Klinik und Forschung vereinen: Eine echte Herausforderung!
Gespräch mit Caroline Aubert, Oberärztin am Inselspital und SYI-Mitglied

Klinik und Forschung vereinen: Eine echte Herausforderung!

Aktuelles
Ausgabe
2019/07
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2019.10103
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2019;19(07):202-203

Affiliations
Vorstand SYI

Publiziert am 03.07.2019

Die Allgemeine Innere Medizin ist ein umfassendes Fachgebiet, und es fällt nicht immer leicht, den Werdegang und die Karriere klar und direkt zu planen. Das Ziel ist natürlich, Ärztin bzw. Arzt zu werden, aber welche Ärztin bzw. welcher Arzt? Unter anderem darüber haben wir mit Carole Aubert gesprochen. Ihr an vielfältigen Erfahrungen reicher Werdegang und ihre Projekte für die Zukunft haben unsere Aufmerksamkeit erregt.

Carole, welche Etappen musstest du absolvieren, um dorthin zu gelangen, wo du heute bist?
Ursprünglich stellte ich mir vor, in die Fussstapfen meines Vaters zu treten, der Allgemeinmediziner ist. Ich wollte jedoch meinen Horizont erweitern und habe mich darum entschlossen, direkt nach dem Studium eine Doktorarbeit zu beginnen (Medical Doctor – MD). Da ich mich für Endokrinologie und Diabetes interessierte, habe ich ein Team in Paris kontaktiert, das auf diesem Gebiet forscht. So bin ich für ein Jahr nach ­Paris gegangen, wo ich in einem sehr motivierenden Team zahlreiche Kompetenzen im Bereich Forschung, Statistik sowie auf dem Gebiet der klinischen ärztlichen Tätigkeit erwerben konnte. Dadurch konnte ich auch meine Doktorarbeit über die Mechanismen der Beinarterienverkalkung bei Diabetikern verwirklichen. Ich habe dort ein unerwartetes Interesse für die Forschung entwickelt. Zurück in der Schweiz begann ich in Freiburg meine Praxisassistenz und konnte ­neben dieser klinischen Tätigkeit meine Forschung ­anstellen. Aber es war vor ­allem mein Eintritt in das akademische Umfeld, der mich in meiner Forschungs­tätigkeit weiterbrachte.
Klinische Tätigkeit, Forschung, Lehre, Betreuung von Arbeiten … Das sieht nach einen ausgefüllten Terminplan aus. Wie gestaltest du deine Arbeitswoche und wie organisierst du deine Zeit?
So etwas wie eine typische Woche gibt es nicht! Als ­Assistenzärztin erhielt ich eine siebenmonatige Forschungsrotation, wodurch ich Gewissheit hatte, meinen Projekten genügend Zeit widmen zu können. Den Grossteil meiner Zeit verbringe ich allerdings mit klinischer ­Tätigkeit – einer sehr interessanten Grundlage für die Forschung: Sie ermöglicht es, in der täglichen Praxis die relevanten Fragen zu erfassen und die Heraus­forderungen der Zukunft zu erkennen. Dazu muss man jedoch bereit sein, neben der klinischen Tätigkeit etwas von seiner Freizeit in die Forschung zu investieren. Es gilt, Fristen einzuhalten, die bisweilen schwer vorhersehbar sind, beispielsweise kann es vorkommen, dass man innert 48 Stunden einen Artikel über­arbeiten muss.
Was interessiert dich am meisten an deiner Arbeit? Was gefällt dir weniger?
Die vielfältigen Aufgaben, die es in der Forschung zu lösen gilt, sind ein sehr stimulierender Aspekt meiner Arbeit. Ausserdem komplettiert die Forschung meine alltägliche klinische Tätigkeit, da man danach strebt, Antworten auf Probleme zu finden, mit denen man in der klinischen Praxis konfrontiert ist. In diesem Umfeld begegne ich bisweilen einem ungesunden Konkurrenzdenken, was mir weniger gefällt.
Wo findest du die Ideen für deine Forschung?
Bei meinen ersten Forschungserfahrungen habe ich mich bereits aktiven Teams angeschlossen, sei es in Paris oder Bern: Die Hauptthemen und Leitlinien standen fest, mein Beitrag bestand darin, die Forschungsfrage zu präzisieren, damit das Projekt lanciert werden konnte. Das ist natürlich von einem Team zum anderen unterschiedlich! Die Ausarbeitung ­eines vollständigen Projekts aufgrund einer eigenen Idee kommt später. Wichtig ist, sich über die aktuellen Entwicklungen zu informieren: Ein Beispiel ist die Multimorbidität, Thema eines von der SGAIM-Foundation ausgeschriebenen Preises, den ich 2017 erhielt. Die Kampagne Choosing Wisely, die auf die ­angemessenere Ressourcenaufwendung im Gesundheitswesen abzielt, ist ein weiteres Beispiel für ein relevantes Zukunftsthema. Mithilfe eines Sti­pendiums des Nationalfonds werde ich meine Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet in den Vereinigten Staaten fortsetzen. So konnte ich also mein eigenes Interessensgebiet finden.
Was würdest du antworten, wenn Studierende oder eine junge Assistenzärztin bzw. ein junger Assistenzarzt fragen würden, wie man klinische Tätigkeit und Forschung vereinen kann?
Ich würde empfehlen, sich zunächst die eigenen Interessensgebiete zu überlegen und nicht zu zögern, die ­jeweiligen Experten zu kontaktieren. Falls diese innerhalb des Spitals oder der Universität, wo man tätig ist, nicht zu finden sind, sollte man nicht zögern, andernorts zu suchen! Dann muss man entscheiden, ob man sich eher für Grundlagenforschung (im Labor) oder ­angewandte Forschung (klinische Forschung) interessiert. Wenn man sich unschlüssig ist, empfehle ich Praktika während des Studiums.
Schliesslich muss man sich unbedingt darüber im Klaren sein, ob man bereit ist, die nötige Zeit zu investieren, und warum man Forschung betreiben möchte.
Die Chancen steigen, wenn man in einem akademischen Umfeld verkehrt, da man dort oftmals von ­einem in der Forschung bereits aktiven Team umgeben ist oder die Gelegenheit zu einer Forschungsrotation erhält. ­Mitunter trifft man auf ein motivierendes Team oder eine/n Mentor/-in, mit deren Unterstützung man rasch starten kann. Andernfalls muss man wissen, wie man seine persönlichen Ressourcen entwickeln, seine Kompetenzen erweitern und ein solides Durchhaltevermögen beweisen kann.

Zur Person

Carole Aubert, 34 Jahre, ist Mitglied von Swiss Young Internists (SYI) und seit 2017 Oberärztin an der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin des Inselspitals Bern.
Dr. med. David Eidenbenz
Swiss Young Internists
Hôpital Riviera-Chablais (HRC) – Monthey
Route de morgins
CH-1870 Monthey
daveiden7[at]gmail.com