Parkinson-Patienten im ­stationären Setting
Zehn wichtige Punkte

Parkinson-Patienten im ­stationären Setting

Fortbildung
Ausgabe
2019/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2019.10134
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2019;19(12):378-383

Affiliations
Neurologie, Kantonsspital Uri

Publiziert am 04.12.2019

Parkinson-Patient/-innen müssen häufiger notfallmässig hospitalisiert werden und bleiben länger im Spital wegen Komplikationen als Gleichaltrige. Um den Fall­stricken im klinischen Alltag auszuweichen, die mit einer Parkinson-Diagnose ­einhergehen, wurde diese Übersicht für Nicht-Neurolog/-innen zusammengestellt.

Einleitung

Anhand von zehn Punkten lernen Sie, wie iatrogene Schäden bei diesen vulnerablen Patientinnen und Patienten vermieden werden. Diese Übersicht basiert stark auf aktuell gültigen Parkinson-Leitlinien [1] und ist auf die praktische ­Arbeit als Stationsärztin ausgerichtet. Viele Aspekte ­wurden aber bewusst vereinfacht. Mehr zum pathophysiologischen Hintergrund erfahren Sie zum Beispiel im Swiss Medical Forum [2]. Ausgeklammert wurden zudem Patient/-innen mit ­einem Hirnschrittmacher oder ­einer Levodopa-Therapie über eine jejunale Sonde (Duodopa®). Diese sollten a priori in einem dafür erfahrenen Zentrumspital versorgt werden. Auch die Erläuterung sämtlicher anästhesiologischer Aspekte bei Parkinson-Patient/-innen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen [3].

Punkt 1: Was ist Parkinson?

Ein Parkinson-Syndrom ist charakterisiert durch Bewegungsarmut und -verlangsamung (Bradykinesie) sowie Rigor der Muskulatur, der mit einem «Zahnrad­phänomen» in den Gelenken einhergehen kann [2]. Typisch sind auch eine gebückte Haltung und ein kleinschrittiges Gangbild mit schmaler Spur (Abb. 1). Häufig ist von einem akinetisch- oder hypokinetisch-rigiden Syndrom die Rede. Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist Zittern (Tremor) kein obligates Symptom und nicht jeder Tremor ist «Parkinson» [4]. Der Parkinson-Tremor ist ein asymmetrischer Ruhe­tremor, der im Gegensatz zum symmetrischen essen­tiellen Tremor feinmotorische Tätigkeiten nicht beeinträchtigt (z.B. ruhiges Führen eines vollen Suppenlöffels). Auch ist «Parkinson» kein einheitliches Krankheitsbild. Die häufigste Form wurde treffend 1817 von James Parkinson charakterisiert und wird zu seinen Ehren als Morbus Parkinson oder «idiopathisches» Parkinson-Syndrom bezeichnet (Abb. 2) [5]. Dem werden die ­«atypischen» und «sekundären» Parkinson-Syndrome gegenübergestellt. Beim Morbus Parkinson finden wir meist eine asymmetrische Ausprägung und einen Ruhetremor infolge eines neurodegenerativen Prozesses mit verminderter Dopaminproduktion. Die nicht-idiopathischen Parkinson-Syndrome sind sym­metrisch(er) und zeigen selten(er) einen Tremor. Sie sind ätiologisch heterogen. Die Ursachen reichen von neurodegenerativen Prozessen, infektiösen oder zerebro-vaskulären Ursachen bis hin zu (iatrogenen) Medikamenten-Nebenwirkungen [6].
Abbildung 1: Skizze eines Parkinson-Patienten aus dem Jahr 1886 von Sir William ­Richard Gowers (1845–1915), einem ­britischen Neurologen. Die typische Körperhaltung wird ­treffend dargestellt.
Quelle: Wikimedia Commons. Sir_William_Richard_Gowers_Parkinson_Disease_sketch_1886.jpg: Sir William Richard Gowers.
Oben wurden Bradykinesie und Rigor sowie Tremor als charakteristische Parkinson-Symptome erwähnt. Es müssen aber noch weitere «Bewegungsstörungen» erläutert werden, die trotz der ähnlichen Namen auf gegensätzlichen Ursachen beruhen [1].
Dyskinesien sind das pure Gegenteil der Bradykinesie. Es handelt sich um windende (choreatische) Bewegungen der Extremitäten, des Rumpfes oder ein unwillkürliches Grimmasieren im Gesicht bei einer Über­dosierung der Parkinson-Medikamente. Vor allem in späteren Krankheitsstadien kommt es schnell zu einer Überdosierung aufgrund einer gesteigerten Empfindlichkeit gegenüber dopaminergen Medikamenten (geringere therapeutische Breite). Dystonien sind fixierte – und meist schmerzhafte – Haltungen einer Körperpartie bei Unterdosierungen. Typisch ist die Dystonie der Grosszehe in den frühen Morgenstunden (sieht aus wie ein positives Babinski-Zeichen).
Abbildung 2: Titelseite der Arbeit von James Parkinson über die Krankheit, die später nach ihm benannt wurde.
Wikimedia Commons. This file comes from Wellcome ­Images, a website operated by Wellcome Trust, a global ­charitable foundation based in the United Kingdom.

