med111: die Informationsblätter für Patientinnen und Patienten
Ein neues Angebot zur Verbesserung der Medikamentensicherheit

med111: die Informationsblätter für Patientinnen und Patienten

Reflektieren
Ausgabe
2018/15
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.01802
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2018;18(15):270-272

Affiliations
Projektleiter med111, Infomed-Verlag, Wil

Publiziert am 15.08.2018

Die Information über medikamentöse Therapie nimmt viel Zeit in Anspruch. Es ist oft schwierig, eine für Laien verständliche Sprache zu finden. Der Beipackzettel enthält zu viel Information und ist besonders für Fremdsprachige wenig geeignet. Die med111-Informationsblätter sollen Patientinnen und Patienten gut verständliches Wissen zu ihren Medikamenten unkompliziert vermitteln.

Die Idee hinter «med111»

«Patientengerecht informieren»: schnell gesagt, aber nicht einfach umzusetzen. Gute Kommunikation scheitert oft an eher banalen Gründen: Sprache und Zeit. Diese Erkenntnis, die auch auf jahrzehntelanger eigener Erfahrung als hausärztlich tätiger Internist beruht, hat die zündende Idee gebracht. Etzel Gysling, der neben seiner Arztpraxis seit 40 Jahren auch «Infomed» als medizinischen Non-Profit-Fachverlag führt, wollte eine Lösung entwickeln, um die Kommunikation mit den Patienten sowie die Sicherheit rund um Medikamente zu verbessern. Wie bei den an Fachleute gerichteten Infomed-Zeitschriften «pharma-kritik» und ­«infomed-screen» und dem Buch «100 wichtige Me­di­kamente» sollte das neue Produkt unabhängige, evidenzbasierte Information bieten. Es sollte aber auch sprachliche Hürden meistern. Eine einfache Sprache, möglichst ohne Fachausdrücke, war die erste Regel; sie muss zudem von den Patientinnen und Patienten beherrscht werden. Also mussten Übersetzungen in viele Sprachen vorgesehen werden. Die Informationsvermittlung sollte einfach, schnell und zuverlässig erfolgen können. Als Lösung dafür kam eigentlich nur eine Kombination von elektronischer Auswahl und der Abgabe als Ausdruck auf Papier in Frage (Abb. 1).
Abbildung 1: Die Startseite der kostenlosen Testversion: https://med111.com/de.
Das Grundkonzept für «med111» war relativ schnell gefunden. Es folgte eine gut zweijährige Projektzeit bis zur Lancierung. Neben den technischen und organisatorischen Aspekten, um einen elektronischen Katalog mit Informationsblättern in vielen verschiedenen Sprachen zu betreiben, sollte zunächst die Auswahl der Medikamente, dann aber die Redaktion der angebotenen Informationen den entscheidenden Mehrwert des Angebots ausmachen.

Die Informationsblätter

Für die erste Phase wurden 230 Wirkstoffe bestimmt, die in der Hausarztpraxis häufig verschrieben werden. Man beschränkte sich dabei bewusst auf orale Applikationsformen. Ein Raster zur strukturierten Darstellung der Informationen wurde erarbeitet. Dies würde nicht nur die technische Umsetzung vereinfachen, sondern den Leserinnen und Lesern auch helfen, sich rasch auf den Informationsblättern zurechtzufinden. Nun kam die eigentliche Redaktionsarbeit. Obwohl Etzel Gysling seit 40 Jahren handlungsorientierte Texte über Medikamente verfasst, war die Redaktion der Infoblätter eine Herausforderung. Die einfache Sprache, die fixe Struktur, der eingeschränkte Platz: Eine besondere Schwierigkeit war, trotz der Verdichtung präzis zu sein. Einmal mehr zeigte sich, dass Angaben zur Einnahme von Medikamenten sowohl bei den Herstellern als auch in der Literatur höchst unterschiedlich beschrieben und oft diffus formuliert sind.
Fundamental war die Entscheidung, Informationen zu möglichen Nebenwirkungen grundsätzlich nicht einzeln aufzuführen, sondern klare Handlungsanleitungen für die Patientinnen und Patienten zu formulieren für den Fall, dass sie unerwünschte Wirkungen bei sich vermuten. Dies auch im Hinblick darauf, dass Medikamente grundsätzlich nicht ohne Rücksprache mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt abgesetzt werden sollten.
Als die Informationen für die 230 Medikamente in weitere sieben Sprachen übersetzt waren, ging es darum, eine nutzerfreundliche Online-Anwendung zu erstellen. Schweizer Markennamen wurden zu den Wirkstoffen ergänzt, damit man nach allen gebräuchlichen ­Namen suchen kann. Im März 2018 war die Online-Anwendung soweit gediehen, dass man sie interessierten Nutzerinnen und Nutzern probehalber zur Verfügung stellen konnte. Die Testversion von «med111» können Sie unter https://med111.com/de jetzt kostenlos kennenlernen. Die Infoblätter sind auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Türkisch und Albanisch verfügbar (Abb. 2).
Abbildung 2: Ein Informationsblatt in Deutsch und Türkisch.
Ab Oktober 2018 wird die Nutzung kostenpflichtig sein. Die Preisgestaltung wurde noch nicht festgelegt, aber wie bei allen Infomed-Produkten soll ein verhältnismässig günstiges Abonnement auch eine sporadische Nutzung nicht überteuert erscheinen lassen. Sofern die Anwendung bei Fachleuten sowie Patientinnen und Patienten Anklang findet, wird ein Ausbau in ­Erwägung gezogen. Weitere Medikamente, andere Applikationsformen, Infoblätter in weiteren Sprachversionen, digitale Abgabe statt gedruckte Blätter usw. – solange die Forderung nach «patientengerechter Information» besteht, sind die Möglichkeiten, med111 zu verbessern und zu erweitern, schier endlos.

