Ambulante Qualitätsaktivitäten sichtbar machen
In den Berufsalltag integrieren

Ambulante Qualitätsaktivitäten sichtbar machen

Aktuelles
Ausgabe
2020/05
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2020.10246
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2020;20(05):165-167

Affiliations
Mitarbeiterin Kommunikation/ Marketing, Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM)

Publiziert am 05.05.2020

Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich müssen spätestens ab 2022 Qualitätsaktivitäten umsetzen und transparent ausweisen. Die Qualitätskommission der SGAIM und Vertreter von mfe haben im Rahmen eines Pilotprojektes von FMH und Versicherern vier Qualitätsmassnahmen ausgearbeitet.

Qualitätsaktivitäten sollen gegenüber der Öffentlichkeit, der Politik und den Versicherern sichtbar gemacht werden. So will es das Schweizer Parlament: Mit der ­Revision des Krankenversicherungsgesetzes KVG zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit wurde beschlossen, dass ab 2022 alle Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind, sich an Qualitätsentwicklungsmassnahmen und -messungen zu beteiligen, welche die Verbände der Leistungserbringer und derjenigen der Versicherer 2021 in Qualitätsverträgen vereinbaren.
Der PDCA-Zyklus beschreibt den vierstufigen Regelkreis des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses: Plan, Do, Check, Act.

Synergien nutzen – für die Ärztinnen und Ärzte AIM

Im Rahmen des Pilotprojekts zur Förderung von Qualität und Transparenz im ambulanten Sektor haben die SGAIM und mfe gemeinsam mit der FMH und den Versicherern vier Qualitätsaktivitäten für die Allgemeine Innere Medizin (AIM) vereinbart. Dabei setzen sich die Leistungserbringer dafür ein, dass diese obligatorischen Qualitätsaktivitäten praktikabel sind, in die bisher ­geleistete Qualitätsarbeit integriert werden und ­einen grösstmöglichen Nutzen für die Patientinnen und Patienten haben. Zu den vier Qualitätsaktivitäten gehören:
1) Aktive Teilnahme an Qualitätszirkeln
Qualitätszirkel sind ein Instrument zur Förderung der Qualität durch den interkollegialen Austausch. Die praxisnahen und erfahrungsbasierten Besprechungen in den Qualitätszirkeln wirken motiva­tionsfördernd und stellen ein Bindeglied zwischen dem Praxisalltag und dessen wissenschaftlicher Aufarbeitung dar. Die Mitglieder einigen sich auf Aspekte der täglichen Arbeit, in denen sie ein ­Verbesserungspotenzial erkennen, behandeln und ­bearbeiten diese im Sinne eines kontinuierlichen Qualitätsentwicklungszyklus. Durch gezielt verwendete effiziente pädagogische Massnahmen in Kombination mit dem Austausch und kritischer Hinterfragung der eigenen Arbeit wird so die Basis zu einer Qualitätskultur und Diskussion im eigentlichen Sinne geschaffen. Darauf basierend werden Massnahmen zur ständigen Qualitätsverbesserung ausgearbeitet («Plan-Do-Check-Act»[PDCA]-Zyklus).
2) Anwendung Smarter-Medicine-Vorgaben
Studien haben gezeigt, dass mehr medizinische Handlungen nicht immer zu einer Verbesserung der Behandlungsergebnisse und der Lebensqualität führen. Der Verein smarter medicine – Choosing ­Wisely Switzerland verfolgt das Ziel, nicht wirksame Untersuchungen und Behandlungen zu vermeiden. Die SGAIM ist Gründungsmitglied von smarter medicine und hat als eine der ersten Fachgesellschaften 2016 eine Liste mit fünf ambulanten bzw. fünf sta­tionären medizinischen Massnahmen publiziert, die in der Regel unnötig sind, eine sogenannte «Top-5-Liste» [1]. Die Listen richten sich nach den Empfehlungen für eine nachhaltige, effiziente und evidenzbasierte Medizin und beruhen auf nationalen und internationalen Studien und werden wiederkehrend aktualisiert. Zusätzlich arbeitet smarter medicine an unterstützenden Massnahmen, so zum Beispiel die Lancierung von Infografiken für Patienten.
3) Händehygiene
Standardhygienemassnahmen verhindern die Über­tragung von Erregern von Mensch zu Mensch. Im Rahmen eines Hygienekonzepts wird der korrekten und regelmässigen Händehygiene (umfasst das Händewaschen, die hygienische Händedesinfektion und die Händepflege) sowie der Flächen­desinfektion bei Kontamination mit Atemwegs­sekreten ein wichtiger Stellenwert beigemessen. Die regelmässigen Händehygienemassnahmen vermeiden effektiv die Übertragung von Infektions­erregern von Mensch zu Mensch. Bei sterilen Handlungen ist dies eine Standardmassnahme. Bei alltäglichen Kontakten tritt die Händehygiene oft jedoch in den Hintergrund. Die regelmässige Schulung und Überprüfung der korrekten Durchführung ist in der ­ambulanten Praxis wichtig. Die Wirksamkeit einer Verbesserung der Awareness und der Schulungen ist sehr gross und soll in einem PDCA-Zyklus zu ­einer Qualitätsverbesserung sowie Anpassung an neue Erkenntnisse und Ansprüche im Praxisalltag führen. Dies macht nicht zuletzt die ­aktuelle ­Coronavirus-Pandemie deutlich.
4) CIRS
In der Medizin hat sich das Critical Incident Reporting System (CIRS) als wichtiges Instrument zur Verbesserung der Patientensicherheit etabliert. Auf anonymer Basis werden Ereignisse, die zu Beinahefehlern oder Fehlern führten, gemeldet und analysiert. Die Fälle werden interdisziplinär diskutiert und Optimierungen definiert. Das CIRS ist ein wichtiges Instrument, um Systemprobleme zu identifizieren und proaktiv zu eliminieren. Zudem fördern die Diskussionen eine aktive und positive Fehlerkultur, die das Auftreten von weiteren Fehlern reduziert.
Neben den CIRS-Systemen in Spitälern existiert ein Meldesystem in der Hausarztmedizin auf der ­Plattform des Forums für Hausarztmedizin (www.forum-hausarztmedizin.ch). Das Unterforum mit dem Titel «CIRS» ist im geschützten Bereich platziert (lesen Sie dazu die CIRS-Flashes im PHC unter primary-hospital-care.ch/archiv, geben Sie dort in der Suche «CIRS-Flash» ein). Zusätzlich verfügen viele Arztpraxen über eigene institutionalisierte CIRS-Gefässe, um kritische Ereignisse und Fehler zu diskutieren und daraus zu lernen. In den jeweiligen CIRS-Foren werden anhand der gemeldeten Er­eignisse Vermeidungsstrategien diskutiert, was zu einer laufenden Verbesserung der Qualität und ­Fehlerkultur führt.
Diese qualitätssichernden Massnahmen sind jeweils mit einer Wirkungshypothese belegt. Mehr Informa­tionen zu den Qualitätsaktivitäten, deren Wirkungs­hypothesen und Literaturhinweise finden Sie unter www.sgaim.ch.

