Hürdenlauf mit ­klarem Ziel
Von der Geburt bis an die Schwelle des Jugendalters

Hürdenlauf mit ­klarem Ziel

Aktuelles
Ausgabe
2019/05
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2019.10070
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2019;19(05):133-134

Affiliations
a Vizepräsident mfe, b Vorstandsmitglied mfe

Publiziert am 08.05.2019

Zehn Jahre – eine Zeitspanne von der Geburt bis an die Schwelle der Jugend. Und dennoch besteht bereits der Eindruck des Erwachsenseins...

Zehn Jahre – eine Zeitspanne von der Geburt bis an die Schwelle der Jugend. Und dennoch besteht bereits der Eindruck des Erwachsenseins... Wohl deshalb, weil wir Resultate erzielt haben, von denen wir nicht zu träumen wagten. Diese Erfolge haben uns vielleicht reifen lassen … oder sind uns zu Kopf gestiegen.
Zehn Jahre, also Rosenhochzeit, oder wie man auf Französisch sagt: «Zinnhochzeit» («Noces d’étain»). Aus diesem silbergrauen Metall sind die «Channes» gefertigt, die Krüge, in denen auf traditionellen Festen der Wein serviert wird, um Jahrestage zu begehen und sich über Siege zu freuen, um Erfolge und Hoffnungen zu feiern.
Und Hoffnungen hatten wir vor zehn Jahren, als es aufgrund der politischen Umstände dringend nötig war, mit einer Stimme zu sprechen und eine gemeinsame Organisation zu gründen – mfe.
«One voice, one structure»: Das war die Voraussetzung, um zu einem relevanten Akteur im Schweizer Gesundheitswesen zu werden. Es war zudem auch eine wichtige Voraussetzung, um unseren Forderungen, die wir am 1. April 2006 auf dem Bundesplatz in Bern ge­äussert hatten, nachhaltig Gehör zu verschaffen. Am 17. September 2009 war es dann soweit: In Basel stand die ganze europäische Hausarztmedizin Patin, als wir mfe an der Jahrestagung der europäischen Gesellschaft im Rahmen des Wonca Kongresses gründeten.
Gemeinsam mit den Partnerinnen und Partnern der Haus- und Kinderarztmedizin bekamen wir jetzt laufend Gelegenheit, unsere Forderungen, die wir in der Initiative «Ja zur Hausarztmedizin» stellten, zu konkretisieren. Dank mfe erfüllten wir auch die Forderungen der Politik nach ­einem einzigen Ansprechpartner für alle Fragen rund um die Hausarztmedizin.
Und es ging fulminant weiter: Die Schweizer Bundespolitik wurde mit über 200’000 Unterschriften konfrontiert, die innert vier Monaten zur Unterstützung der Hausarztmedizin gesammelt wurden. Die Demonstration im Jahr 2006 blieb kein einzelner Schrei des Protests: Vier Jahre danach zwang unsere Initiative das Parlament, gesetzliche Massnahmen zu verabschieden.
Weitere vier Jahre dauerte es bis zur Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 und zur Annahme – mit der überwältigenden Mehrheit von 88% – des parlamentarischen Gegenentwurfs über die medizinische Grundversorgung, den wir mit dem Rückzug unserer Initiative ­unterstützten. Die Hausarztmedizin wurde in der Bundesverfassung verankert und als wesentliches Element des Schweizer Gesundheitssystems anerkannt. Damit wir unsere Anliegen durchsetzen konnten, waren politisches Gespür, Ausdauer und viel Schweiss nötig. Es war ein Marathonlauf und gleichzeitig ein Hindernisrennen. Unsere Protagonisten zeigten keine Schwäche und konnten sich auf einen unerschütterlichen Teamgeist verlassen.
Locker lassen durften wir nicht: Der Verfassungsartikel 117a ist zwar schön und gut, aber wenig wert, wenn Gesetze und Verordnungen ihn nicht konkret umsetzen. Der Masterplan des Bundesrates kommt daher wie gerufen, da er die Forschung und Bildung in der Hausarztmedizin fördert und sie finanziell aufwertet. Endlich eine konkrete Verbesserung des Finanzierungssystems, das die technischen Leistungen bislang zu stark gewichtete, und zwar zulasten der klinischen Grundkompetenzen; etwa der Fähigkeit, eine Patientenbeziehung aufzubauen, die das Herz und die Seele jeder ärztlichen Tätigkeit ist. Zweimal – in den Jahren 2014 und 2018 – traf die Politik Massnahmen, welche die Unausgewogenheit des ambulanten Tarifs zum Teil korrigierten. Massnahmen auch, die den Haus- und Kinderärzten endlich ein Gefühl der Wertschätzung vermittelten.

