Die Krise
Von Alltagshelden und Verlierern

Die Krise

Editorial
Ausgabe
2020/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2020.10227
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2020;20(04):117

Affiliations
Chefredaktor; Leiter Chronic Care, Institut für Hausarztmedizin Zürich

Publiziert am 31.03.2020

Ich hoffe sehr, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens ­dieses Artikels der Wendepunkt in der Coronavirus-Pandemie geschafft ist, das heisst, weniger Neuinfektionen pro Tag als an den Tagen zuvor stattfinden. Print-Medien sind naturgemäss nicht so zeitnah an den Ereignissen, als dass ich Ihnen hier die neuesten epidemiologischen Daten liefern könnte.
Doch es gibt in jeder Krise auch zeitlose Fakten. Zum Beispiel gibt es immer Profiteure der Krise. Legitim ist es, wenn sich Wissenschaftler, Gesundheitsstrategen, Politiker oder Spitaldirektoren mit ihren Leistungen zur Bewältigung der Pandemie profilieren. Akzeptabel, wenn sich Kinder über Zwangsferien freuen. Kriminell aber, wenn Spekulanten auf die Wirtschaftskrise wetten, gesunde Menschen Atemmasken und Desinfek­tionsmittel aus Spitalabteilungen stehlen oder Händler ihre Produkte aufgrund der gestiegenen Nachfrage horrend verteuern.
Und die Verlierer? Natürlich die schwer Erkrankten. Tragischerweise finden sie sich gehäuft unter denjenigen, die auch sonst schlechte Karten haben: Die ­alten Menschen, die mehrfach und chronisch Kranken. Die Verarmten, die keinen Zugang zu Schutzmaterial haben. Die Ungebildeten, die sich nicht zu helfen wissen. Grenzen werden geschlossen, um die Virusausbreitung zu bremsen – sie sind auch für Asylsuchende zu.
Jede Krise hat ihre Helden – in der Coronavirus-Pandemie ist einer davon der Augenarzt Li Wenliang aus Wuhan. Schon im Dezember 2019 hatte er vor einer ­gehäuft auftretenden neuartigen Atemwegsinfektion gewarnt, war aber von den Behörden wegen Verbreitung von Gerüchten verwarnt und zu Stillschweigen gezwungen worden. Kurz darauf selbst infiziert, starb er anfangs Februar 2020. Wieviel Leid hätte verhindert werden können, hätten ihn die Behörden ernstgenommen und eine rasche Reaktion über ihre politischen Ziele gestellt.
Genauso wichtig sind die Alltagshelden dieser Pandemie. Und das sind Sie, die sich selbst in das Risiko ­einer Infektion begeben, um Patientinnen und Patienten zu betreuen: Ärztinnen und Ärzte, ihre Assistentinnen und Assistenten, die Pflegenden in Spital, Praxen und Heimen und Apothekerinnen und Apotheker. Dafür möchten wir Ihnen von der Redaktion des Primary and Hospital Care stellvertretend für alle Patientinnen und Patienten ganz herzlich danken.
Prof. Dr. med. ­Stefan ­Neuner-Jehle
MPH, Institut für ­Hausarztmedizin
Pestalozzistrasse 24
CH-8091 Zürich
Stefan.Neuner-Jehle[at]usz.ch