Qualität ist kein Zufall
Neue Qualitätsstrategie der SGAIM

Qualität ist kein Zufall

Aktuelles
Ausgabe
2020/0708
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2020.10267
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2020;20(0708):220-222

Affiliations
Präsidentin Qualitätskommission SGAIM, Leitende Ärztin Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital, Bern

Publiziert am 29.07.2020

Die Qualitätskommission hat unter dem Motto «Qualität ist kein Zufall» eine zukunftsgerichtete Qualitätsstrategie erarbeitet. Diese soll mit konkreten Zielen und Massnahmen dazu beitragen, die Qualität der Betreuung und Behandlung von ­Patientinnen und Patienten in der Allgemeinen Inneren Medizin weiter zu verbessern. Die Umsetzung der Strategie ist bereits voll im Gang.

Ein Kernanliegen der Allgemeinen Inneren Medizin (AIM) ist die bestmögliche Betreuung und Behandlung von Patientinnen und Patienten in der Hausarztpraxis und im Spital. Im gesamten breiten klinischen Spektrum der AIM, insbesondere aber bei multimorbiden ­Patientinnen und Patienten, ist es von grösster Bedeutung, dass die Qualität im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, dem sogenannten Plan-Do-Check-Act-Zyklus (kurz: PDCA-Zyklus), stetig verbessert wird. Um die Fachärztinnen und -ärzte AIM dabei in ­ihrem klinischen Alltag zu unterstützen, stellt die Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere ­Medizin (SGAIM) ein hilfreiches Qualitätsentwicklungssystem in Form ­einer Qualitätsstrategie mit strategischen Zielen zur Verfügung. Die Qualitätskommission hat bereits ­damit begonnen, konkrete Massnahmen zu deren Umsetzung zu erarbeiten.
Das oberste Ziel ist es, für jede einzelne Patientin bzw. jeden einzelnen Patienten die optimale Behandlungsform mit der bestmöglichen Behandlungsqualität zu finden. Die hervorragende interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachspezialistinnen und Fachspezialisten, nicht-ärztlichen Berufsgruppen und technischen Fachpersonen sind wichtige zusätzliche Pfeiler und runden die ganzheitliche Behandlungsstrategie ab.
Die Qualitätskommission SGAIM verfolgt im Rahmen der neuen Qualitätsstrategie in den kommenden Jahren insbesondere die folgenden strategischen Ziel­setzungen:

Qualität ist kein Zufall: die Vision der SGAIM für die Qualität


Die SGAIM hat ihre neue Qualitätsstrategie an der folgenden Vision ausgerichtet:
1 Die SGAIM Qualitätskommission schafft Mehrwert für ihre Mitglieder.
2 Bis 2024 entwickelt sich die Allgemeine Innere Medizin zu einem der bedeutendsten nationalen Player innerhalb der Ärzteschaft zum Thema Qualität.
3 Qualität ist ein zentrales Thema der SGAIM und Qualität soll «hip» sein.
Die ausführliche Qualitätsstrategie der SGAIM sowie weitere ­Informationen zum Qualitätsthemen finden Sie unter: www.sgaim.ch/qualitaet.

Exzellenz in der Patientenbehandlung durch Fachärztinnen und -ärzte AIM

Qualitätsaktivitäten, die geeignet sind, eine exzellente Patientenbehandlung durch Fachärztinnen und -ärzte AIM durchzuführen, sollen definiert und gestärkt ­werden. Dazu gehören:
– Identifikation von geeigneten Instrumenten und Qualitätsindikatoren, die für den klinischen Alltag empfohlen werden können. Qualitätsindikatoren sollen dazu dienen, einen Qualitätsentwicklungsprozess zu stimulieren und damit in einem ­PDCA-Zyklus Qualitätsverbesserungen zu unterstützen.
– Qualitätsaktivitäten sollen honoriert werden. Anhand eines Kriterienkatalogs soll die Vergabe von Credits für Qualitätsaktivitäten möglich sein. Das Ziel ist es, dass Qualitätsaktivitäts-Credits für die Kernfortbildung AIM angerechnet werden ­können.
– Stärkung und Ausbau von bestehenden Qualitätsaktivitäten. Die SGAIM soll ihre Rolle als führende professionelle Anbieterin von Kursen für Qualitätszirkelarbeit weiter ausbauen. Zudem werden be­stehende Qualitätsaktivitäten analysiert und gezielt unterstützt.
– Klinische Guidelines sollen für die Behandlung von multimorbiden Patientinnen und Patienten geeignet sein. Das Ziel ist es, Kriterien zu definieren, die klinische Guidelines erfüllen müssen, damit sie bei der Behandlung von polymorbiden Patientinnen und Patienten nützlich sind.

