«Unsere Disziplin ist unverzichtbar im Gesundheitssystem der Zukunft»
Jean-Michel Gaspoz und François Héritier treten als Co-Präsidenten der SGAIM ab

«Unsere Disziplin ist unverzichtbar im Gesundheitssystem der Zukunft»

Offizielle Mitteilungen
Ausgabe
2018/22
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2018.10002
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2018;18(22):392-394

Affiliations
Bereichsleiter Administration und Kommunikation der SGAIM

Publiziert am 20.11.2018

Am 29. November 2018 wählt die Delegiertenversammlung der SGAIM ein neues Präsidium. Die bisherigen Co-Präsidenten Jean-Michel Gaspoz und François Héritier geben ihr Amt ab und treten auch aus dem Vorstand zurück.

François Héritier (links) und Jean-Michel Gaspoz (rechts).
Im Dezember 2015 haben sich die beiden Organisationen SGIM und SGAM zur SGAIM zusammengeschlossen. Als Co-Präsidium der neuen Fachgesellschaft waren sie am Anfang mit vielen Erwartungen, Skepsis, aber auch Befürchtungen konfrontiert. Wo steht die SGAIM heute? Was haben Sie aus Ihrer Sicht in den letzten drei Jahren als Co-Präsidenten erreicht?
François Héritier (FH): Ich denke, dass sich die SGAIM als grösste Fachgesellschaft in der Schweiz behaupten konnte. Dies ist ihr nicht nur aufgrund ihrer Mitgliederzahl (über 7000) gelungen, sondern auch durch ihr Engagement für die Weiterbildung und die Forschung in der Allgemeinen Inneren Medizin (AIM) auf ambulanter, stationärer und universitärer Ebene. Zudem wurde uns das Nachwuchsproblem bewusst, was uns dazu anregte, eine Reihe von Massnahmen vorzuschlagen, um die Heranbildung einer neuen Generation von Allgemeininternistinnen und -internisten zu fördern – sowohl für den ambulanten, den stationären als auch für den universitären Bereich.
Jean-Michel Gaspoz (JMG): Die Fusion trug dazu bei, dass die Allgemeininternist/-innen eine klare Identität erhalten haben, unabhängig davon, wo sie arbeiten, ob im ambulanten oder im stationären Dienst. Die anfänglichen Schwierigkeiten waren rasch beseitigt. Ausserdem haben die Jungen schnell die spezifischen Besonderheiten unserer Disziplin erfasst und vertreten ihre Werte mit ihren eigenen Verbänden (Junge Hausärztinnen und -ärzte Schweiz JHaS, und Swiss Young Internists SYI), die regen Zulauf haben, sowohl aus dem Bereich der AIM an Spitälern als auch aus dem Bereich der Praxisassistenz. Die Kongresse der SGAIM widerspiegeln dies. Sie verbinden Praxis und akademische Forschung in der Spital- und Hausarztmedizin. Und die von der AIM initiierte Kampagne smarter medicine zeigt, dass wir fähig sind, unsere Verantwortung angesichts einer teilweise aufgeblähten und ineffizienten Gesundheitsversorgung wahrzunehmen.
Worüber haben Sie sich in Ihrer Zeit als Co-Präsidenten besonders gefreut?
JMG: Die Zusammenarbeit in unserem Co-Präsidium war hervorragend, da sie auf grosser persönlicher Wertschätzung und der Überzeugung basierte, dass die von uns beiden gewünschte Fusion notwendig war. Vor der Fusion gab es einige schwierige Momente. Wir werden uns noch lange daran erinnern, wie wir am Bahnhof Bern einige Biere zusammen getrunken haben, um uns gegenseitig moralisch zu unterstützen. Was mich danach am meisten freute war, die schnelle Entwicklung der SGAIM und ihrer Identität zu sehen und festzustellen, dass das, was wir getan haben, richtig gewesen war.
FH: Ja, die Zusammenarbeit war sehr angenehm, ­positiv und konstruktiv, vor allem diejenige mit meinem Co-Präsidenten, aber auch die Zusammenarbeit mit den Vorstands- und Kommissionsmitgliedern sowie allen Mitgliedern, denen ich begegnete. Ich bin wie viele Andere der Meinung, dass es nötig ist, auf allen Ebenen für den Generalismus einzutreten, in den Hausarztpraxen sowie in den Regional- und Universitätsspitälern, um eine globale und humane Versorgung aufrechtzuerhalten – oder gar zu retten – welche die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt stellt.
Welche Eigenschaften haben Sie an Ihrem Partner im Präsidium geschätzt? Und welche Faktoren haben Sie beide als Präsidenten-Duo erfolgreich gemacht?
FH: Die Zusammenarbeit war von einem offenen Geist, Kollegialität und einer konstanten Kompromissbereitschaft geprägt. Einige Leute an der Uni und Spitalinternisten dachten wohl, dass Jean-Michel sich an die Hausärzte «verkauft» hätte, während ich mich dem Vorwurf ausgesetzt sah, zu akademisch und spital­orientiert geworden zu sein. Was für eine schöne Hommage an unsere harmonische Zusammenarbeit!
