Folge 5: Waschmittelkissen ­(Liquid Caps) – kein Spielzeug!
Tox Info Suisse: Über 50 Jahre Beratung bei Vergiftungen

Folge 5: Waschmittelkissen ­(Liquid Caps) – kein Spielzeug!

Fortbildung
Ausgabe
2019/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2019.10128
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2019;19(10):324-325

Affiliations
Tox Info Suisse, Assoziiertes Institut der Universität Zürich, Zürich

Publiziert am 02.10.2019

Für Kinder sind die bunten, glänzenden, wie grosse Bonbons aussehenden «Kissen» äusserst attraktiv. Erfahrungen von Tox Info Suisse und anderen Tox-Zentren weltweit zeigen, dass diese Waschmittelkissen im Vergleich zu anderen marktüblichen Waschmitteln ein erhöhtes Vergiftungsrisiko mit Auftreten schwerer Symptome bergen.

Waschmittelkissen sind eine stark beworbene Produkt­innovation im Bereich der Waschmittel für Textilien, auch bekannt als Liquid Caps, Pods, Gel Caps oder Laundry Detergent Pods. Es handelt sich um hochkonzentriertes Flüssigwaschmittel (Tensid, Detergens) in einer dünnen Folienummantelung als Einzelportion, die sich bei Kontakt mit Wasser rasch auflöst. Der pH schwankt zwischen neutral bis alkalisch mit pH-Werten bis 11,0 [1, 2].
Für Kinder sind die bunten, glänzenden, wie grosse Bonbons aussehenden «Kissen» äusserst attraktiv. Erfahrungen von Tox Info Suisse und anderen Tox-Zentren weltweit zeigen, dass diese Waschmittelkissen im Vergleich zu anderen marktüblichen Waschmitteln ein erhöhtes Vergiftungsrisiko mit Auftreten schwerer Symptome bergen [1–4].
Zu schwersten Verläufen und gar Todesfällen kam es auch bei US-Teenagern, die diese Waschmittelkissen im Rahmen einer Mutprobe («tide pod challenge») einnahmen, um Videos der Reaktionen auf verschiedenen sozialen Medien hochzuladen. Daraufhin hat die amerikanische Vereinigung der Giftinformationszentren 2018 mit Medienmitteilungen über die Gefahren dieser «Social-Media-Challenge» gewarnt [5].
Tox Info Suisse registrierte glücklicherweise bis anhin keine solchen Vorfälle bei Jugendlichen.

Symptome

Einnahme

Nach akzidenteller Einnahme kleiner Mengen sind im Normalfall aufgrund der Schleimhautreizung durch die Detergentien nur leichte Symptome wie vorübergehende gastrointestinale Symptome wie Bauchschmerzen, Nausea, Erbrechen und Diarrhoe zu erwarten. Seltener kommt es zu Schwindel, ausgeprägter Müdigkeit bis Bewusstseinsverlust, Krampfanfällen, starker Reizung des Magendarmtraktes mit ausgeprägten Bauchschmerzen, rezidivierendem Erbrechen und Diarrhoe. Auch Husten, Dyspnoe, Bronchospasmus, Tachypnoe, Atemnotsyndrom, Lungenödem und eine Aspirationspneumonie sind möglich [2, 4, 6].

Augenkontakt

Meist ist nur eine leichte konjunktivale Reizung zu erwarten. Die Symptomatik und der Verlauf hängen wesentlich von der raschen und korrekten Augenspülung ab. Es sind auch Fälle mit Läsionen der Cornea beschrieben, die aber unter symptomatischer Therapie folgenlos abheilten [4, 5, 7].

Dermale Exposition

In der Regel kommt es zu leichter Hautirritation. Nach längerem Hautkontakt können ausgeprägte Hautreizungen und Verätzungen auftreten [6, 8].

Massnahmen

Bei Einnahme

– Gegen die Schaumbildung Gabe von Simethicon (Beispielsweise Flatulex®), einmalig 5–20 Sprühstösse/Hübe in den Mund, danach ist normales Trinken möglich [9].
– Wenn kein Simethicon vorhanden ist oder nicht rasch organisiert werden kann, fettfreie Flüssigkeit nur in kleinen Portionen oder Flüssigkeitskarenz bis ca. 1,5 Stunden nach Einnahme.
– Überwachung durch die Eltern und Aspirationsprophylaxe bei Erbrechen.
– Bei starker Müdigkeit und/oder respiratorischen Symptomen ist eine Arztkontrolle nötig, ebenso bei Husten, Fieber und Kurzatmigkeit in den Folgetagen nach der Einnahme.
– Bei schwerer pulmonaler Symptomatik supportive und symptomatische Therapie wie Sauerstoffverabreichung, Bronchodilatatoren und mechanische Ventilation [2].

