«Ein Werbeverbot ist das billigste Medikament gegen das Rauchen»
Interview mit Hans Stöckli, Ständerat SP und Präsident des Trägervereins der Initiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugend­lichen vor Tabakwerbung»

«Ein Werbeverbot ist das billigste Medikament gegen das Rauchen»

Offizielle Mitteilungen
Ausgabe
2018/19
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.01837
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2018;18(19):337-338

Affiliations
Kommunikationsbeauftragte mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz, Bern

Publiziert am 10.10.2018

Fast jede dritte Person zwischen 15 und 25 Jahren raucht, gemäss dem Suchtmonitoring Schweiz aus dem Jahr 2016. Das sind signifikant mehr als in der Gesamtbevölkerung. Die Werbung ist hier entscheidend, und die Tabakindustrie richtet ihre Werbung gezielt auf Jugendliche, was nur möglich ist, weil die Schweiz ein lasches Tabakproduktegesetz hat.

Obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung für ein strengeres Gesetz ist, wird das Parlament dies nicht ändern. In ihrem Dokumentarfilm «Attention, ce parlement peut nuire à votre santé », zeigen Pietro Boschetti und Philippe Mach eindrücklich, wie die Tabaklobby Einfluss auf die Gesetzgebung nimmt. Da überrascht es nicht, dass sich das Tabakproduktegesetz, das derzeit ausgearbeitet wird, als Farce entpuppt und die Gefahr besteht, dass die Tabakprävention sogar abgeschwächt wird.
Wollen wir, dass Kinder und Jugendliche vor Tabakwerbung geschützt werden und sich gesund entwickeln können? Da die Politik diese Frage wiederholt mit «nein» beantwortet, ist es Zeit, die Bevölkerung zu fragen. Darum haben sich die grossen Gesundheitsorganisationen der Schweiz zusammengeschlossen und die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» lanciert. mfe hat sich mit Ständerat Hans Stöckli darüber unterhalten.
Die Initiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugend­lichen vor Tabakwerbung» wurde im März von diversen Gesundheitsorganisationen – unter anderem mfe – lanciert. Wer genau steckt sonst noch hinter dieser Initiative?
Es ist erfreulich und konsequent, dass neben der Allianz «­Gesunde Schweiz» mit über 30 Mitgliedern aus der schweizerischen Gesundheitswelt auch die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und Swiss Olympic unser Vorhaben unterstützen.
Wieso setzten sich von den Verbänden der Ärzteschaft, über Apotheker, hinzu Jugendorganisationen bis zum Sport alle für dieses Anliegen ein? Sind die Kinder und Jugendlichen nicht bereits gut geschützt?
Leider sind heute Kinder und Jugendliche der sehr wirkungsvollen, cleveren und kaum beschränkten Tabakwerbung vollumfänglich ausgesetzt.
Im Parlament wird bald über ein neues Tabakproduktegesetz beraten, das diese Lücken schliessen könnte. Braucht es die Initiative überhaupt?
Es muss befürchtet werden, dass die Gesetzesvorlage den dringend nötigen Schutz der Kinder und Jugendlichen vor der Tabakwerbung nicht bringen wird. Nur Werbung, die sich direkt an die Kinder und Jugendlichen richtet, soll verboten sein. Das ist aber sehr scheinheilig, weil selbstverständlich praktisch alle Werbeaktivitäten unsere jungen Menschen erreicht. Sonst würde auch nicht geworben werden.
Die Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte kümmern sich schon um die Gesundheit der Bevölkerung. Müssen wir uns jetzt wirklich auch noch aktiv – aus­serhalb der Standes­politik – politisch engagieren?
Ja, weil dieser Einsatz ausserhalb der ärztlichen Versorgung sehr wirkungsvoll ist und eine grosse Beachtung erzielen wird. Mit dem Werbeverbot kann nämlich erreicht werden, dass Kinder und Jugendliche nicht mit dem Rauchen anfangen. Dadurch könnte jährlich eine Milliarde Schweizer Franken an Gesundheitskosten eingespart werden.
Warum ist die aktive Mitarbeit/Beteiligung der Haus- und Kinderärzte entscheidend?
Die Haus- und Kinderärzte sind die glaubwürdigsten Botschafter für das Anliegen «Kinder ohne Tabak»: sie müssen sich tagtäglich hautnah mit den Folgen des Tabakkonsums auseinandersetzen und kennen die grossen Gefahren des Rauchens. Sie wissen, dass ein Verbot für Tabakwerbung das effizienteste und billigste Medikament gegen das Rauchen ist.
Wie reagieren die Bürgerinnen und Bürger auf die Initiative und was kann der einzelne Hausarzt selbst zur Initiative beitragen?
Die Bereitschaft, die Initiative zu unterzeichnen, ist sehr gross. Die Hausärztinnen und Hausärzte müssten nicht mehr als drei bis fünf Minuten einsetzen, um zu einer Unterschrift zu kommen. Das Auflegen der Initiativbögen im Wartzimmer reicht aber nicht aus.
Haben Sie konkrete Tipps? Wie sammelt man erfolgreich mit möglichst geringen Aufwand in der Praxis Unterschriften?
Jede Hausärztin oder jeder Hausarzt muss richtig Spass kriegen am erfolgreichen Sammeln von Unterschriften. Und das fängt mit der systematischen Frage an seine Patientin oder seinen Patienten an: «Sind Sie nicht auch der Meinung, dass Kinder und Jugendliche nicht rauchen sollten und demnach auch die Tabakwerbung, die sie erreicht, verboten werden sollte?» Die grosse Mehrheit bejaht und unterzeichnet.
Wo sind die «Stolperfallen» beim Unterschriften sammeln?
Dass die Tabakindustrie unter dem Einfluss unserer Initiative jetzt die Werbung selbst regulieren und so den Eindruck erwecken will, dass eine verbindliche gesetzliche Lösung überflüssig sei. Das ist aber ein Trugschluss, weil nach wie vor die Jugendlichen in Zeitungen, an den Kiosken, im Kino oder den Festivals beworben und zum Rauchen animiert werden.
mfe ist ein wichtiger Teil des Initiativkomitees. Wie beurteilen Sie als Politiker dieses Engagement des Berufsverbandes?
Ich bin glücklich und zufrieden, dass der Berufsverband der Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte den Lead bei dieser wichtigen Volksinitiative übernommen hat und damit den Tatbeweis erbringt, dass ihm die Gesundheit unserer Bevölkerung ein wichtiges Anliegen ist.
Sie machen seit bald vierzig Jahren Politik. Kurze, aber schwierige Schlussfrage: Wieso?
Weil nur noch das Volk im Bereich der Tabakwerbung der Gesundheit den richtigen und nötigen Stellenwert einräumen kann. Die Mehrheit von National- und Ständerat hat mit der Rückweisung des Tabakproduktegesetzes den Rubikon überschritten und die kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen vor die Gesundheit gestellt. Das müssen wir korrigieren.

Zur Person 


Hans Stöckli ist seit 2011 Ständerat, SP. Er ist Präsident der Allianz «Gesunde Schweiz», Bern, der GELIKO, Schweizerische Gesundheitsligen-Konferenz, Zürich und des Trägervereins der Initiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung».
Hans Stöckli
Sandra Hügli-Jost
Kommunikations­beauftragte mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz
Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.Huegli[at]hausaerzteschweiz.ch