Wie alles begann ...
10-jähriges Jubiläum mfe

Wie alles begann ...

Editorial
Ausgabe
2019/05
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2019.10069
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2019;19(05):132

Affiliations
Past-Präsident und Ehrenmitglied mfe

Publiziert am 08.05.2019

«Kairós: der richtige Augenblick» habe ich mein erstes Editorial in der damaligen «Nullnummer» von Primary Care am 01.09.2000 betitelt [1]. Man kann diesen Moment als den eigentlichen Beginn der Emanzipation der Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte betrachten.
Natürlich gab es vorher die Schaffung des Facharzt­titels für Allgemeinmedizin und die Gründung des Kolle­giums für Hausarztmedizin (KHM) als erste gemeinsame Plattform zur «Förderung der Hausarztmedizin», bestehend aus den drei Grundversorgergesellschaften SGAM, SGIM und SGP gemeinsam mit den medizinischen ­Fakultäten und der SAMW. Aber so richtig an die Öffentlichkeit gelangt, laut und hörbar geworden, sind wir erst mit dieser ersten eigenen Zeitschrift!
Für die weitere Entwicklung müssen wir verschiedenen Politikerinnen und Politikern dankbar sein, die uns mit positiven oder negativen Impulsen immer wieder herausgefordert haben. So Bundesrätin Ruth Dreifuss mit ihrer Aussage vom «pivot central» des Gesundheitswesens oder im negativen Sinne Bundesrat Pascal Couchepin mit der Senkung des Labortarifs.
Wir liessen uns auch nicht aufhalten von Publikationen über gehäuftes Hausärzte-Burnout [2], auch wenn ­unsere seit 2004 regelmässigen Hinweise auf einen sich abzeichnenden Hausärztemangel zunächst ungehört verhallten oder gar als Hirngespinste abgetan wurden. Rasch haben wir begriffen, dass wir nur ­gemeinsam stark sind.
So war es auch selbstverständlich, dass 2006 sämtliche Grundversorgergesellschaften den Aufruf der SGAM zu einer ersten Hausärztekundgebung auf dem Bundesplatz unterstützt haben. Leider haben auch über 200’000 Unterschriften nicht ausgereicht, Bundesbern aufzuwecken. Für unser Selbstvertrauen war der Aufmarsch von über 12’000 Haus- und Kinderärztinnen und -ärzten mit ihren Familien und Praxisassistentinnen genau der richtige ­Stimulus!
Die vorhandenen Gefässe der Fachgesellschaften, aber auch des KHM, erwiesen sich in der Folge jedoch als zu träge, um unsere politischen Botschaften und Wünsche schlagkräftig genug zu transportieren. 2007 diskutierten wir an einer KHM-Klausurtagung die Schaffung eines Dachverbandes der Grundversorgung und der Hausarztmedizin der Schweiz. Hier wurde uns sehr rasch klar, dass wir die Bereiche Politik und Fachinhalte trennen mussten, um eine Chance auf Erfolg zu haben. Während die politischen und wirtschaftlichen Anliegen der Allgemeinmediziner, Praxisinternistinnen und der Praxispädiater weitgehend deckungsgleich sind, lassen sich die Interessen der Spitalärztinnen und -ärzte und die fachlichen Inhalte nicht einfach in einen Topf ­werfen.
Schliesslich war es eine Idee von Christoph Cina und des SGAM-Vorstandes, die uns ermöglichte, die «Fusions-Eiszeit» zwischen SGIM und SGAM zu überwinden [3, 4]. Wir konnten uns zusam­menraufen, um eine Arbeitsgruppe einzusetzen, welche die Gründung unseres Berufsverbandes vorbereitete. Diese Vorbereitungsgruppe, unter der Leitung unseres externen Moderators Kurt Aeberhart und ­unter Beteiligung von je zwei Vertretern der Fachgesellschaften, des KHM und der ebenfalls in Gründung begriffenen Jungen Hausärztinnen und -ärzte Schweiz, hat – schon fast in interprofes­sioneller Zusammenarbeitskultur – Vorurteile beseitigt, Hindernisse abgebaut, Kernkompetenzen definiert, Zuständigkeiten geregelt und schliesslich sogar Zusammenarbeitsverträge entwickelt. Ganz nebenbei konnten durch die Schaffung ­eines Berufsverbandes auch viele Hindernisse eines späteren Zusammenschlusses von SGIM und SGAM zur SGAIM beseitigt werden. Am 17.09.2009 erfolgte schliesslich im Rahmen des Wonca-Kongresses in Basel die feierliche Gründung.
Obschon ich anfangs der Meinung war, die SGAM hätte mit der Lancierung der Hausarztinitiative eigentlich die Gründung unseres Berufsverbandes abwarten können, hat sich diese Gleichzeitigkeit schliesslich vor allem als starker Motor und «Zwang zum Erfolg» für unseren jungen Verband erwiesen. Für Anlaufschwierigkeiten blieb keine Zeit. Nach der erfolgreichen Gründung wurde das «Kind» unmittelbar ins kalte Wasser eines politischen Stahlbades geworfen – so waren wir sofort gezwungen, schwimmen zu können. Das Abstimmungsresultat mit einer Zustimmung von 88% (erstmals über eine Million Ja-Stimmen bei einer Initiativabstimmung!) zum Gegenvorschlag unserer Initiative hat unserem Berufsverband einen festen Platz auf der grossen Bühne der schweizerischen Gesundheitspolitik verschafft – einen Platz, den wir nicht wieder verlassen haben und werden.
Vor langer Zeit habe ich in PrimaryCare ein Editorial zum Thema «How many years must an idea exist …» [5] (frei nach Bob Dylan) geschrieben, ein anderes war betitelt mit «Schau vorwärts, Hausarzt, und nicht hinter Dich!» [6] (ebenso frei nach Friedrich Schiller). Zum zehnjährigen Jubiläum sei uns dieser kleine Rückblick erlaubt, aber «wer rastet, der rostet», deshalb: Es bleibt noch viel zu tun, packen wir’s an!
Sandra Hügli-Jost
Kommunikations­beauftragte
mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz
Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
sandra.huegli[at]hausaerzteschweiz.ch
1 Müller-Friedli M. Kairós: der richtige Augenblick / Kairós: le moment favourable. PrimaryCare. 2000;0(00):3–4.
2 Bovier PA, Perneger TV. Predictors of work satisfaction among physicians. Eur J Public Health. 2003;13(4):299–305.
3 Watzlawick P. Anleitung zum Unglücklichsein. Piper Verlag; 1983.
4 «Behalte Deinen Hammer» – PrimaryCare. 2007;7: Nr.22.
5 Müller M. How many years must an idea exist … PrimaryCare. 2006;6(28):502–3.
6 Müller M. Schau vorwärts, Hausarzt, und nicht hinter Dich! PrimaryCare. 2011;11(01):1.