JMG: François und ich sind beide Walliser. Die Walliser sind offen, sagen ihre Meinung und tun auch, was sie sagen. Ich glaube, dass wir beide diese Eigenschaften haben; es gab nie Heimlichkeiten zwischen uns. François hat seine eigene Meinung, nicht nur, was den medizinischen Bereich betrifft, sondern auch hinsichtlich der Gesellschaft und einer nachhaltigen Welt. Der Austausch mit ihm war sehr bereichernd. Im Übrigen war ich als Chefarzt einer Abteilung für Hausarztmedizin ein wenig ein Exot, für einige etwas mehr, für andere etwas weniger ...
Welche wichtigen Pendenzen und Aufgaben, die Sie in Ihrer Zeit noch nicht erledigt haben, geben Sie an Ihre Nachfolger weiter?
JMG: Die Nachwuchsfrage ist eine Priorität; unsere ­potenziellen Nachfolger sind beide stark in diese Thematik involviert. Der Inhalt des Lernzielkatalogs für die AIM ist von zentraler Bedeutung: Man wird die ­Herausforderung bewältigen müssen, den künftigen Nachwuchs nicht mit unnützen Anforderungen zu erdrücken und gleichzeitig nicht fundamentale ­Bildungsziele über den Haufen zu werfen.
FH: Jedes neue Team definiert jeweils seine eigenen strategischen Ziele und Prioritäten. Zwei Themen, die unsere Nachfolger bestimmt beschäftigen werden, sind die Nachwuchsförderung und eine smartere Medizin. Unser Titel Facharzt für AIM erhielt kürzlich ohne Vorbehalte die Akkreditierung für weitere sieben Jahre. Trotzdem wartet 2019 eine grosse Baustelle: Die Überarbeitung der Lernziele dieser Weiterbildung für eine bessere Abstimmung mit dem neuen Studiengang namens PROFILES.
Welchen Herausforderungen wird sich die SGAIM als Fachgesellschaft und Vertreterin der AIM in den nächsten Jahren stellen müssen?
FH: Die grösste Herausforderung scheint mir immer noch der Nachwuchs, sei es im stationären Bereich der Abteilungen für Allgemeine Innere Medizin oder im ambulanten Bereich der Arztpraxen. Es geht insbesondere darum, die Idee des Generalisten und einer umfassenden und humanen Medizin zu vertreten sowie eine nachhaltige Versorgung zu gewährleisten, indem man der Fragmentierung, der Überspezialisierung und der Überversorung entgegenwirkt. Dazu müssen wir unser Fachgebiet über die Ausbildung noch attraktiver machen und das Image einer Tätigkeit fördern, die interessanter wird als bei den anderen Fachgebieten.
JMG: Dies bedeutet, dem Grundsatz noch mehr Nachdruck zu verleihen, dass die AIM aufgrund ihres globalen Ansatzes und ihrer Transversalität für die Gesundheitssysteme der Zukunft unverzichtbar ist, in den Spitälern wie in der Gemeinschaft, auch wenn sie keine grossen Gewinne erwirtschaftet.
Herr Gaspoz, Sie treten nicht nur aus dem Präsidium der SGAIM zurück, sondern haben das Rentenalter erreicht und Ihre Funktion als Chefarzt an den Universitätsspitälern in Genf abgegeben. Beginnt für Sie nun der Ruhestand?
JMG: Ich habe mir eine 15-tägige Auszeit genommen, inzwischen habe ich meine Tätigkeit als Arzt an der Privatklinik Les Grangettes in Genf wieder aufgenommen. Ich bleibe Präsident von smarter medicine – Choosing wisely Switzerland und werde mich weiterhin im Gesundheitsbereich engagieren. So bin ich am Aufbau eines neuen Pflegenetzes in der Romandie beteiligt und im Verband PRISM aktiv, wo es um die Finanzierung von Pilotversuchen für die multiprofessionelle Versorgung in Genf geht.
Herr Héritier, Sie engagieren sich seit Jahren in standespolitischen Verbänden und Organisationen. Wo setzen Sie in Zukunft die Schwerpunkte Ihrer Aktivitäten?
FH: Ich bin weiterhin bei Haus- und Kinderärzte Schweiz mfe aktiv. Und mit meinem Mandat am Uni-Institut für Hausarztmedizin in Lausanne bin ich vor allem weiterhin im Bildungsbereich tätig – den Nachwuchs auf den Beruf vorbereiten, Freude vermitteln, neue Praxismodelle entwickeln. Die Zukunft ist jetzt, und sie ist jung.

DV wählt neues Präsidium

Am 29. November wählen die Delegierten der SGAIM in Bern das neue Präsidium und die Vorstandsmitglieder für die Legislatur 2019/2021. Mit Dr. med. Regula Capaul und Prof. Dr. med. Drahomir Aujesky haben zwei bisherige Vorstandsmitglieder ihre Bereitschaft erklärt, das Präsidium gemeinsam zu übernehmen. Der Vorstand unterstützt diese Kandidatur und ist davon überzeugt, dass mit diesen zwei Persönlichkeiten die Kontinuität in der Nachfusionsphase der SGAIM gewährleistet ist. Für die zwei freiwerdenden Vorstandssitze werden Dr. med. Christoph Knoblauch (Chefarzt AIM des Kantonsspitals Nidwalden und Vertretung der ICKS) und Prof. Dr. med. Idris Guessous (Chefarzt der Abteilung für medizinische Grundversorgung der Genfer Universitätsspitäler) vorgeschlagen. Mehr Informationen unter www.sgaim.ch/DV2018.
Bruno Schmucki
Kommunikation
SGAIM, Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin
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bruno.schmucki[at]sgaim.ch