Punkt 2: Vor dem Spitaleintritt

Parkinson-Patienten sind in der Regel bereits im Pen­sionsalter, so dass sie auch an den üblichen gesundheitlichen Problemen wie Gleichaltrige leiden. Das führt dazu, dass elektive Operationen geplant werden müssen, zum Beispiel eine neue Hüfte oder eine Rückenoperation [7]. Wichtig ist, dass bereits prä-operativ klar kommuniziert wird, welche Medikamente wann eingenommen werden, diese auch zu gegebener Zeit zur Verfügung stehen, und welche Medikamente verboten sind. Das Narkoseverfahren sollte so gewählt werden, dass der Unterbruch der üblichen Medikation minimiert wird, und alle Bescheid wissen, welche ­Optionen zur Überbrückung verfügbar sind, falls die orale Einnahme nicht klappt. Dabei ist zu bedenken, dass viele Parkinson-Medikamente gar nicht zum Standardsortiment eines Spitals gehören. Die geplante Operation sollte in der ersten Wochenhälfte als erstes auf dem ­Tagesprogramm stehen, und idealerweise ist die behandelnde Neurologin stets für Fragen verfügbar.
Allerdings ist der Notfall eher der Normalfall für viele Parkinson-Patienten, die statistisch gesehen häufiger als Gleichaltrige hospitalisiert werden müssen – auch für nicht-neurologische Probleme (siehe z.B. Kapitel über Stürze). Für solche unvorhergesehenen Situationen sollte immer eine Liste und eine Tagesration der üblichen Medikamente im Besitz der Patientin sein. Und bei Problemen sollte man sich an ein neurologisches Zentrum wenden können, um offene Fragen zu klären.

