Der Preis des Sparens
2019 entscheidend für einen neuen ambulanten Tarif

Der Preis des Sparens

Aktuelles
Ausgabe
2019/02
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2019.10031
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2019;19(02):34-35

Affiliations
Vorstand mfe, Ressort Tarife

Publiziert am 06.02.2019

2019 ist ein Wahljahr. Zahlreiche Initiativen und ­Vorstösse sind garantiert.

Alles kann besser werden

Alle wollen sparen, alle irgendwo anders, jeder möglichst auf Kosten des anderen. Nur die Patienten haben dazu nichts zu sagen.
2019 ist ein Wahljahr. Zahlreiche Initiativen und ­Vorstösse sind garantiert: Kostendach für das Gesundheitsbudget, Kostensteuerung in Abhängigkeit der Lohnentwicklung, Umverteilung zu Lasten der Steuerzahler, Erhöhung der Franchisen, Kürzung des Leistungsangebots, Reduktion der Medikamentenpreise, Regulierung der Ärzteeinkommen, Qualitätskon­trollen, elektronisches Patientendossier. Der medizi­nischen Versorgung der Bevölkerung und der Aufrechterhaltung einer allen zugänglichen, qualitativ hochstehenden diagnostischen, therapeutischen und präventiven Medizin wird kaum Beachtung geschenkt. Die angeregt Diskutierenden wollen in erster Priorität eine Entlastung als Prämienzahler. Die damit verbundenen Einschränkungen betreffen sie nicht. Selbstverständlich ist die Kostenfrage sehr wichtig, aber längst nicht der einzige bestimmende Faktor.
Die Bevölkerung wird sich im kommenden Jahr also mit mehreren Initiativen befassen können. Unterschriftensammlungen laufen oder werden demnächst gestartet. Der Abstimmungsreigen wird dieses Wochenende in Genf eröffnet, wo über die Einführung ­einer kantonalen Krankenkasse entschieden wird.

Engagement von mfe

mfe setzt sich laufend mit zahlreichen Vorschlägen auseinander, tauscht sich mit Politikern und ­Behörden und anderen Verbänden aus und nimmt die Interessen der Haus- und Kinderärzte und ihrer Patienten war. Die Sichtweise der Ärzteschaft einzubringen verlangt Geduld, Beharrlichkeit und Glaubwürdigkeit, einen Sinn für das in unserem System Machbare, ein Verständnis für die Sicht der anderen Seite und ein gewisses Mass an Kompromissfähigkeit aber auch an Abgrenzung. Die Medien zeichnen ein schlechtes Bild von der Ärzteschaft, das BAG macht Stimmung mit auf zweifelhafte Art errechneten Arztlöhnen – zum Glück konnten wir die Stimmungsmache mit Daten aus MAS 2015 etwas korrigieren – und santésuisse hält nichts von ­unseren freiwillig durchgeführten Qualitätskontrollen. Wir halten dagegen: Haus- und Kinderärzte erbringen tagtäglich hochqualifizierte Leistungen zu einem kostengünstigen Preis. Weit mehr als 90% der Fälle ­erledigen wir selbständig ohne Beizug von Spezialisten oder Hospitalisationen. Haus- und Kinderärzte bremsen die Mengenausweitung und Überversorgung. Ohne uns kollabiert die medizinische Versorgung.

Kostendämpfungsmassnahmen

Tarifkommission und Vorstand mfe haben nach breiter Diskussion mit den Delegierten mfe eine Ver­nehmlassungsantwort zu den ersten neun vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen eingereicht (unter ­anderem: Experimentierartikel, Kostensteuerung, ­Medikamantenpreise, nationales Tarifbüro). Die Dis­kussion um weitere Massnahmen steht noch bevor. Der Bundesrat hat ein zweites Massnahmenpaket angekündigt.