Bessere Sichtbarkeit und Akzeptanz von Qualitätsaktivitäten

Angesichts der zunehmenden Erwartungshaltung von Öffentlichkeit und Kostenträgern im Hinblick auf die Qualität in der medizinischen Behandlung ist es der Qualitätskommission der SGAIM wichtig, besser sichtbar zu machen, wie viele und welche Qualitätsaktivi­täten die SGAIM und ihre Mitglieder heute bereits umsetzen. Dies soll zu einer besseren Akzeptanz beitragen. Konkret verfolgt die Qualitätskommission dazu die ­folgenden Ziele:
– Ausbau der Website durch Abbildung von Qualitätsaktivitäten der SGAIM und einer Sammlung von ­relevanten Hilfsmitteln.
– Enge Zusammenarbeit mit relevanten Organisationen und Verbänden: frühzeitiges Erfassen von Trends, aktives Mitgestalten der Diskussion/Massnahmen (zum Beispiel Teilnahme der SGAIM am ­Pilotprojekt «Veröffentlichung der Qualitätsaktivitäten der ambulant ­tätigen Ärztinnen und Ärzte» der Arbeitsgruppe Qualität FMH/Versicherer).

Interview mit Prof. Maria Wertli, Präsidentin der Qualitätskommission SGAIM

Interview: Ursula Käser, Verantwortliche Bereich Qualität, ­Weiter- und Fortbildung SGAIM
Frau Prof. Wertli, was bedeutet Qualität für Sie?
Seit meinem ersten Tag als Assistenzärztin in der Klinik gehören Qualitätsaktivitäten zum Alltag. Dazu gehören zum Beispiel die Impfungen, die wir für unsere Arbeit durchführen lassen, täg­liche Fort- und Weiterbildungen, Visiten und Fallbesprechungen sowie Diskussion von Fällen im Rahmen des Critical Incident Reporting System. Viele dieser Aktivitäten sind für uns selbstverständlich. Das heisst, weder wir noch unsere Patientinnen und Patienten nehmen wahr, wie wichtig für uns eine qualitativ hochstehende Behandlung ist. Ein zentrales Ziel unserer Arbeit ist daher, Qualitätsaktivitäten sichtbar zu machen und bestehende Aktivitäten zu stärken.
Die Definition der medizinischen Behandlungsqualität ist schwierig, da viele Ebenen berücksichtigt werden müssen. Alle uns bekannten Versuche, Qualität zu messen, haben Limiten und können auch das Gegenteil von dem, was eigentlich bewirkt werden sollte, verursachen.
Es ist daher sehr wichtig, in einem Qualitätsentwicklungssystem das Vertrauen der Patienten, Leistungsversicherungen und Ärzten zu stärken. Qualitätsaktivitäten sollten in einem PDCA-Zyklus eine kontinuierliche Qualitätsverbesserung anstreben mit dem obersten Ziel, für jeden einzelnen Patienten die optimale Behandlungsform mit der bestmöglichen Behandlungsqualität zu finden.
Sie haben im März 2019 das Präsidium der Qualitätskommission übernommen und sind bald eineinhalb Jahre im Amt. Was ­haben Sie bisher in der Kommissionsarbeit erreicht?
Die Arbeit der Qualitätskommission erfolgt in wenigen Sitzungen pro Jahr. Gemeinsam haben wir im Rahmen von Kurz-Workshops Themen- und Handlungsfelder definiert und bestehende Qualitätsaktivitäten eruiert, sozusagen zuerst eine Auslegeordnung zum Thema Qualität in der Allgemeinen Inneren Medizin vorgenommen. Zusätzlich haben wir den Bedarf für zukunftsgerichtete Strategien und mögliche oder bestehende Partner analysiert. In Anlehnung an die Gesamtstrategie der SGAIM für die Jahre 2020–2024 haben wir Ziele und Massnahmen für den Bereich Qualität definiert. Dabei war uns wichtig, nicht das Rad neu zu erfinden, sondern in erster Linie auf dem Bestehenden aufzubauen. Die Qualitätsstrategie ist in­zwischen vom Vorstand verabschiedet worden und bereits in der Umsetzungsphase.
Wo setzen Sie bei der Umsetzung der neuen Qualitätsstrategie den Hauptfokus?
Wir arbeiten intensiv an Qualitätsindikatoren, die wir für die ambulante und stationäre klinische Arbeit empfehlen können. Wir hoffen, Ende Jahr soweit zu sein, dass wir diese veröffentlichen können. Weiter sind wir daran, die Website auszubauen und zusammen mit der Fortbildungskommission ein Konzept für einen neuen Qualitäts-Credit zu erarbeiten.
Für den SGAIM-Frühjahrskongress, der leider auf 2021 verschoben werden musste, haben wir für die Qualitäts-Lecture ein neues Format gefunden und attraktivere Zeitpunkte gewählt. Das Ziel ist es, an den Kongressen attraktive Veranstaltungen zur Qualitätsentwicklung anzubieten. Zudem bereiten wir eine Studie vor, die den Zeitbedarf für die Behandlung multimorbider Patienten analysiert.
Was wollen Sie in den nächsten drei Jahren mit der Qualitätskommission der SGAIM erreichen?
Leider sind die personellen Ressourcen begrenzt, so dass wir langsamer vorwärtskommen, als ich mir das wünschen würde. Ich bin überzeugt, dass wir trotzdem bis 2024 die Qualitätsarbeit und das Qualitätsverständnis im Bereich der AIM mit der Umsetzung der Qualitätsstrategie prägen werden. Das Ziel ist es, dass wir mit unseren Massnahmen mithelfen, das Interesse an der Qualitätsarbeit zu erhöhen und zu einer nachhaltigen Qualitätsverbesserung beizutragen. Es ist uns bei allen unseren Arbeiten wichtig, einen spürbaren Mehrwert für unsere Mitglieder zu erarbeiten. Es wird interessant sein, zu sehen, wie die empfohlenen Qualitätsindikatoren in der klinischen Praxis umgesetzt werden können und ob sie auch bewirken, wofür sie entwickelt wurden. Nicht zuletzt ist es uns wichtig, bestehende Qualitätsaktivitäten zu stärken und sichtbarer zu machen, damit das Vertrauen der Ärzteschaft, der Patientinnen und Patienten sowie der Entscheidungsträger in unsere alltägliche (Qualitäts-)Arbeit gestärkt wird.

