Mehr ist nicht immer ein Plus. Gemeinsam entscheiden
smarter medicine lanciert am 1. Oktober 2018 eine Informationskampagne für Patient/-innen

Mehr ist nicht immer ein Plus. Gemeinsam entscheiden

Editorial
Ausgabe
2018/18
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.01829
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2018;18(18):313

Affiliations
Vertreterinnen der Patient/-innen im Vorstand des Vereins smarter medicine – Choosing Wisely Switzerland

Publiziert am 26.09.2018

Die Meinung, dass mehr immer ein Plus, neu immer besser als alt und das Teuerste immer das Beste ist, gibt es zwar schon lange. Durch den massiven technologischen Fortschritt in der Medizin in den letzten Jahren ist diese Haltung aber zu einem Problem geworden. Die Frage, ob eine Behandlung im individuellen Fall überhaupt angezeigt ist und ob sie zur Heilung bzw. Steigerung der Lebensqualität massgeblich beiträgt, muss stärker ins Zentrum gerückt werden. Gleichzeitig müssen Patientinnen und Patienten die Sicherheit haben, dass sie immer die für sie beste Therapie erhalten, auch wenn dazu nicht immer die teuersten und neuesten Methoden angewendet werden müssen.
Bei der Initiative von smarter medicine Choosing Wisely Switzerland stehen solche Qualitätsfragen im Vordergrund. Dabei wird der Grundsatz verfolgt, dass keine Behandlung oder Diagnosemethode angewendet wird, wenn sie den Betroffenen nichts nützt oder ihnen sogar schadet.
Hinzu kommt, dass 20–30% der Gesundheitskosten durch Behandlungen und Untersuchungen verursacht werden, die medizinisch nicht angezeigt sind. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe für diese Überversorgung in der Schweiz: Die hohe Spezialisten-Dichte bzw. die fortschreitende Subspezialisierung in der Medizin oder die fragmentierte und wenig koordinierte Versorgung, um nur zwei Beispiele zu nennen. Aber auch das aktuelle Tarifsystem wirkt als Treiber für Überversorgung, da sich Geld vor allem durch zusätzliche Interventionen verdienen lässt. So besteht manchmal der Anreiz, die Patienten kränker zu machen, als sie sind.
Der Verein smarter medicine – Choosing Wisely Switzerland wehrt sich unter anderem auch gegen eine derartige Verschwendung von Ressourcen. Diese Ressourcen fehlen nämlich dort, wo sie effektiv gebraucht würden – zum Beispiel bei multimorbid erkrankten Menschen, wo die Sprechstundenzeit limitiert wird.
Und wenn man zudem berücksichtigt, dass die Medizin effektiv nur zu einem Fünftel zum guten Gesundheitszustand eines Menschen beiträgt, ist der sorgfältige Umgang mit dem Geld eine zentrale Frage. Stünden in unserer Gesellschaft nicht mehr genügend Mittel für die Bildung oder den Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen zur Verfügung, hätte dies verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung.
Nachdem die Sensibilisierung für die Fragestellung der Über- und Fehlversorgung seit 2014 hauptsächlich auf Seiten der medizinischen Fachgesellschaften statt­gefunden hat, will der Verein smarter medicine nun mit der Lancierung einer zweijährigen Kampagne den Fokus auf die Patientinnen und Patienten und Konsumenten richten. Auch sie können etwas dazu beitragen, dass im konkreten Falle die Qualität der Behandlung gefördert und die Verschwendung reduziert wird.
Die Patientenkampagne «Mehr ist nicht immer ein Plus. Gemeinsam entscheiden» will einerseits die Bevölkerung auf das Thema der Über- und Fehlversorgung aufmerksam machen und andererseits gute und für alle verständliche Informationen zur Verfügung stellen. Mit diesen Informationen, die alle auf der ­Website www.smartermedicine.ch gesammelt werden, sollen die Behandelten in die Lage versetzt werden, ­Gespräche um die richtige Diagnose- und Therapiemethode auf Augenhöhe mit den Behandelnden führen zu können. Wir sind davon überzeugt, dass nur gut informierte und selbstbewusste Patient/-innen in der Lage sind, Entscheidungen zu verstehen und mitzutragen.
Die Kampagne wird am 1. Oktober 2018 an der öffentlichen Tagung in Zürich «Wie fördern wir eine smarte Medizin in der Schweiz?» vorgestellt.
Es würde uns freuen, wenn Sie bei der Lancierung und dieser interessanten Veranstaltung dabei wären.
smarter medicine –
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