Punkt 3: Die «richtigen» Medikamente

Parkinson-Medikamente bewirken lediglich eine ­Symptomlinderung. Es gibt keine verlaufsmodulierende Behandlung! Am besten funktionieren die einschlägigen Präparate beim (idiopathischen) Morbus Parkinson, der einfachheitshalber als ein Dopaminmangelzustand im zentralen Nervensystem (ZNS) charakterisiert werden kann. Die klassische Behandlung besteht darin, dass eine Vorläufersubstanz in Tablettenform zugeführt wird, die nach Überquerung der Blut-Hirn-Schranke zu Dopamin umgewandelt wird. Diese Vorläufersubstanz heisst Levodopa (auch L-DOPA genannt). Die Levodopa-Tabletten enthalten einen zweiten Wirkstoff (Benserazid oder Carbidopa), der den Levodopa-Metabolismus ausserhalb des ZNS inhibiert, so dass mehr Wirkstoff für die gewünschte neurologische Wirkung zur Verfügung steht. Eine Begleitmedikation mit Hemmern der Catechol-O-Methyltrans­ferase (COMT) oder der Monoaminooxidase-B (MAO-B) blockiert zusätzlich den Dopaminabbau, was zu einer längeren Halbwertszeit führt. Ferner gibt es Präparate, die direkt Dopaminrezeptoren im Hirn stimulieren (Dopaminagonisten), und Substanzen, die über asso­ziierte Neurotransmittersysteme indirekt wirken [1] (siehe Tabelle 1 für eine Zusammenstellung der gebräuchlichen Medikamente).
Tabelle 1: Die wichtigen Parkinson-Medikamente in der Schweiz.
Levodopa-Präparate 
• Levodopa/Benserazid: Madopar®
• Levodopa/Carbidopa:Sinemet®, etc.
Levodopa-Tabletten werden immer mit einer Substanz kombi­niert, welche die Verstoffwechslung ausserhalb des ZNS verhindert. Die Präparate stehen in verschiedenen Stärken und unterschiedlicher Galenik zur Verfügung. Die Darstellung des Wirkstoffgehalts unterscheidet sich je nach Hersteller!
Dopaminagonisten 
• Ropinirol: Requip®, etc.
• Pramipexol: Sifrol®, etc.
• Rotigotin: Neupro®
Ropinirol- und Pramipexol-Tabletten gibt es in verschiedenen Stärken jeweils in retardierter und unretardierter Form. ­Rotigotin wird transdermal appliziert, siehe auch Abbildung 3 in diesem Zusammenhang.
COMT-Hemmer 
• Entacapon: Comtan®
• Tolcapon: Tasmar®
COMT-Hemmer verzögern den Dopaminabbau und ver­längern somit indirekt dessen Halbwertszeit. Nur zusammen mit einer Levodopa-Therapie verwendbar!
MAO-B-Hemmer 
• Rasagilin: Azilect®
• Safinamid: Xadago®
MAO-B-Hemmer verzögern den Dopaminabbau und verlängern somit indirekt dessen Halbwertszeit. Xadago® braucht immer noch eine Levodopa-Therapie dazu. Interaktionen mit zahlreichen Medikamenten beachten!
Amantadin 
• Amantadinsulfat: 
PK-Merz®
• Amantadinhydro-­chlorid: Symmetrel®
Selten gebrauchte Substanzen, die über einen nicht-­dopaminergen Mechanismus wirken. Für gewisse Notfälle ist i.v. Amantadinsulfat (PK-Merz®) praktisch. 
Nierenfunktion und QT-Zeit im Auge behalten!
Anticholinergika 
• Biperiden: Akineton®Wirkt über einen nicht-dopaminergen Mechanismus. Sehr ungünstiges Nebenwirkungsprofil! Für gewisse Notfälle ist allerdings i.v. Akineton® praktisch.
Apomorphin 
• Apomorphin: 
APO-GO®, 
Dacepton®, etc.Auch ein Dopaminagonist, aber ausschliesslich zur sub­kutanen Anwendung, zum Beispiel mittels Injektionspen oder Infusionspumpe (wie wir es von der Insulinapplikation kennen). ­Nausea als Nebenwirkung (vor allem am Therapiestart). Darf nicht mit Ondansetron gegeben werden.

Punkt 4: Einnahmezeiten

Levodopa ist der Wirkstoff zur Parkinson-Behandlung. Nachteilig ist allerdings die kurze Halbwertszeit, so dass von mindestens drei Dosierungen pro Tag aus­gegangen werden muss. Da bei einem Parkinson-­Syndrom der zugrundeliegende neurodegenerative Prozess fortschreitet, und aus anderen pathophysiologischen Gründen, nimmt mit den Jahren der Bedarf an dopaminerger Medikation zu und die therapeutische Breite einer Einzeldosis ab. Das bedeutet, dass immer mehr und mehr Levodopa verschrieben werden muss. Aber die Gesamtmenge muss auf stets kleinere Einzeldosierungen x-fach am Tag verteilt werden. Das ist eine ­kognitive und logistische Herausforderung für die Betroffenen. Und ein solches Dosierungsregime ist ungewohnt im Spitalalltag [8]. Es braucht die explizite Information des gesamten Behandlungsteams, dass die Einnahmezeiten mit Absicht sehr unkonventionell sind und auf eine Einnahme­treue von ±15 Minuten ­geachtet werden sollte. Ein weiterer Fallstrick ist die Tabletteneinnahme auf leeren Magen 30 Minuten vor einer Mahlzeit (bessere Bioverfügbarkeit). Ob das aufgrund der abweichenden Spitalroutine auch noch möglich ist, muss offenbleiben. Wünschenswert wäre es, aber erste Priorität hat hier auf alle Fälle die genaue Einhaltung der Einnahmezeiten!
Levodopa-Retardpräparate sowie die Gabe von COMT- oder MAO-B-Hemmern lösen das Problem der kurzen Wirkung nur bedingt. Das kann bis zu einem gewissen Grad mit retardierten Dopaminagonisten wettgemacht werden, allerdings zum Preis von stärkeren Nebenwirkungen im Vergleich zu einer Levodopa-basierten Therapie.