One voice, one structure

Wir sind DIE Anlaufstelle zu allen Aspekten der Haus- und Kinderärzt/-innen der Schweiz. Politik, Medien, Behörden und inzwischen auch innerhalb der Ärzteschaft selbst ist es mittlerweile selbstverständlich, bei Fragen zu Haus- und ­Kinderärzt/-innen auf mfe zuzukommen.
Delegierte – Vorstand – Geschäftsstelle: klare Aufgaben
Die Aufgaben sind klar verteilt: In der Delegiertenversammlung wird die Strategie diskutiert und festgelegt, die der Vorstand dann während des Jahres verfolgt. Dabei wird er durch die ­Geschäftsstelle operativ unterstützt. Das ist wichtig, muss doch gemäss Statuten jedes Vorstandsmitglied von mfe zu mindestens 50% als Hausärztin oder -arzt in der Praxis tätig sein.
Im Jahr 2014 haben 88% der Schweizerinnen und Schweizer ein «Ja zur Hausarztmedizin» in die Urne gelegt. Wir Hausärztinnen und Hausärzte stehen seither in der Verfassung. In der Folge ­ermöglichte uns der Tarifeingriff des Bundesrates einen Hausarztzuschlag auf jede Konsultation und damit eine spürbare ­Er­höhung unserer Einkommen. Weitere Verhandlungen hatten zufolge, dass das Praxislabor wieder kostendeckend betrieben werden kann. Und auch der zweite Tarifeingriff liess uns einmal mehr besser dastehen. Als Haus- und Kinderärzt/-innen werden wir also nicht nur mit dem schönsten Beruf der Welt belohnt, sondern wir verdienen damit auch wieder angemessen.
Ein Institut für Hausarztmedizin an jeder Universität, erste Professoren für Hausarztmedizin, die in der Schweiz in der Hausarztmedizin habilitiert haben, Praktika in Hausarztpraxen als ­fester Bestandteil des Medizinstudiums an allen Schweizer Universitäten, Weiterbildungs-Curricula, die direkt in die Haus­arztpraxis führen. Das waren vor zehn Jahren noch Träume, heute ist dies alles Realität. Dazu kommt ein lebendiger Jungärzteverband (JHaS), vor zehn Jahren mit uns gegründet und mit viel Hoffnung gestartet, mit heute einem eigenen Kongress und weit über 1’000 Mitgliedern – wir gratulieren!
Was zu tun bleibt
Bereits gewöhnen wir uns an all diese Verbesserungen. Die Bedeutung von «one voice» droht damit etwas in Vergessenheit zu geraten.
Gruppenpraxen, neue Arbeitsmodelle, interprofessionelle Konzepte, neue Gesundheitsberufe wie Advanced Practice Nurses (APN) und medizinische Praxiskoordinatorinnen (MPK) – vieles ist in Bewegung. Die Seele (der Geist der SGAM) der Hausarzt­medizin hilft uns, dies alles so mitzugestalten, dass unsere ­Patientinnen und Patienten auch weiterhin gut versorgt sind. Hausarztmedizin – das Rezept für eine gesunde Schweiz.
Sandra Hügli-Jost
Kommunikations­beauftragte
mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz
Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
sandra.huegli[at]hausaerzteschweiz.ch