Ein Erfahrungsbericht

In der selbstdispensierenden Praxis von Peter Koller kümmert sich Noemi Bernhart, die medizinische Praxisassistentin, um die Abgabe der med111-Infoblätter. Peter Koller und Noemi Bernhart haben in den letzten Wochen bei über 50 Erstverschreibungen ein Infoblatt abgegeben. Die Online-Anwendung hat sich bewährt. Bernhart erklärt bei jeder Abgabe ganz kurz, worum es beim Infoblatt geht. Die Patientinnen und Patienten nehmen das Blatt bereitwillig mit. Gerade Menschen, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, reagieren oftmals erfreut. «Meist weiss ich, ob es sich um eine Erstverschreibung handelt oder nicht. Peter Koller braucht nichts zu sagen.» So beschreibt Noemi Bernhart den Ablauf rund um die med111-Infoblätter. Sie erkennt die Erstverschreibung meist daran, dass eine kleine Packung des Medikaments abgegeben wird. «Dann schaue ich rasch nach, ob es dazu ein Infoblatt gibt. Wenn ja, drucke ich es aus und übergebe es mit einer kurzen Erklärung der Patientin oder dem Patienten.» Wenn die Person das Medikament schon länger verschrieben erhalte, mache das Infoblatt eigentlich keinen Sinn.
Das Hilfsmittel med111 liess sich einfach in die Arbeitsumgebung der Praxis integrieren. «Ich wähle mich morgens in die Website ein, und wenn dann eine Patientin oder ein Patient vor mir steht, bei denen ein Infoblatt hilfreich wäre, habe ich in 30 Sekunden geklärt, ob’s eines gibt. Wenn ja, dauert der Ausdruck nochmals 10 Sekunden», so Bernhart. Was würde sie an med111 verbessern? «Noch mehr Medikamente aufnehmen, denn ab und zu finde ich kein entsprechendes Infoblatt, aber sonst läuft alles wie erwartet.»
Arbeiten Sie in einer Praxis? Könnte Ihre MPA die med111-Infoblätter abgeben? Versuchen Sie es doch mal einen Tag lang!

Ein Antidot gegen Informationsflut

Es gibt doch schon zu viel Geschriebenes! Beipackzettel sind ein schlechtes Beispiel für Patienteninformation, sie stiften Unsicherheit und Verwirrung und tragen oft dazu bei, dass die Compliance noch schlechter wird.
In unzähligen Gesprächen versuchen wir praktizierenden Ärztinnen und Ärzte, die Information auf das Wesentliche und Einfache «herunterzubrechen». Jede und jeder hat die Erfahrung gemacht, dass dies nicht immer gelingt und enorm viel Zeit beansprucht. Nun können die Infoblätter das Gespräch nicht ersetzen, aber sie sind eine grosse Hilfe für Patienten und Ärzte. Das Erstellen solcher Informationen verlangt ein enormes Know-how und nicht zuletzt einen souveränen Umgang mit der Sprache. Es ist ja so viel einfacher, Beipackzettel von der Grösse von Tischservietten mit Text zu füllen (nicht zuletzt haben die Juristen der Firmen einen grossen Einfluss auf die «Vollständigkeit» der Informationen).
Die neuen Informationsblätter basieren auf der reichen Erfahrung des Infomed-Teams, die einerseits aus dem Alltag der Sprechstunde schöpft, andererseits die Handschrift des klinischen Pharmakologen trägt. Unschwer erkennt man den legendären «Etzel-Gysling-Stil», der sich dadurch auszeichnet, scheinbar mühelos komplizierte Sachverhalte so darzustellen, dass sie gut verständlich werden. Eine grosse Herausforderung war demnach die sprachliche Umsetzung in einfache verständliche Sätze.
In Anlehnung an das Diktum, ein guter Chirurg wisse, wie man operiert, ein besserer, wann man operiert, und der beste, wann man nicht operiert, könnte man sagen: Der beste Arzt weiss, welche Informationen er lieber weglässt und welche minimale und doch unabdingbare Information er abgeben muss!
Edy Riesen
Lukas Gysling
Infomed-Verlags AG
Bergliweg 17
CH-9500 Wil
Info[at]med111.com