Punkt 5: Die «falschen» Medikamente

Eingangs wurde «Parkinson» als Dopaminmangelzustand charakterisiert. Somit führen (fast) alle Medikamente, die Dopaminrezeptoren blockieren, zu einer Verstärkung der Parkinson-Symptome respektive ­können sogar bei Gesunden ein Parkinson-Syndrom aus­lösen [1]. Somit sind unter anderem Aripiprazol, Chlorprothixen, Deanxit® (Flupentixol/Melitracen), Haloperidol, Metoclopramid, Olanzapin, Pipamperon und Risperidon verboten. Ebenfalls ungünstig sind alle anticholinergen Wirkstoffe – obwohl sie aus pathophysiologischer Sicht eine gute Ergänzung zur dopaminergen Stimulation darstellen. Parkinson-Patient/-innen sind besonders vulnerabel gegenüber den neuropsychiatrischen Nebenwirkungen von Anticholinergika (iatrogenes Delir). Tabelle 2 listet diejenigen Dopaminrezeptor-Blocker auf, die aufgrund besonderer biochemischer Eigenschaften bei Parkinson-Patient/-innen erlaubt sind. Bei Nausea können nebst Domperidon auch Serotonin-Antagonisten zur Anwendung kommen.
Tabelle 2: Erlaubte Dopaminrezeptor-Blocker bei Parkinson.
Clozapin: Zur Behandlung von störenden neuropsychia­trischen Symptomen. Immer nach der Devise «start low and go slow» vorgehen. Startdosis: 6,25 mg. Langsame Steigerung bis zu 100 mg/d bei Bedarf. Wegen Agranuozytose-Risiko regelmässig Blutbild nötig! Keine Kombination mit Metamizol.
Quetiapin: Gleiche Verwendung wie Clozapin, aber nicht dermassen potent. Beliebt, da keine Blutbildkontrollen notwendig sind. Startdosis: 12,5 mg. Langsame Steigerung bis zu 100 mg/d bei Bedarf.
Domperidon: Zur Behandlung von Übelkeit bis zu 3× 10 mg/d. Praktisch sind die Schmelztabletten sowie die Suspension. Es gibt keine i.v. Galenik. Cave: QT-Zeit im Auge behalten! Begleitmedikation beachten!
Wie bei allen Patientinnen und Patienten, die zahl­reiche Medikamente zu sich nehmen, ist bei jeder ­Neuverschreibung auf Interaktionen zu achten, zum Beispiel Verlängerung der QT-Zeit, orthostatische Hypotonie oder Wechselwirkungen mit MAO-B-Hemmern etc.

Punkt 6: Der «nüchterne» Patient

Zahlreiche Situationen führen im Spitalalltag dazu, dass die orale Parkinson-Medikation nicht mehr aufgenommen werden kann oder kaum resorbiert wird, zum Beispiel wegen Erbrechen/Durchfall bei einer Norovirus-Infektion, Ileus, Dysphagie bei Hirnschlag etc. Es ist hier besonders wichtig, dass es nicht zu einem Entzug der dopaminergen Stimulation kommt. Was kann man dagegen tun? Theoretisch könnten Patient/-innen mit subkutanen Apomorphin-Injektionen/Infusionen behandelt werden [9]. Cave: Das Präparat kann sehr starke Nausea auslösen! Müssen Parkinson-Medikamente über eine Sonde gegeben werden, dann bietet sich eigentlich nur Madopar® LIQ an. Aus Madopar® LIQ zusammen mit ein wenig Flüssigkeit entsteht eine Suspension, die gut über eine Sonde appliziert werden kann [10]. Alle anderen Präparate sollten nicht zerkleinert werden, wenn sie keine Bruchrille aufweisen. Weitere Optionen sind i.v. Amantadin sowie transdermales Rotigotin. Abbildung 3 zeigt, wie die gängige orale Parkinson-Medikation in eine Rotigotin-Äquivalenzdosis zur transdermalen Applikation umgerechnet wird [11].
Abbildung 3: Wenn Parkinson-Patient/-innen weder oral noch enteral (über eine Sonde) ihre Medikamente einnehmen können, ist die transdermale Applikation von Rotigotin (­Neupro ® ) eine Überbrückungsmöglichkeit. Die kumulative Tagesdosis der verschiedenen oralen Parkinson-Medikamente wird mit den aufgeführten Umrechnungsfaktoren zur Rotigotin-Äquivalenzdosis pro 24 Stunden umgerechnet. Dabei ist zu beachten: Die Bioverfügbarkeit der retardierten Levodopa-Präparate beträgt lediglich 70–80% der aufgeführten Milligramm-Zahl. Eine Levodopa-Dosis, die gleichzeitig mit Entacapon verabreicht wird (z.B. Stalevo ® ), muss mit 1,3 multipliziert werden (bei Tolcapon 1,5× verwenden). Der Ausdruck «Äquivalenzdosis» bezieht sich in erster Linie auf die Behandlung der Bradykinesie, aber die Nebenwirkungen können erheblich potenter sein. Gemäss Arzneimittelkompendium beträgt die maximale Rotigotin-Dosis 16 mg/Tag. Höhere Dosierungen erfordern eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall. Zusammen­gestellt nach Angaben aus: Alty et al. Pract Neurol. 2016;16(2):122–8 sowie Tomlinson et al. Mov Disord. 2010;25(15):2649–53.

