Das Berner Curriculum für Allgemeine Innere Medizin
Vollständige, strukturierte, bis zu fünfjährige Weiterbildung zur Fachärztin

Das Berner Curriculum für Allgemeine Innere Medizin

Lehren und Forschen
Ausgabe
2018/14
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.01774
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2018;18(14):245-247

Affiliations
a Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM), Universität Bern
b Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin (KAIM), Inselspital Bern

Publiziert am 24.07.2018

Dieser Artikel beschreibt den Aufbau eines neuartigen, koordinierten Weiterbildungscurriculums für AIM, das auf der Zusammenarbeit zwischen dem Universitätsspital und den Landspitälern der Insel Gruppe AG sowie dem Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) beruht.

Unser Gesundheitssystem braucht Fachärztinnen für Allgemeine Innere Medizin (AIM) als Garanten für eine qualitativ hochstehende Grundversorgung in Praxis und Spital. Eine patientenzentrierte Behandlung und Vermeidung von Über-, Unter- und Fehlversorgung ist dabei zentral [1]. Das Fachgebiet AIM ist auch bei den Weiterzubildenden beliebt und stellt mit 23% den am meisten gewählten Facharzttitel [2] dar.
Das Weiterbildungsprogramm AIM umfasst eine ­dreijährige Basisweiterbildung und eine zweijährige Aufbau­weiterbildung mit je einem Track zur Hausärztin oder Spitalinternistin [1]. Dank der Durchlässigkeit besteht eine grosse Flexibilität mit Wahlmöglichkeit zwischen 300 stationären Weiterbildungsstätten AIM und 1200 Praxisrotationen. In der Aufbauweiterbildung stehen 30 zusätzliche Fachgebiete zur Auswahl. Oft erfolgt die Weiterbildung aber unkoordiniert und fragmentiert. Deswegen ist ein konsequentes, longitudinales Mentoring mit Karriereberatung primordial, findet aber noch oft in ungenügendem Ausmass statt. Dies erklärt auch, weshalb es von Studium bis Facharzttitel AIM oft acht bis neun Jahre dauert [3].
Umfragen bestätigen, dass jungen Ärztinnen die longitudinale Begleitung mittels Mentoring wünschen [4–7]. Dadurch kann die spätere Berufstätigkeit effizient geplant und vermehrt auch auf persönliche Wünsche wie Teilzeitarbeit eingegangen werden [8]. Da sich das Berufsziel meist in der frühen Weiterbildungsphase festigt, ist ein gut strukturiertes, koordiniertes Curriculum mit aufeinander abgestuften Weiterbildungsschritten besonders wichtig [6]. Die Arbeitsgruppe Nachwuchs der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) empfiehlt denn auch den Aufbau von vernetzten Weiterbildungscurricula [9]. Solche Curricula sollen zudem von Beginn weg ein ­systematisches Mentoring und eine Karriereberatung beinhalten und spezifische Karrieretracks (Hausärztin, Spitalinternistin) anbieten.
In Bern entsteht jetzt in Kollaboration zwischen der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin und den Landspitälern der Insel Gruppe AG sowie dem ­Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) ein für alle Weiterbildungsstufen offenes, systematisches, koordiniertes Weiterbildungscurriculum für AIM. Das neue Berner Curriculum für Allgemeine Innere Medizin umfasst eine vollständige, strukturierte und dem jeweiligen Weiterbildungsstand angepasste bis zu fünfjährige Weiterbildung zur Fachärztin für AIM. Das zweistufige Curriculum ist dem persönlichen Weiterbildungsziel und -stand entsprechend flexibel modulierbar (Abb. 1).
Abbildung 1: Zweistufiger Aufbau des Berner Curriculums für AIM.
Die Weiterzubildenden beginnen eine dreijährige Basisweiterbildung, zum Beispiel in Landspitälern der ­Insel Gruppe (Aarberg, Münsingen, Riggisberg), wo sie sich internistisches Basiswissen aneignen und die Kleinchirurgie (z.B. Wundversorgung) erlernen können. Nach ca. einem Weiterbildungsjahr ist ein Wechsel an die Universitätsklinik und Poliklinik für Allgemeine Innere Medizin des Inselspitals möglich, wo die Abklärung und Behandlung von Patienten aus dem ganzen Spektrum der AIM im Zentrum stehen, inklusive hochkomplexer und seltener Fälle. Den Weiterzubildenden werden die Prinzipien der evidence-based medicine und smarter medicine direkt am Patientenbett und in Teaching Sessions vermittelt. Auch der Ultra­schall kann erlernt werden. Vervollständigt wird die Basisweiterbildung durch Einsätze am Universitären Notfallzentrum des Inselspitals bzw. an der Medizinischen Poliklinik oder in einer Praxisassistenz.
