Neue Leitlinien für die Qualität in der medizinischen Versorgung
Was sind die Konsequenzen für die Praxistätigkeit?

Neue Leitlinien für die Qualität in der medizinischen Versorgung

Aktuelles
Ausgabe
2020/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2020.10217
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2020;20(03):87-88

Affiliations
Kommunikationsbeauftragte mfe, Haus- und Kinderärzte Schweiz

Publiziert am 04.03.2020

Im Rahmen des Ärztekongresses Quadrimed im Walliser Skisportort Crans-­Montana hatte mfe die Gelegenheit, eine Gesprächsrunde zu standespolitischen Themen zu veranstalten. Im Mittelpunkt dabei stand, wie sich die auf die Stärkung der Qualität in der medizinischen Versorgung abzielende Revision des KVG – ein aktuelles, heikles und sensibles Thema – auf die Arztpraxis auswirken würde. Die angeregte Diskussion, die im Anschluss geführt wurde, verdeutlichte die Notwendigkeit, dass wir unsere Mitglieder über die Themen, die derzeit im Hinblick auf die Qualität der medizinischen Versorgung wichtig sind, besser informieren und sie einbinden müssen.

Revision des KVG: Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit

Was sind die wichtigsten Aspekte der Revision? Carlo Tschudi, Leiter der Sektion Qualität und Prozesse des Bundesamts für Gesundheit (BAG), gab einen Überblick über die im Juni 2019 von den Kammern verabschiedete Vorlage zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit (Art. 58 des KVG). Die Revision tritt im Januar 2021 in Kraft und verfolgt diese Ziele:
– Sicherung und Verbesserung der erbrachten Leistungen;
– Nachhaltige Förderung der Patientensicherheit;
– Dämpfung des Kostenanstiegs in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.
Um die Ziele zu erreichen, setzt der Bundesrat eine Eidgenössische Qualitätskommission ein. Darin sind die Kantone, die Leistungserbringer, die Versicherer, die Versicherten, die Patientenorganisationen sowie Fachleute vertreten. Ihr Auftrag lautet, die verschiedenen Akteure im Bereich der Qualitätsentwicklung zu beraten, Qualitätsindikatoren zu entwickeln (durch Beauftragung Dritter) und nationale Qualitätsentwicklungsprogramme zur Steigerung der Patientensicherheit durchzuführen. Für ihre Arbeit werden der Kommission im Zeitraum 2021 bis 2024 45,2 Millionen Franken zur Verfügung gestellt.
Welche Rolle obliegt den Akteuren des Gesundheitssystems? Ein Jahr nach dem Inkrafttreten im Jahr 2021 müssen die Verbände der Leistungserbringer, darunter Ärzteschaft und Versicherer, gesamtschweizerisch ­geltende Verträge über die Qualitätsentwicklung einreichen. Sie müssen dem Bundesrat zur Genehmigung vorgelegt werden. Diese Verträge wirken sich also ­direkt auf die Tätigkeit der Ärzteschaft aus.