Punkt 7: Neuropsychiatrische Störungen

Aufgrund ihrer Grundkrankheit und ihrer Medikation ist das Risiko für neuropsychiatrische Störungen bei Parkinson-Patient/-innen per se erhöht. Damit ist einerseits ein erhöhtes Risiko für kognitive Störungen gemeint und andererseits eine Neigung zu visuellen Halluzi­nationen sowie vor allem ein erhöhtes Delirrisiko im Rahmen einer akutsomatischen Hospitalisation. Zur Delirdiagnostik gibt es verschiedene Instrumente, zum Beispiel die Confusion Assessment Method (CAM) (Tab. 3) [12].
Tabelle 3: Delirdiagnose mit der Confusion Assessment ­Method(CAM).
1) Acute Onset and Fluctuating Course: Akute Verschlechterung der kognitiven Leistungen (gegenüber habituellem ­Zustand) mit Schwankungen im Tagesverlauf.
und
2) Inattention: Beeinträchtiung der Aufmerksamkeit, d.h. wirkt ablenkbar, hat Schwierigkeiten einem Gespräch zu ­folgen oder eine Handlung zu Ende zu führen. Wir prüfen z.B. die Fähigkeit, die Monate oder Wochentage rückwärts auf­zuzählen.
und
3) Disorganized Thinking: Sind die Äusserungen kohärent und dem Kontext des Gespräches angepasst? Unerwartete Gedankensprünge?
oder
4) Altered Level of Consciousness: Veränderung des Wach­zustandes: hyperalert, ­normal, lethargisch, somnolent oder soporös?
Ein Delir kann diagnostiziert werden, wenn Kriterien 1) und 2) und 3) oder 4) erfüllt sind. Zudem ist eine Tag-Nacht-Umkehr besonders typisch beim Delir, gehört aber nicht zu den formalen Kriterien gemäss der Confusion Assessment Method. Zusammen­gestellt nach: Inouye et al. Ann Internal Med. 1990;113(12):941–8.
Abgesehen von der Grundkrankheit kann im Prinzip jedes Parkinson-Medikament zu visuellen Halluzinationen oder einem Delir führen, aber besonders problematisch sind Anticholinergika, Amantadin und Dopaminagonisten [1]. Die Behandlung beruht auf der systematischen Erfassung und Therapie von prädisponierenden Zusatzfaktoren wie Schmerzen, Infekten oder Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes sowie einer kritischen Betrachtung sämtlicher Me­dikamente. Kann die Parkinson-Medikation ohne wesent­liche Verschlechterung der Motorik abgebaut werden? Sind die neuropsychiatrischen Symptome dermassen belastend für den Patienten oder besteht eine Selbst- oder Fremdgefährdung, dass unter Umständen eine sedierende Therapie mit Quetiapin oder Clozapin notwendig ist? Andere Neuroleptika sind ­verboten [1]. Die Dosis und Indikation sollten täglich überprüft werden! Bezüglich den verschiedenen nicht-medikamentösen Massnahmen sei auf die einschlägige Delirliteratur verwiesen [13].
Laut Leitlinien stellen Antidementiva (z.B. Acetylcholinesterasehemmer wie Rivastigmin) bei psychotischen Symptomen (z.B. störende Halluzinationen) eine Al­ternative zu Neuroleptika dar [1]. Allerdings müssen Einschränkungen in der Anwendung aus anästhesiologischer Sicht sowie aufgrund ihrer potenziellen Nebenwirkungen (Nausea und Erbrechen) berücksichtigt werden. Somit ist im akuten Setting grosse Vorsicht angebracht – unabhängig von den weitreichenden offiziellen Limitationen bei der Verschreibung.