Über das Pilotprojekt

Die FMH und die Versicherer haben im Rahmen der «Arbeitsgruppe Qualität FMH/Versicherer» 2019 das Pilotprojekt «Veröffentlichung der Qualitätsaktivitäten der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte» lanciert. Mit dem Pilotprojekt schafft die Arbeitsgruppe die Grundlage für jene Qualitätsverträge, welche die Verbände der Leistungserbringer und jene der Versicherer gemäss den vom Parlament beschlossenen Änderungen des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung abschliessen müssen (Art. 58a des KVG). Die Zusammenarbeit mit den Versicherern stellte sich als äusserst fruchtbar ­heraus.
Die Qualitätskommission der SGAIM engagiert sich unter der Leitung von Prof. Dr. med. et. phil. Maria Wertli und zusammen mit mfe im Rahmen dieses Pilotprojektes.

Ärzten liegt Qualität am Herzen

Viele Ärztinnen und Ärzte haben die oben diskutierten Qualitätsaktivitäten bereits in den Berufsalltag integriert. Sie tragen damit dazu bei, die bestmögliche Behandlung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen und weiterzuentwickeln.

Qualität ausweisen – ab Mai 2020

SGAIM und mfe sind darauf angewiesen, dass möglichst viele ihrer im ambulanten Bereich tätigen Mitglieder im Frühsommer 2020 auf www.myfmh.ch ­erfassen, welche der empfohlenen Qualitätsaktivitäten sie umsetzen. Bis Ende Mai 2020 erhalten die Mitglieder weitere Informationen zum konkreten Vor­gehen. Die Angaben werden stichprobeweise überprüft und im Herbst 2020 auf www.doctorfmh.ch publiziert.
Claudia Schade
Kommunikations­verantwortliche
und stellvertretende
Generalsekretärin
Schweizerische Gesellschaft
für Allgemeine Innere
Medizin (SGAIM)
Monbijoustrasse 43
Postfach
CH-3001 Bern
claudia.schade[at]sgaim.ch