Ein neuer Ansatz zur Evaluation des Bedside-Teachings
Die bidirektionale spiegelbildliche Befragung der Dozierenden und Studierenden

Ein neuer Ansatz zur Evaluation des Bedside-Teachings

Lehre

Affiliations
Klinischer Dozent Universität Zürich CAS Hochschuldidaktik UZH

Publiziert am 05.02.2020

Sowohl die Lehrleistung als auch die Lernergebniszufriedenheit soll neu nach dem Prinzip der spiegelbildlichen Befragung evaluiert werden. Dieses neuartige bidirektionale Evaluationsverfahren wurde am internistischen Untersuchungskurs am Krankenbett im Universitätsspital Zürich als Pilotprojekt angewendet. Diese Studie korrelierte die Lernergebniszufriedenheit aus Sicht der Studierenden mit der Lehrergebniszufriedenheit aus Sicht der Dozierenden.

Einleitung

Der klinische Einführungskurs Innere Medizin ist eine seit Jahrzehnten etablierte, beliebte und sehr erfolgreiche klinische Lehrveranstaltung, die in der Schweiz bei den Ärztinnen und Ärzten als «Pöpperlikurs» bekannt ist. Der klinische Einführungskurs Innere Medizin findet während des 5. Studiensemesters im Bachelor-Studiengang jeweils an fünf Nachmittagen in Form eines Kleingruppenunterrichts statt. Die dozierende Person vermittelt anamnestische Fähigkeiten und praktische Kompetenzen in internistischer Untersuchungstechnik.
Im Laufe der Jahre wurde der Kurs mehrmals optimiert, in seinem Wesen jedoch unverändert durchgeführt. Das didaktische Potenzial wurde bisher aber noch nicht ausgeschöpft. Die bestehende Evaluation mit Schwerpunkt auf die Lehrleistung der Dozierenden genügte den bisherigen Standards [1, 2].
Studierende, Dozierende und auch Patienten messen den praktischen Untersuchungskursen eine grosse Bedeutung zu [3]. Die praktischen Fähigkeiten können aus Sicht der Studierenden, Dozierenden und Patienten am besten am Patientenbett gelehrt werden [4]. Die Dozierenden stellen sich der grossen Aufgabe und erfüllen hohe Leistungsstandards. Damit Dozierende ihr Lehrverhalten verbessern, müssen sie von der Existenz von etwaigen Problemen überzeugt sein. Dies erfolgt am besten durch Reflexion [5, 6]. Befragungen von Studierenden zur Evaluation von Lehrleistungen werden heute häufig durchgeführt. Viele Universitäten und Schulen haben eigene Fragebögen kreiert, die einen ­integralen Bestandteil des edukativen Prozesses darstellen. Es ist aber schwierig, die Effektivität der Dozierenden zu messen, weil diese nicht unbedingt mit den vermittelten Lehrinhalten übereinstimmt [7]. Es ist bekannt, dass die Reflexion über die eigene Lehrkompetenz die Wahrnehmung über die eigene Lehrleistung von Dozierenden stimulieren kann [8]. Die Kombination von Selbsteinschätzung der Dozierenden und der Bewertung der Lehrleistung seitens der Studierenden wird von Dozierenden als besonders