Bei Hautkontakt

– Gutes Abspülen der Haut mit Wasser, bei Reizsymptomen Behandlung analog einer thermischen Verbrennung.

Bei Augenkontakt

– Augen unter fliessendem, lauwarmem Wasser mit geöffnetem Auge während 10-15 Minuten spülen.
– Bei Beschwerden wie Schmerzen, Fremdkörpergefühl, Sehbeeinträchtigung, ausgeprägter Rötung, Tränenfluss, die nicht innerhalb 60 Minuten regredient sind, wird eine ophthalmologische Kontrolle empfohlen.

Zahlen von Tox Info Suisse

Von Dezember 2001 bis Juni 2019 wurden 781 Expositionen bei Menschen, überwiegend Kleinkinder (96%), registriert, mit deutlicher Zunahme (89 Anfragen im ersten Halbjahr 2019 gegenüber 54 im ersten Halbjahr 2018). In den allermeisten Fällen fand eine Einnahme statt (82%). Es kam auch zu Augenspritzern oder kombinierte Expositionen, wenn das Waschmittelkissen geplatzt und ins Gesicht gespritzt war. Selten waren Anfragen zu alleiniger dermalen Exposition.
In 159 dieser Fälle lag ein ärztlicher Verlaufsbericht vor. 8% (n = 13) der Patienten blieben asymptomatisch, 72% (n = 115) zeigten einen leichten, 18% (n = 28) einen mittelschweren und 1,8% (n = 3) einen schweren Verlauf (Hornhautverätzung, respektive Aspirationspneumonie).

Prävention

Um Vergiftungsunfälle zu vermeiden, sind neue Verpackungsverordnungen für diese Produkte in der Schweiz verbindlich. Unter anderem muss die Verpackung einen permanent kindersicheren Verschluss enthalten. Die Produkte sollten daher in ihren Originalbehältern gelagert werden. Niemals sollten diese Produkte, die an Süssigkeiten erinnern können, in Nahrungs- oder Trinkbehältern verstaut werden. Nicht selten passieren Kinderunfälle aber mit Musterpackungen oder Kissen, die sich ausserhalb des Originalbehälters befinden. Daher sollten Waschmittelkissen für Kinder unerreichbar sein. Selbst unter elterlicher Aufsicht gehören diese Kissen nie in Kinderhände.

Hinweis

Diese Serie erfolgt in Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden des Tox Info Suisse, die für Primary and Hospital Care ausgewählte Texte aus den «Giftinfos», die regelmässig auf der Website des Tox Info Suisse unter https://toxinfo.ch/giftinfos_de publiziert werden, aufbereiten. Für diese Zusammenarbeit möchte sich die Redaktion des PHC ganz herzlich bedanken!
Dr. med. Katharina E. Hofer
Tox Info Suisse
Freiestrasse 16
CH-8032 Zürich
Katharina.Hofer[at]toxinfo.ch
1 Smith E, Liebelt E, Nogueira J. Laundry detergent pod ingestions: is there a need for endoscopy? J Med Toxicol. 2014;10:286–91.
2 Valdez Al, Casavant MJ, Spiller HA, et al. Pediatric exposure to laundry detergent pods. Pediatrics. 2014;134:1127-35.
3 Lucas RL, Burnham RI, Reynolds KM, Green JL. Characterization of exposures to liquid laundry detergent packets from 01 January 2013 to 30 June 2014. Clin Toxicol. 2015;53:704.
4 Day R, Bradberry SM, Jackson G, et al. Review of features in 4,313 exposures to liquid laundry detergent capsules reported to the UK National Poisons Information Service (NPIS) over a 10-year period (2008-2017). Clin Toxicol. 2019;57:133-4.
6 Yin S, Colvin J, Behrman A. Single-use laundry detergent pack exposures in children under 6 years: A prospective study at U.S. Poison Control Centers. J Emerg Med 2018; 55:354.
7 Breazzano MP, Day HR, Tanaka S, Tran U. Prospective analysis of pediatric ocular chemical burns: laundry detergent pods. J AAPOS. 2018;22:426-8.
8 Claudet I, Debuisson C, Franchitto N. An unusual swollen dermal lesion in a 14-month-old child. Clin Toxicol. 2014;52:146-7.