Punkt 8: Die REM-Parasomnie

Dieses Begleitphänomen – auch Verhaltensstörung im REM(Rapid Eye Movements)-Schlaf genannt – wird bei verschiedenen neurodegenerativen Parkinson-Syndromen beobachtet und meist als neuropsychiatrisches Symptom fehlgedeutet. Die REM-Parasomnie kann sich bereits Jahre vor Ausbruch der eigentlichen Parkinson-Symptomatik manifestieren. Es handelt sich um ein «Ausleben» von Albträumen mit Schreien und Umsichschlagen in der REM-Schlafphase; manchmal fallen Patient/-innen dabei auch aus dem Bett. Die REM-Parasomnie hat nichts mit Halluzinationen und nichts mit zu viel oder zu wenig Parkinson-Medikamenten zu tun. Falls eine Therapie nötig sein sollte, kommen Melatonin (Circadin®) oder Clonazepam in Frage [14].

Punkt 9: Stürze und Osteoporose

Die Bradykinesie zeigt sich auch bei Gleichgewichts­reaktionen (posturale Instabilität). Das Sturz- und somit Frakturrisiko von Parkinson-Patient/-innen ist überdurchschnittlich [15] und ist eines der Gründe für die höhere Hospitalisationsrate. Es sollte deshalb bereits im Vorfeld auf eine adäquate Versorgung mit Vitamin D geachtet werden und spätestens nach einer osteoporotischen Fraktur (fragility fracture) muss an eine spezifische Osteoporose-Prophylaxe mit zum Beispiel einem Bisphosphonat gedacht werden. Zudem lohnt es sich stets, eine allfällige orthostatische Hypotonie (als weiterer Sturzrisikofaktor) zu suchen und gegebenenfalls zu behandeln [16].

Punkt 10: Nach dem Spitalaufenthalt

Gemäss verschiedenen Studien kann einiges schief gehen bei Parkinson-Patient/-innen im Spital und dadurch verlängert sich die Hospitalisationsdauer [17]. Sie sind vulnerabler für Komplikationen. Ein weiterer Faktor sind Fehler bei der Medikation (verpasste Einnahmezeitpunkte und falsche Medikamente), was bereits angetönt wurde [18]. Aufgrund dieser ungünstigen Verläufe ist der direkte Austritt nach Hause häufig nicht möglich. Wie geht es weiter nach dem Spital? Falls ­zahlreiche internistische Begleitdiagnosen vorhanden oder chirurgische Komplikationen zu erwarten sind, dann sind Parkinson-Patient/-innen zum Beispiel im Setting einer akutgeriatrischen Komplexbehandlung gut aufgehoben, da diese in das Akutspital eingegliedert ist und somit die personelle sowie apparative In­frastruktur 24/7 für unvorhergesehene Situationen vorhanden wäre. Wenn von einer suboptimalen Parkinson-Einstellung auszugehen ist und das Risiko für weitere internistische sowie chirurgische Komplika­tionen gering ist, dann ist unter Umständen die Verlegung in eine Rehabilitationsklinik mit neurologischer Expertise sinnvoll.