effektiv bewertet. Es scheint, dass Diskrepanzen zwischen der Selbst­einschätzung der Dozierenden und dem Feedback der Studierenden ein grosser Anreiz für Veränderungen darstellen. Deshalb scheint die Kombination von Selbsteinschätzung und Feedback für die ­Verbesserung der klinischen Lehre vielversprechend zu sein [9]. Mit quantitativen Messmethoden können nicht nur die Lehrleistungen der Dozierenden, sondern auch die praktischen Fähigkeiten der Studierenden mittels Selbsteinschätzung und externer Beurteilung durch Dozierende evaluiert werden. Dazu werden die gleichen Kategorien zur Befragung der Studierenden und Dozierenden verwendet [10]. Auch diese ­Kombination der Selbst- und Fremdeinschätzung der praktischen ­Fähigkeiten der Studierenden ist eine anerkannte Evaluationsmethode [11, 12]. Die einseitige Befragung der Studierenden über die Performance der Dozierenden ist manchmal zu wenig ergebnisbasiert und wird durch persönliche lehrveranstaltungsunabhängige Interessen beeinflusst. Sie thematisiert zudem den Erkenntnisgewinn nicht, worum es im Grunde genommen bei jeder Evaluation einer Lehrveranstaltung geht.
Für diese Studie wurden neu die Begriffe Lernergebniszufriedenheit aus Sicht der Studierenden und Lehr­ergebniszufriedenheit aus Sicht der Dozierenden kreiert. Die Lern- und Lehrergebniszufriedenheit könnte bei der Evaluation des klinischen Einführungskurses ­Innere Medizin im Bachelorstudium eine zentrale Rolle spielen. Die Lern- respektive Lehrergebniszufriedenheit ist ein Bauchgefühl nach jedem Lehr- und Lernprozess, dass den erwarteten und realisierten ­Erkenntnisgewinn bilanziert. Sie würdigt zudem alle Bemühungen der Dozierenden und Studierenden und relativiert das Resultat. Wenn sie unvoreingenommen und zielorientiert kommuniziert wird, kann die Tragweite der Konsequenzen, die aus ihr gezogen werden, sehr eindrucksvoll sein. In dieser Studie wurde auch der Begriff Lehrleistung verwendet. Er gibt gewisser­massen die Performance oder anders ausgedrückt das Ergebnisniveau der Lehrbemühungen wieder. Sowohl die Lern- und Lehrergebniszufriedenheit als auch die Lehrleistung wurde in dieser Studie spiegelbildlich erhoben. Dabei wurden alle Bewertungskriterien inhaltlich wortwörtlich, gleichsinnig, perspektivisch, jedoch entgegengesetzt aus Sicht der Dozierenden und Studierenden formuliert. Diese Art der spiegelbildlichen ­Befragung ermöglicht einen direkten Vergleich der ­Reflexion der Lehrpersonen und der Lernenden in globo und im Einzelfall. Eine grosse Kongruenz erlaubt Rückschlüsse auf die Validität der evaluierten Kriterien. Unterschiede verlangen eine Erklärung oder regen didaktische Verbesserungen an. Der Effekt der ­vorgenommenen Anpassungen kann auf die gleiche Weise reevaluiert werden (s. Online-Grafik).

