [Internet]: https://www.e-health-suisse.ch/startseite.html
 9 Integrating Healthcare Enterprise [Internet]: https://www.ihe.net/10 IHE Suisse. [Internet]: https://www.ihe-suisse.ch/de/
11 Definition Austauschformat. ehealthsuisse [Internet]: https://www.e-health-suisse.ch/header/glossar.html#__532
12 Glossar Metadaten. ehealthsuisse [Internet]: https://www.e-health-suisse.ch/header/glossar.html#__728
14 Zum Beispiel «Interprofessionelle Arbeitsgruppe Elektronisches Patientendossier» (IPAG). Schweizerische Ärztezeitung, [Internet]: https://saez.ch/de/resource/jf/journal/file/view/article/saez/de/saez.2014.02915/SAEZ-02915.pdf/
15 IHE brings together users and developers of healthcare information technology. [Internet]: https://www.ihe.net/IHE_Process/
16 IHE Domains. [Internet]: https://www.ihe.net/IHE_Domains/
17 ehealth-Connector, eine frei erhältliche Open Source Bibliothek. ehealthsuisse [Internet]: https://www.e-health-suisse.ch/de/technik-semantik/technische-interoperabilitaet/ehealth-connector.html
21 Greenhalgh T,Stramer, K, Bratan, T, Byrne E, Mohammad Y, Russell J. Introduction of shared electronic records: multi-site case study using diffusion of innovation theory. BMJ, 2008, 337, a1786-a1786
22 Greenhalgh, T. Primary Health Care: Theory and Practice. Kapitel 10.3. «The electronic patient record: a roadmap for seamless care?». BMJ Books, 2007.