Forschungspreis und Early Career Prize KHM 2020
Die Sieger stehen fest!

Forschungspreis und Early Career Prize KHM 2020

Aktuelles
Ausgabe
2020/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2020.10222
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2020;20(04):126-127

Affiliations
Leiter Kommunikation KHM

Publiziert am 31.03.2020

Auch im 2020 hat das Kollegium für Hausarztmedizin wiederum zwei herausragende Forschungsarbeiten in der medizinischen Grundversorgung mit dem Forschungspreis bzw. «Early Career Prize» prämiert.

Auch im 2020 hat das Kollegium für Hausarztmedizin wiederum zwei herausragende Forschungsarbeiten in der medizinischen Grundversorgung mit dem Forschungspreis bzw. «Early Career Prize» prämiert. Mit diesen beiden Preisen will das KHM die Forschung in der Hausarztmedizin weiterhin gezielt fördern bzw. sowohl ideell wie auch finanziell unterstützen.
Insbesondere soll der im 2019 eingeführte «Early Career Prize» den akademischen Nachwuchs dazu bewegen, sich aktiv in die Forschung in der medizinischen Grundversorgung einzubringen. Konkret richtet sich der Preis (CHF 5000.–) an junge und zukünftige Hausärztinnen und Hausärzte, die ihr Staatsexamen vor maximal sechs Jahren abgeschlossen haben. Eingereicht werden können entweder ein fertiger Artikel oder auch ein Forschungsprotokoll (Sprache bei beiden zwingend Englisch), die dann nach drei Kriterien beurteilt werden: Idee, Entwicklung/Methode sowie Potenzial, später eine Forschungsarbeit zu werden.
Alle eingereichten Forschungsarbeiten werden der Jury des Forschungspreises KHM vorgelegt, die diese eingehend studiert, diskutiert und dann schliesslich die Gewinner auserwählt. Die Jury setzt sich aus den folgenden neun Mitgliedern zusammen, die in einem der Hausarzt-Institute tätig sind und/oder eine eigenständige Haus- bzw. Kinderarztpraxis besitzen:
– Prof. Dr. med. Domhnall MacAuley, University of Ulster, Nordirland (Vorsitz)
– Dr. med. Markus Gnädinger, eigene Praxis, Steinach SG
– Prof. Dr. med. Dagmar Haller-Hester, Unité des internistes généralistes et pédiatres, Genf
– PD Dr. med. Noëlle Junod Perron, Institut de médecine de premier recours, Genf, und Centre medical de Lancy
– Dr. med. et phil. Stefan Essig, Institut für Hausarztmedizin und Community Care, Luzern
– Prof. Dr. med. Stefan Neuner-Jehle, Institut für Hausarztmedizin, Zürich
– Dr. med. Tiziana Strässle, Universitäres Zentrum für Hausarztmedizin, Basel
– Prof. Dr. med. Sven Streit, Institut für Hausarzt­medizin, Bern
– Dr. med. Jan Teller, eigene Praxis, Langnau im Emmental
Nachfolgend ein kurzes Portrait der beiden Gewinnerarbeiten.

Gewinner Forschungspreis KHM 2020

Titel der Arbeit: «Active surveillance of antibiotic resistance patterns in urinary tract infections in primary care in Switzerland» von Andreas Plate et al.
Abstract
Hintergrund: Harnwegsinfektionen gehören zu den häufigsten Gründen für Antibiotikaverschreibungen in der ambulanten Medizin. Eine empirische Therapie erfolgt i.d.R. ausgehend von den bekannten Resistenzdaten der häufigsten ­Uropathogene. In der Schweiz werden die Resistenzdaten durch eine passive ­Surveillance erhoben und durch das Schweizerische Zentrum für Antibiotika­resistenzen (ANRESIS) zur Verfügung gestellt. Da in den meisten Fällen von unkomplizierten Infektionen jedoch keine mikrobiologische Diagnostik erfolgt, werden die Resistenzraten durch die passive Surveillance im ambulanten Setting eher überschätzt. Das Ziel dieser Studie ist es daher gewesen, aktuelle Resistenzdaten bei Patientinnen und Patienten mit einer akuten Harnwegsinfektion zu erheben.
Methoden: Von Juni 2017 bis August 2018 wurde eine Prävalenzstudie in ins­gesamt 163 Arzt-Praxen durchgeführt. Bei allen Patientinnen und Patienten mit einer akuten Harnwegsinfektion (Zystitis) erfolgte eine mikrobiologische Analyse des Urins und es wurden die Resistenzmuster der kultivierten Uropathogene bestimmt. Zudem erfolgte eine Analyse auf Risikofaktoren für eine antimikrobielle Resistenz. Die erhobenen Resistenzdaten wurden mit den offiziell von ANRESIS publizierten Resistenzdaten für das Jahr 2018 verglichen. Minderjährige, Schwangere und Patientinnen und Patienten mit einer Pyelonephritis wurden aus der Studie ausgeschlossen.
Resultate: Es wurden insgesamt 1352 Patientinnen und Patienten (durchschnittliches Alter 53,8 Jahre, 94,9% weiblich) in die Studie eingeschlossen. 1210 Fälle (89.5%) wurden als unkomplizierte Harnwegsinfektionen beurteilt. E. coli war das häufigste nachgewiesene Bakterium (74,6%). Die Empfindlichkeitsraten von E. coli gegenüber Ciprofloxacin (88,9%) und Trimethoprim-sulfamethoxazol (TMP/SMX) (85,7%) waren signifikant höher als bei ANRESIS (Ciprofloxacin 83,3%, TMP/SMX: 77,5%. P<0,001). Es zeigten sich sehr hohe Empfindlichkeitsraten von E. coli gegenüber Nitrofurantoin (99,5%) und Fosfomycin (99,4%). Zunehmendes Alter, eine vorgängige antibiotische Therapie sowie eine kürzlich Reiseanamnese waren unabhängig mit einem erhöhten Risiko einer Antibiotikaresistenz assoziiert.
Diskussion: In dieser Studie berichten wir aktuelle Resistenzdaten von Uropathogenen aus der Schweizer Grundversorgung. Die Empfindlichkeitsraten von E. coli gegenüber TMP/SMX sind signifikant höher als von ANRESIS rapportiert. TMP/SMX ist daher eine adäquate Wahl für die empirische antibiotische Therapie einer Harnwegsinfektion.