Fragestellungen der Pilotstudie

1 Wie gut korreliert die Lernergebniszufriedenheit der Studierenden mit der Lehrergebniszufriedenheit der Dozierenden?
2 Wie gut korreliert die Beurteilung der Lehrleistung der Dozierenden aus Sicht der Studierenden mit der Selbsteinschätzung der Lehrleistung der Dozierenden? 


Methodik

89 Studierende und 15 Dozierende wurden von der evaluationsverantwortlichen Person nach dem letzten Kurs zusammengeführt. Die Dozierenden wurden von den Studierenden getrennt befragt. Die Studierenden und Dozierenden trugen ihren Namen auf den Fragebogen ein. Sie haben eine Einverständniserklärung unterschrieben, dass die Antworten in anonymisierter Form für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden dürfen. Nur die studienverantwortliche Person hat Zugriff auf die Rohdaten. Der validierte Fragebogen für Studierende zur Evaluation der Dozierendenleistung wird bereits im Universitätsspital Göttingen verwendet [13].
Folgende Kriterien der Lehrleistung wurden erfragt: Respekt, Kommunikation von Zielen, Kommentar zu Beiträgen der Studierenden, Beantwortung von Fragen, Zeitrahmen, Verständlichkeit, Feedback, Erklärung klinischer Befunde und Zusammenhänge, ­Förderung der Untersuchungstechniken, Prüfung praktischer Fähigkeiten, Gelegenheit für Übungen, ­Anwendung von theoretischem Wissen, Motivation, stufengerechte Lerninhalte und Lernumfang, Struktur, ausgeglichenes Teaching und Übung, Berücksichtigung von Lernzielen (s. Online-Appendix Anhang 1 und 2).
Die Fragen zur Anamnese und Untersuchung wurden neu formuliert und waren nicht validiert. Es wurde aber auf eine möglichst einfache und eindeutige Wortwahl der einzelnen Merkmale geachtet, um Missverständnisse zu vermeiden. Folgende Kriterien der Lern- und Lehrergebniszufriedenheit wurden beurteilt: Anamnesestruktur, Gesprächsklima, Zeitpunkt für offene und geschlossene Fragen, ruhige innere Haltung, Oberarm-Blutdruckmessung, Herztöne und Herzgeräusche, Zwerchfellniveau, Atemgeräusche, Leber- und Milz­grösse und Nierenlogenklopfdolenz, Loslass-Schmerz, Défense, Darmgeräusche, Pulsstatus, Lymphknoten­stationen, Hautfarbe und Hautturgor, Ödeme, Muskel­eigenreflexe (s. Online-Appendix Anhang 3 und 4).
Die Fragen wurden auf einer nicht nummerierten ­linearen VAS-Skala von «minimal» bis «maximal» mit einem Strich markiert. Die Markierungen wurden von Hand mit einem Lineal millimetergenau ausgemessen und auf eine Excel-Tabelle mit Zahlen von 0 bis 100 übertragen. Die Kriterien zur Anamnesekompetenz und zur Untersuchungsfertigkeit (s. Online-Appendix Tab. 3 und 4) wurden sowohl einzeln als auch deren Durchschnittswert ausgewertet. Die Statistik wurde mit dem Programm SPSS 24 durchgeführt. Die Variablen wurden nach Kolmogorov-Smirnov auf die Normalverteilung untersucht. Die Signifikanzanalysen ­erfolgten mit dem T-Test. Die Korrelationsanalysen wurden nach Spearman durchgeführt.

Resultate

Teilgenommen haben 89 Studierende (42% aller ­Kursteilnehmenden am Universitätsspital Zürich) von 16 Studierendengruppen im 5. Semester des ­Bachelor-Studiengangs, wovon 39 (43,8%) Frauen waren. 15 Dozierende nahmen teil. Ein Dozent betreute zwei Gruppen.

Vergleichsanalysen

Die Dozierenden schätzten die Anamnesekompetenz der Studierenden tendenziell besser ein als die Studierenden selber (s. Online-Appendix Tab. 1). Ein ähn­liches Bild zeigte sich bei der praktischen Unter­suchungsfähigkeit. Die überwiegende Mehrheit der Kriterien wurden von den Dozierenden höher bewertet (s. Online-Appendix Tab. 2). Die Beurteilung der Lehrleistung der Dozierenden aus Sicht der Studierenden und der Dozierenden stimmte bei 12 von 18 ­Kriterien überein. Bei diskrepanten Kriterien überschätzten sich die Dozierenden (s. Online-Appendix Tab. 3). Bei der Einschätzung der vermittelten Lehr­philosophie traten grosse Unterschiede auf. Die Dozierenden konnten ihren Studierenden die Bedeutung der ­affektiven, kognitiven und psychomotorischen Lernziele nicht im gewünschten Masse vermitteln (s. Online-Appendix Tab. 4).

Korrelationsanalysen

Je besser die Lehrleistung der dozierenden Person durch die Studierenden global beurteilt worden war, desto besser war die Ergebniszufriedenheit in Bezug auf die praktische Untersuchungskompetenz der Studierenden (r = 0,625). Eine Korrelation der Lehrleistung der Dozierenden mit der Lernergebniszufriedenheit der Studierenden betreffend der Anamnesefähigkeit fand sich nicht. Ebenso fand sich keine Korrelation ­zwischen der Selbsteinschätzung der globalen Lehrleistung der Dozierenden mit der Lernergebniszufriedenheit der Studierenden betreffend praktischer Untersuchungskompetenz (r = 0,124) und Anamnesekompetenz (r = 0,011). Die selbstkritische Beurteilung der eigenen Performance der Dozierenden liess keine Aussage über die Ergebniszufriedenheit der Studierenden zu.