Fazit

• «Parkinson» ist charakterisiert durch eine Bewegungsarmut/-verlang­samung (Bradykinesie) in Kombination mit einer Tonuserhöhung der Muskulatur (Rigor).
• Oft findet man einen asymmetrischen Ruhetremor, was auf ein «idio­pathisches» Parkinson-Syndrom hindeutet. Das ist die häufigste Form von «Parkinson» und wird auch als eigentlicher Morbus Parkinson bezeichnet.
• Die gebräuchlichste und wirksamste Behandlung erfolgt mittels Levodopa-Präparaten, die im Hirn zu Dopamin umgewandelt werden, was den entsprechenden Mangelzustand ausgleicht.
• Die Medikation ist bei Parkinson-Patient/-innen oft komplex: Achten Sie stets auf die korrekten Einnahmezeitpunkte und vermeiden Sie «falsche» Medikamente.
• Bis auf Quetiapin und Clozapin sowie Domperidon sind alle Dopamin­rezeptor-Blocker verboten bei Parkinson-Patient/-innen!
• Für Situationen, während denen keine orale Medikamentenaufnahme möglich ist, kann auf transdermales Rotigotin oder i.v. Amantadin ausgewichen werden.
Das Manuskript steht bei keiner anderen Zeitschrift unter Review. Es bestehen im Zusammenhang mit diesem Manuskript keine Interessenkonflikte, insbesondere nicht mit einem der genannten Präparate, Verlage oder deren Konkurrenten.
Da diese Arbeit auf bereits publizierter Literatur basiert, waren keine neuen Studien an Mensch oder Tier notwendig.
Dr. med. Daniel Eschle
Leitender Arzt für Neurologie
Kantonsspital Uri
CH-6460 Altdorf UR
daniel.eschle[at]ksuri.ch
oder deschle[at]hotmail.com
 1 Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. An den Leitlinien arbeiten immer auch Vertreter aus der Schweiz mit. Link zur Parkinson-Leitlinie: https://www.dgn.org/leitlinien/3219-030-010-idiopathisches-parkinson-syndrom (accessed 11.04.2019)
 2 Debove I, Lachenmeyer L, Müllner J, Sturzenegger M. Parkinson-Syndrom und Parkinson-Krankheit. Swiss Medical Forum. 2017;17(20):448–55.
 3 Wüllner U, Standop J, Kaut O, Coenen V, Kalenka A, Wappler F. Morbus Parkinson. Perioperatives Management und Anästhesie. Anaesthesist. 2012;61(2):97–105.
 4 Eschle D, Jenni W. Tremor – es ist nicht immer Parkinson! PrimaryCare. 2009;9(6):106–7.
 5 Parkinson J. An essay on the shaking palsy. Reprinted in J Neuropsychiatry Clin Neurosci. 2002;14(2):223–36.
 6 Levin J, Kurz A, Arzberger T, Giese A, Höglinger GU. Differenzial­diagnose und Therapie der atypischen Parkinson-Syndrome. Dtsch Ärztebl. 2016;113(5):61-9.
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 8 Ahlskog JE. Parkinson disease treatment in hospitals and nursing facilities: avoiding pitfalls. Mayo Clin Proc. 2014:89(7):997–1003.
 9 Broussolle E, Marion MH, Pollak P. Continous subcutaneous apomorphine as replacement for levodopa in severe parkinsonian patients after surgery. Lancet. 1992;340(8823):859–60.
10 Alty J, Robson J, Duggan-Carter P, Jamieson S. What to do when people with Parkinson’s disease cannot take their usual oral medications. Pract Neurol. 2016;16(2):122–8.
11 Tomlinson CL, Stowe R, Patel S, Rick C, Gray R, Clarke CE. Systematic review of levodopa dose equivalency reporting in Parkinson’s disease. Mov Disord. 2010;25(15):2649–53.
12 Inouye SK, van Dyck CH, Alessi CA, Balkin S, Siegal AP, Horwitz RI: Clarifying confusion: the confusion assessment method. A new method for detection of delirium. Ann Internal Med. 1990;113(12):941–8.
13 Baumgartner M. Delir im Alter. Swiss Medical Forum. 2016;16(40):832–5.
14 Coeytaux A, Wong K, Grunstein R, Lewis SJ. REM sleep behaviour disorder – more than just a parasomnia. Aust Fam Physician. 2013;42(11):785–8.
15 Torsney KM, Noyce AJ, Doherty KM, Bestwick JP, Dobson R, Lees AJ. Bone health in Parkinson’s disease: a systematic review and meta-analysis. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2014;85(10):1159–66.
16 Rezzonico S, Previsdomini M. Orthostatische Hypotonie – eine Herausforderung für den behandelnden Hausarzt. Swiss Medical Forum. 2014;14(21):418–21.
17 Low V, Ben-Shlomo Y, Coward E, Fletcher S, Walker R, Clarke CE. Measuring the burden and mortality of hospitalisation in Parkinson’s disease: a cross-sectional analysis of the English Hospital Episodes Statistics database 2009–2013. Parkinsonism Relat Disord. 2015;21(5):449–54.
18 Martinez-Ramirez D, Giugni JC, Little CS, Chapman JP, Ahmed B, Monari E, et al. Missing dosages and neuroleptic usage may prolong length of stay in hospitalized Parkinson’s disease patients. PLoS One. 2015:10(4):e0124356.