Gewinner «Early Career Prize» KHM 2020

Titel der Arbeit: «Nurse Practitioners in Swiss family practices as potentially autonomous providers of home visits: an exploratory study» von Stefan Gysin et al.
Abstract
Hintergrund: In der Schweizer Grundversorgung hat die Anzahl der Hausbesuche durch Hausärztinnen und Hausärzte in den letzten Jahren stark abgenommen, obwohl Patientinnen und Patienen solange wie möglich zu Hause betreut werden möchten. In vielen englischsprachigen und nordischen Ländern führen sog. Nurse Practitioner (NP), d.h. Pflegefachpersonen mit Masterabschluss und erweiterten klinischen Kompetenzen, selbstständig qualitativ hochwertige Hausbesuche durch. In der Schweiz ist die NP Rolle neu und es gibt derzeit nur eine Handvoll laufender Pilotprojekte in Hausarztpraxen. Es fehlen Studien und die systematische Datenerfassung gestaltet sich schwierig, da NPs als neue Berufsgruppe (noch) nicht in Abrechnungs- oder Versicherungsdaten identifiziert werden könnten. Ziel dieser Studie war es, die Häufigkeit von Hausbesuchen durch NPs in Schweizer Hausarztpraxen zu untersuchen und ihre Selbstständigkeit während den Konsultationen zu bestimmen.
Methoden: Es wurden Konsultationsdaten aus zwei Pilotpraktiken in ländlichen Gebieten verwendet. In der «Praxis A» befand sich die NP in postgradueller, klinischer Weiterbildung und die Daten wurden zwischen August 2017 und 2018 elektronisch erfasst. In der «Praxis B» hatte die NP ihre postgraduelle Ausbildung abgeschlossen und bereits zwei Jahre als NP gearbeitet, als die Daten zwischen April und Juni 2018 manuell gesammelt wurden. Um die Konsultationen bzw. Hausbesuche der NPs zu identifizieren und ihre ­Selbstständigkeit zu bestimmen, wurde ein Kodierungssystem benutzt, welches auf fünf hausärzt­lichen Supervisionsstufen basierte.
Resultate: Insgesamt wurden 1375 Konsultationen untersucht. Der Anteil der Hausbesuche an allen NP-Konsultationen betrug 17% in der «Praxis A» und 51% in der «Praxis B». Beide NPs hatten bei Hausbesuchen einen höheren Anteil an selbstständig durchgeführten Konsultationen als in der Praxis. In der «Praxis A» stieg der Anteil der Konsultationen, in welchen die NP selbstständig agierte, von 0% im ersten Monat auf 19% nach 13 Monaten hausärztlicher Supervision. In der «Praxis B» war die NP in drei Viertel ihrer Konsultationen selbstständig.
Diskussion: Nach Abschluss einer postgraduellen, klinischen Ausbildung mit hausärztlicher Supervision sowie einigen Jahren an praktischer Erfahrung in ­ihrer Rolle, können NPs ein relativ hohes Mass an Selbstständigkeit erreichen und stellen möglicherweise eine Lösung für die sinkende Anzahl hausärztlicher Hausbesuche in der Schweizer Grundversorgung dar.
Kollegium für Hausarzt­medizin KHM
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