Diskussion

Lehrinstitutionen verwenden unterschiedliche Evaluationsfragebögen, die inhaltlich in Grundsätzen übereinstimmen. Trotzdem ist ein Erfahrungsaustausch der klinischen Unterrichtseffektivität verschiedener Lehrinstitutionen nur bedingt möglich und für ­konkrete Fragestellungen eingeschränkt geeignet. Die Schwierigkeiten der Lehrevaluation werden seit Jahren diskutiert. Empfehlungen zur Erstellung von aussagekräftigen Fragebögen wurden publiziert [14]. Die bi­direktionale Befragung der Dozierenden und Studierenden über die Performance der Dozierenden ist nicht neu. Neu hingegen ist die wortwörtliche Spiegelung von präzise formulierten Evaluationskriterien aus Sicht der Studierenden und Dozierenden in Bezug auf die Lehrleistung und die Lehr- und Lernergebnis­zufriedenheit. Neu ist auch der Vergleich der Lehr­leistung mit der Lernergebniszufriedenheit. Eine hohe Selbsteinschätzung der eigenen Lehrleistung der Dozierenden für sich allein nützt nichts, wenn das Lehrresultat im Sinne der Lernergebniszufriedenheit nicht befriedigend ist.
Bei der bidirektionalen spiegelbildlichen Befragung war die Übereinstimmung der Selbsteinschätzung der Lehrleistung der Dozierenden mit der Einschätzung der Lehrleistung der Dozierenden aus Sicht der Studierenden mehrheitlich gegeben. Die diskrepanten Kriterien waren zwar statistisch signifikant, deren didaktische Relevanz muss von Fall zu Fall in der Gruppe mit den Dozierenden besprochen werden. Weil die Mehrheit der Kriterien kongruent beurteilt wurden, liefert die spiegelbildliche Befragung glaubhafte Resultate zur Qualität der Lehrleistung. Kritische Stimmen
könnten behaupten, dass die Dozierenden wegen der hohen Selbsteinschätzung von durchschnittlich 79% relativ unkritisch eine hohe Meinung über die eigene Lehrperformance haben. Diesem Argument widerspricht jedoch das noch höhere Rating von 84% der Lehrperformance der Dozierenden durch die Studierenden. Wenig entgegensetzen kann man jedoch der Vermutung, dass das uniform (geringe Standardabweichung) hohe Rating der Studierenden durch nicht-­lehrbezogene Gründe stark beeinflusst wurde. Das ist jedoch ein grundsätzliches und bekanntes Problem ­jedes vertikalen Ratings.
Analysiert man die Ergebnisse der Befragung über die körperliche Untersuchungsfertigkeit aus Sicht der Dozierenden und Studierenden, stellt man ernüchternd fest, dass die Übereinstimmung der Zufriedenheit oft nicht gegeben war. Man erwartet eine bessere Übereinstimmung von beobachtbaren Kriterien, wie der körperlichen Untersuchung. Offenbar divergiert trotzdem die Interpretation der erhobenen klinischen Befunde durch die Dozierenden und Studierenden. Eine Ab­gleichung der Befunddeutung durch Dozierende und Studierende ist gefordert. Häufiges Verwenden von Analogismen, vordefinierten klaren Begriffserklärungen und vergleichende Veranschaulichungen würden die Interpretation von Befunden durch Studierende und Dozierende annähern.
Die Unterschiede in der Lehr- und Lernergebniszufriedenheit der anamnestischen und praktischen Unter­suchungsfertigkeiten aus Sicht der Dozierenden und Studierenden wirft viele Fragen auf. Antworten könnte die spiegelbildliche Befragung der Lehrleistung der Dozierenden geben. Betrachtet man nämlich die einzelnen Kriterien, stellt man fest, dass die Dozierenden unterschiedlich viel Zeit für die praktischen Übungen investierten.