Für Qualitätsleitlinien im Einklang mit der Praxisrealität

Die von Brigitte Zirbs Savigny, Vize-Präsidentin von mfe, moderierte Gesprächsrunde war zunächst von einer emotionalen Atmosphäre geprägt. Die Ärztinnen und Ärzte im Publikum äusserten ihre Befürchtungen, etwa im Hinblick auf die Zunahme der Verwaltungsaufgaben und die Entwicklung von Qualitätsindikatoren, die nicht an die Realität in der Praxis angepasst sind. Da sie seit jeher das Hauptaugenmerk auf die hohe Qualität ihrer ­Arbeit legen, brachten sie ihre Frustration über die mangelnde Anerkennung ihres diesbezüglichen Einsatzes zum Ausdruck. An der Gesprächsrunde nahmen teil: Nicolas Kirchner, nieder­gelassener Arzt, Vertreter von mfe Wallis, Anne-Geneviève Bütikofer, Direktorin von «H+ Die Spitäler der Schweiz», Marie-Paule Fauchère, Präsidentin des Verbands Medizinischer Praxis-Fachpersonen in der Romandie (ARAM), Sophie Ley, Präsidentin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflege­fachmänner (SBK), Esther Kraft, Leiterin der Abteilung Daten, Demographie und Qualität der FMH, sowie Carlo Tschudi, Leiter der Sektion Qualität und Prozesse des BAG.
Brigitte Zirbs Savigny, Vizepräsidentin mfe, moderiert die Diskussionsrunde.
Die Teilnehmenden an der Gesprächsrunde bemühten sich, die Anwesenden zu beruhigen, indem sie manche Vorstellung klarstellten und erklärten, dass die Gesundheitsorganisationen, die sie vertreten, am Prozess beteiligt seien und sich für die konstruktive und kohärente Umsetzung des Gesetzes einsetzten. Ihr Ziel laute mit Sicherheit nicht, «das Rad neu zu erfinden», ­sondern all das sichtbar zu machen, was in der Medizin bereits zur Qualitätssicherung unternommen wird. Sie beabsichtigen, sich an der Eidgenössischen Qualitätskommission zu beteiligen, und würden sich dafür ­einsetzen, dass bestehende und praxisgeeignete Qualitätsinstrumente hervorgehoben werden.
Die Diskussion verdeutlichte, dass sich die Ärztinnen und Ärzte bereits heute täglich auf freiwilliger Basis für die Qualität engagieren. So hat die Schweizerische Akademie für Qualität in der Medizin (SAQM) jüngst ein Pilotprojekt gestartet, bei dem die FMH, mfe, die SGAIM, die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) und die Versicherer zusammen ein für die Arztpraxis geeignetes Qualitätskonzept entwickeln. Gemeinsam geht es darum, für die Patientinnen und Patienten sinnvolle Qualitätsmassnahmen festzulegen, welche die im neuen Gesetz formulierten Anforderungen erfüllen. Aus der Diskussion ging hervor, dass eine echte Qualitätskultur anstelle einer Fehlerkultur geschaffen werden muss, und zwar auf der Grundlage eines «Bottom-up-Ansatzes» unter Ein­bezug der Basis. Es wurde ersichtlich, dass die Sicherheitskultur und ihre Vermittlung Vorrang vor all­fälligen Sanktionen haben sollten. Ein eindeutiges Ziel lautet, jene Projekte und Programme, die bereits laufen, hervorzuheben. Bisher wurde der Einsatz der Gesundheitsfachpersonen und -einrichtungen für die Qualität nicht ausreichend kommuniziert, darum muss man die Politik, die Versicherer und die Bevöl­kerung darüber informieren. Angesichts des Miss­trauens des Publikums gegenüber den Versicherern waren sich die Teilnehmenden schliesslich einig: Die Qualität ist in der Tat ein Anliegen, bei dem alle Beteiligten Hand in Hand zusammenarbeiten.
Intensive Diskussionen am politischen Roundtable.

Aufruf zur Mitteilung bestehender ­Qualitätsprojekte

Im Rahmen der Qualitätsverträge zwischen Ärzteschaft und Versicherern kommt der FMH eine koordinierende Rolle zu, sie soll für alle Ärztinnen und Ärzte Projekte und Programme vorschlagen. Die Hausärztinnen und -ärzte sind daher aufgerufen, vor allem via mfe, bereits bestehende Erfahrungen, Projekte und Programme mitzuteilen, damit sie in die Qualitätsverträge einbezogen werden können.
Am Ende der Gesprächsrunde äusserte sich Brigitte Zirbs Savigny beruhigend und erinnerte daran, dass es die Aufgabe von mfe als Verband sei, den Gesetz­gebungsprozess und die Umsetzung zu begleiten und dabei eng mit den Entscheidungsträgern und allen Partnern zusammenzuarbeiten, so dass die künftigen Qualitätsleitlinien für die in der Arztpraxis tätigen Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte geeignet sind. Im Übrigen hat mfe in Zusammenarbeit mit der SGAIM und der SGP eine Qualitätsdelegation ins Leben gerufen, deren Aufgabe es ist, den Einsatz der Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte für die Qualität auf politischer Ebene zu vertreten.
Sandra Hügli-Jost
Kommunikations­beauftragte
mfe Haus- und
Kinderärzte Schweiz
Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.Huegli[at]hausaerzteschweiz.ch