Die zweijährige Aufbauweiterbildung fokussiert auf die spätere Ausrichtung als Hausärztin, Spitalinternistin oder auf eine akademische Karriere. Insgesamt stehen 136 Rotationsplätze in 25 verschiedenen Fachgebieten zur Verfügung. Der Spitalinternisten-Track basiert vor allem auf spitalrelevanten Fächern wie Notfall- und Intensivmedizin und führt in der Regel zu einer Oberarzttätigkeit. Der Hausarztrack fokussiert auf ambulant wichtige Disziplinen wie Rheumatologie, Dermatologie, etc. Für angehende Hausärztinnen stellt die Praxisassistenz einen wichtigen Bestandteil dar, direkt Erfahrung in der ambulanten hausärztlichen Grundversorgung zu sammeln und Wissen wie auch Skills in der Praxis für die Praxis zu komplettieren. Die Praxis­assistenz erhöht auch die Chance, später tatsächlich als Hausärztin tätig zu sein [10]. Die beiden Tracks sind ­flexibel, modular und durchlässig gestaltet und ermöglichen eine weitestgehend individuell angepasste Weiterbildung.
Ob als Hausärztin oder als Spitalinternistin – entsprechend dem Karriereziel steht eine im Spital oder in der Hausarztpraxis tätige Mentorin zur langfristigen ­Karriereplanung zur Verfügung. Regelmässige Gespräche ermöglichen eine Standortbestimmung, und die weitere Rotationsplanung kann gemäss Wünschen und Möglichkeiten definiert werden. Ein besonderes Augen­merk gehört dabei auch der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Mentorinnen kennen die Bedingungen zum Erhalt des Facharzttitels AIM und ­bereiten die Assistenzärztinnen optimal darauf vor. Die Rotationsplanung wird durch ein ärztlich geführtes professionelles Team koordiniert.
Da wie in diversen anderen Fachgebieten auch in der AIM ein akademischer Nachwuchsmangel existiert, bietet das Berner Curriculum für AIM ein Maximum an Forschungsmöglichkeiten im Bereich der stationären und ambulanten AIM, wobei der Fokus klar auf der patientenzentrierten klinischen Forschung liegt. Die Forschungstätigkeit wird begleitet von einem akademischen Mentoring. Wir unterstützen Interessierte auch beim ­Planen eines Forschungsaufenthalts an einer nordamerikanischen Spitzenuniversität oder eines Masterprogramms in klinischer Forschung.
Das Berner Curriculum steht allen mit dem Weiter­bildungsziel AIM offen, unabhängig vom Weiterbildungsstand. Man kann also auch als Student direkt ab Staatsexamen oder nach bereits teilweise erfolgter Weiterbildung einsteigen. Die Flexibilität, das Mentoring und der prioritäre Zugang zu beliebten Rotationsstellen sind für Assistenzärztinnen die wichtigen Gründe, sich für eine Stelle im Berner Curriculum für AIM zu bewerben. Weitere Information stehen auf www.bernercurriculum-aim.ch zur Verfügung.
Welche Fächer bietet das Berner ­Curriculum AIM?
Allgemeine Innere Medizin (Poliklinik)
Allgemeine Innere Medizin (stationär)
Angiologie
Chirurgie
Dermatologie
Endokrinologie
Gastroenterologie/Hepatologie (stationär)
Hämatologie
Hepatologie (ambulant)
Herzgefässchirurgie
HNO
Infektiologie
Intensivmedizin
Kardiologie inkl. Rehabilitation
Klinische Forschung
Klinische Pharmakologie
Nephrologie (ambulant)
Nephrologie (stationär)
Neurologie inkl. Notfall
Notfallmedizin
Onkologie (ambulant)
Onkologie (stationär)
Orthopädie
Pädiatrie (Notfall)
Palliativmedizin
Pneumologie
Praxisassistenz
Psychiatrie
Radiologie (Ultraschall)
Rheumatologie (ambulant)
Rheumatologie (stationär)
Viszeralchirurgie
Dies ist eine gekürzte Fassung des in der SAEZ 21/2018 publizierten Original­artikels.
PD Dr. med. Sven Streit, MSc
Berner Institut für ­Hausarztmedizin (BIHAM)
Gesellschaftsstrasse 49
CH-3012 Bern
sven.streit[at]biham.unibe.ch
 2 Hofstettler S, Kraft E. FMH-Ärztestatistik 2017 – aktuelle Zahlen. Schweizerische Ärztezeitung. 2018;99(13-14):408–13.
 3 Angaben gemäss SWIF für die Jahre 2003–2014 unter Ausschluss von Ärztinnen mit ausländischem Arztdiplom und oder Weiterbildungszeit >15 Jahren.
 4 Lee J, et al. Preparing residents for family practice: the role of an integrated “Triple C” curriculum. Can Med Educ J. 2013;4(1).
 5 Lubitz R, et al. Residents’ perceptions of an integrated longitudinal curriculum: a qualitative study. Can Med Educ J. 2015;6(2).
 6 Tandjung R, et al. Career after successful medical board examination in general practice – a cross-sectional survey. Swiss Med Wkly. 2013;143:w13839.
 7 Flum E, et al. Training Standards Statements of Family Medicine Postgraduate Training – A Review of Existing Documents Worldwide. PLoS One. 2016. 11(7).
 8 Buddeberg-Fischer B, M. Stamm, and Schweiz Staatssekretariat für Bildung und Forschung, Mentoring in der Medizin: Formen, Konzepte und Erfahrungen: Bericht über Mentoring-Programme am Universitätsspital und an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich 2002–2011. Schriftenreihe SBF,. 2012, Bern: Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBF. 85, 248–257, 14 S.
 9 Gaspoz J-M, et al. Allgemeine Innere Medizin: Nachwuchs ins Zentrum gerückt. Schweizerische Ärztezeitung. 2018;99(10):300–2.
10 Studerus L, Ahrens R, Haeuptle C, Goeldlin A, Streit S. Optional part-time and longer GP training modules in GP practices associated with more trainees becoming GPs – a cohort study in Switzerland. BMC Fam Pract. (2018) 19:5 doi 10.1186/s12875-017-0706-1