Tarifverhandlungen

Im Verlauf des Jahres wird das BAG die Folgen des zweiten Tarifeingriffs evaluieren. Im Bereich der Hausarztmedizin ist genau das eingetroffen, was vorauszu­sehen war. Die Limitationen behindern unsere Arbeit mit besonders bedürftigen Patienten und solchen, die vorübergehend mehr Betreuung brauchen. Besonders einschneidend sind die Limitationen der Leistung in Abwesenheit: Der Austausch mit Angehörigen, Pflegenden und Therapeuten wird stark behindert bis ­verunmöglicht.
Das Engagement unserer Mitglieder, bei den Krankenkassen immer wieder nach situationsbezogener Aussetzung der Limitation zu ersuchen, ist im Einzelfall zwar meist frustran, zeigt den Kostenträgern und dem BAG aber auf, wo das Problem liegt; dieser Einsatz lohnt sich weiterhin.
Ebenso vorhersehbar war, dass es zu gewissen Verschiebungen im Abrechnungsverhalten kommen würde, was von santésuisse als «skandalöse Selbst­bedienungsmentalität» gedeutet wird. Dank unseren eigenen Zahlen konnten wir die Behauptungen von santésuisse entkräften: In den Haus- und Kinderarztpraxen findet keine «skandalöse» Mengenausweitung statt. Vielmehr ist sowohl die durchschnittliche Zahl der Konsultationen pro Arzt gestiegen wie auch die Zahl der Patienten, die betreut werden. Die Ursachen dafür sind etwas komplexer, als santésuisse uns das glauben machen will: Spürbarer Hausärztemangel, steigende Nachfrage, demographische Entwicklung oder stärkere Grippewellen sind nur einige der Faktoren.

Der weitere Fahrplan

Das laufende Jahr ist für einen neuen ambulanten Tarif entscheidend. Gelingt es den drei verbliebenen Tarifpartnern FMH, Curafutura und MTK ­(Unfallversicherer, Invaliden- und Militärversicherung), sich zu einem gemeinsamen Werk durchzuringen? Der Spitalverband H+ hat sich kurz vor dem Ziel aus der Diskussion verabschiedet, santésuisse verweigert sich dieser bekanntlich seit Jahren. Noch laufen die Verhandlungen auf Hochtouren. Die meisten der verbleibenden Hürden können mit einem Konsens überwunden werden.
Hauptstreitpunkt sind nach wie vor die Limitationen. Die Versicherer fordern sie vehement mit dem Argument, Auswüchse und Missbräuche zu vermeiden. mfe bekämpft sie ebenso vehement, weil Limitationen nichts anderes als versteckte Rationierungsmassnahmen sind, die unsere Arbeit behindern und besonders bedürftige Patienten benachteiligen. Auswüchse und Missbräuche will niemand, auch und schon gar nicht mfe. Um solche zu verhindern, stehen den Krankenkassen (übrigens schon heute ...) andere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung als Limitationen, die ­völlig unverhältnismässig die ganze Haus- und Kinderärzteschaft und vor allem die Patienten kollektiv bestrafen.
Das Departement ambulante Versorgung und Tarife der FMH erfüllt seine schwierige Aufgabe mit profundem Expertenwissen und viel Geduld und unterstützt die Fachteams ausgezeichnet. Die Verhandlungen mit den Tarifpartnern sind vom Willen geprägt, die seit Jahren andauernde Tarifverhandlung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, die Tarifautonomie zurückzugewinnen und dabei die Interessen der Ärzteschaft und der Patienten zu wahren.
Im Februar wird der neue Tarif fertig beraten werden. Wollen die Tarifpartner ihre Führungsposition in ­Tariffragen nicht weiter aus der Hand geben und dem Bundesrat übertragen, so sind Kompromisse unabdingbar. Im Mai werden die Gremien der FMH (Delegierte und Ärztekammer) über das Tarifwerk befinden und es hoffentlich genehmigen können. Mitte 2019 soll der Vorschlag dem Bundesrat zur Prüfung vorgelegt werden. Er soll bis dann auch einen Namen erhalten haben. Frühestens per 1. 1. 2020 kann der Bundesrat den neuen Tarif einführen. Und wie er dann aussehen wird – der Bundesrat wie der Tarif – ist noch eine Frage unserer Vorstellungskraft.
Sandra Hügli-Jost 
Kommunikations­beauftragte mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz
Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.Huegli[at]hausaerzteschweiz.ch