Problematisch könnte zudem sein, dass die Studierenden die Lehrinhalte als weniger stufengerecht erachteten und diese aus Sicht der Studierenden nicht in ­jedem Punkt mit den Kurszielen übereinstimmten. Als weitere mögliche Ursache der statistisch signifikant unterschiedlichen Ergebniszufriedenheit der Dozierenden und Studierenden könnte aus Sicht der Studierenden die signifikant geringere Feedbackkultur der Dozierenden sein. Positives Feedback vermeidet übervorsichtige und zurückhaltende Selbsteinschätzung der Ergebniszufriedenheit durch Studierende.
Die Lehrergebniszufriedenheit der verschiedenen Dozierenden untereinander über die Anamnesefähigkeit und über die praktische Untersuchungsfertigkeit war signifikant unterschiedlich. Sehr wahrscheinlich waren wegen unterschiedlicher Anspruchshaltung der Dozierenden die vermittelten Lehrinhalte nicht in jeder Gruppe mit den Zielvorgaben kongruent. Die individuellen lehrpersonenbezogenen Ergebnisse wurden den dozierenden Personen für Vergleichszwecke mit anonymisierten Kollektivdaten auf Verlangen zugestellt. Diese Daten sind nicht publiziert.
Welchen Nutzen hat die spiegelbildliche Befragung der Lehr- und Lernergebniszufriedenheit? Weil eine hohe Kongruenz der Lehr- und Lernergebniszufriedenheit das eigentliche Ziel jeder Ausbildung widerspiegelt, haben sich alle didaktischen Massnahmen und die Lehrleistung jeder dozierenden Person daran zu messen. Jede dozierende Person sollte zudem die Lernergebniszu­friedenheit seiner Gruppe erfahren und diese mit dem Kollektiv in anonymisierter Form vergleichen können.
Welchen Nutzen hat die spiegelbildliche Befragung der Lehrleistung der Dozierenden? Die spiegelbildliche Befragung der Lehrleistung der Ausbildner aus Sicht der Dozierenden und der Studierenden gibt Auskunft über die Validität der Resultate im Kollektiv. Individuelle Diskrepanzen bieten Anlass zur Selbstreflexion und fördern den Dialog zwischen Studierenden und Dozierenden.
Welche Erkenntnisse liefert ein Vergleich der Lehrleistung mit der Lernergebniszufriedenheit? Der Vergleich der Lehrleistung mit der Lernergebniszufriedenheit liefert retrospektiv mögliche Erklärungen für diskrepante oder unbefriedigende Beurteilungen der Lehr- und Lernergebniszufriedenheit. In prospektiver Hinsicht könnte der Effekt von didaktischen Änderungen oder Anpassungen im Lehrstoff untersucht werden.
Eine weitere wichtige Erkenntnis dieser Pilotstudie ­betrifft die lehrphilosophische Intention der Dozierenden. Die Dozierenden haben in globo jeder Lehrphilosophie eine hohe Bedeutung beigemessen. Im ­Gegensatz dazu scheinen die Studierenden die hohe lehrphilosophische Gewichtung der Dozierenden nicht deutlich genug wahrgenommen zu haben. Es darf angenommen werden, dass die meisten Studierenden auf Bachelor-Stufe noch nicht routiniert auf ­affektive, kognitive und psychomotorische Lehrinhalte achten können. Als Lösungsvorschlag bietet sich an, bereits zu Beginn des klinischen Einführungskurses die verschiedenen lehrphilosophischen Lernziele zu thematisieren. Missverständnisse könnten so möglicherweise vermieden werden.

Quintessenz

Die bidirektionale spiegelbildliche Befragung der Dozierenden und Studierenden über die Lehrleistung, die Lehr- und Lernergebniszufriedenheit erhöht im Falle einer Übereinstimmung die Akzeptanz der Resultate. Sie verdeutlicht subtile Unterschiede zwischen der Meinung der Dozierenden und Studierenden. Sie ermöglicht die Überprüfung der realisierten Lernziele sowohl im Kollektiv der Dozierenden als auch im Einzelfall, weil jede Lehrperson anonymisiert ihre Performance-Daten mit dem Kollektiv der Dozierenden vergleichen kann. Die Dozierenden können individuell Verbesserungen in der eigenen Lehre vornehmen. Die Kursleitung ihrerseits kann didaktische Elemente verlangen oder neue Schwerpunkte im Lernzielkatalog setzen. Die spiegelbildliche Befragung vermag Fehl­einschätzungen der dozierenden Person über die ­eigene Lehrleistung aufzudecken. Sie setzt Einbildung, Wunschdenken und Wirkung der dozierenden Person im Endergebnis in Beziehung. Die Effekte von Optimierungsmassnahmen können sowohl auf Stufe Kursleitung als auch auf individueller Basis dokumentiert werden. Auch wenn diese Form der Kursevaluation ­einen gewissen kompetitiven Charakter aufweist, ­sollten die Ergebnisse nicht sanktionierend für ­Dozierende verwendet werden. Sie sollte vielmehr die Dozierenden anspornen, ihre individuelle Performance zu verbessern. Die strukturierte gespiegelte Evaluation der Lehrleistung der Dozierenden und der Lehr- und Lernergebniszufriedenheit bietet eine Standortbestimmung und könnte die Prüfungsresultate verbessern, weil die Studierenden beispielsweise direkten Einfluss auf Verständlichkeit der Lehrinhalte und die Art der Vermittlung nehmen können. Das Prinzip der spiegelbildlichen Evaluation lässt sich auch bei klinischen Kursen anderer medizinischer Fachdisziplinen anwenden. Hierfür kann der validierte Fragebogen des Universitätsspitals Göttingen als Basis für die spiegelbildliche Befragung der Lehrleistung der Dozierenden verwendet werden und mit fachspezifischen Kriterien zur Befragung der Lehr- und Lernergebniszufriedenheit ergänzt werden. Ein Erfahrungsaustausch der Lehrinstitutionen wäre spannend.
Datenanalyse
Der T-Test fand Verwendung bei der Analyse der parametrischen Variablen. Der Kruskal-Wallis Test wurde bei der Analyse der nicht verbundenen Variablen verwendet. Die Korrelationsanalysen wurden nach Pearson und Spearman durchgeführt.
Ethik
Die Studierenden und Dozierenden haben sich schriftlich einverstanden erklärt, dass die Resultate der Umfrage für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden dürfen. Eine Stellungnahme vor Durchführung dieser Kursevaluation durch eine Ethikkommission fand nicht statt.
Stärken
Es wird ein in die deutsche Sprache übersetzter, englischsprachig validierter Fragebogen zur Evaluation der Lehrleistung der Dozierenden verwendet. Die Akzeptanz der Umfrage war sehr hoch, weil nur die evaluationsverantwortliche Person Einsicht in die Rohdaten hat und weil die Resultate der Umfrage weder für Studierende noch für Dozierende sanktionierend sind. Jede ­dozierende Person bekam auf Wunsch die persönlichen Um­frageresultate zugestellt, die sie mit dem Kollektiv vergleichen konnte.
Schwächen
Der zeitliche Aufwand für die Auswertung der Umfrageergebnisse war sehr gross. Eine Digitalisierung würde Abhilfe leisten. Eine Stellungnahme der Ethikkommission fehlt. Weil keine prospektive didaktische Intervention mit Kontrollen vorgesehen war, darf ein direkter Zusammenhang zwischen der Lehrleistung der dozierenden Person und der Lernergebniszufriedenheit nur postuliert werden und zur Argumentation nicht als beweisend angenommen werden.
Limitationen
Der in dieser Studie verwendete Fragebogen für die Lehr- und Lernergebniszufriedenheit ist nur für den internistischen und ­allenfalls auch allgemein-chirurgischen Einführungskurs verwendbar. Jede Fachdiszi­plin muss deshalb eigene Kriterien definieren, mit der die Lehr- und Lernergebniszufriedenheit ­untersucht werden kann. Nur der Fragebogen über die Lehrleistung der Dozierenden aus Sicht der Studierenden ist validiert.
Förderung
Es fand keine Förderung durch Drittmittel statt.
Es wird Dr. med. Lorenzo Käser, Leitender Koordinator Medical Education, Ressort Lehre, der Medizinischen Fakultät des Universitäts­spitals Zürich verdankt. Dr. Lorenzo Käser hat den Inhalt des Frage­bogens überprüft. Seine langjährige organisatorische Erfahrung hat die erfolgreiche Planung und reibungslose Durchführung dieser ­Pilotevaluation ermöglicht.
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Dr. med. et scient. med. Vladimir Sibalic
Parkstrasse 16
CH-9000 St. Gallen
vladimir.sibalic[at]gmx.ch
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