Zeitbedarf für Patientenbehandlung erfassen und definieren

Ein weiteres strategisches Ziel der Qualitätskommission ist es, untersuchen zu lassen, wie viel Zeit für eine qualitativ hochstehende Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Mehrfacherkrankungen notwendig ist. Damit soll eine wichtige Grundlage für tarifarische Diskussionen geschaffen werden.

Qualitätsstrategie soll überprüfbar sein und Nachhaltigkeit beinhalten

Die Qualitätskommission der SGAIM will die Umsetzung der einzelnen Qualitätsmassnahmen regelmässig überprüfen und evaluieren. Das Ziel ist es, einen Prozess zu etablieren, um die Effektivität der Qualitätsaktivitäten zu überprüfen. Zudem sollen Themen diskutiert und konkrete Ziele definiert werden, in denen Nachhaltigkeit weiter vertieft analysiert werden soll.

Qualitätskommission SGAIM

Die Qualitätskommission der SGAIM bearbeitet das Thema Qualität in der Allgemeinen Inneren Medizin (AIM) und berät den Vorstand der SGAIM in den entsprechenden Fragen. Der Qualitätskommission gehören die folgenden Mitglieder an, die ein Ressort oder mehrere Ressorts bearbeiten:
• Prof. Dr. med. Maria Wertli, Präsidentin
• Dr. med. Regula Capaul, Vertretung SGAIM Vorstand, Ressort Exzellenz in der AIM
• PD Dr. med. Sima Djalali, Ressort Exzellenz in der AIM
• Prof. Dr. med. Jacques Donzé, Ressort Exzellenz in der AIM
• Prof. Dr. med. Omar Kherad, Ressort smarter medicine
• Joël Lehmann (Vertretung EQUAM mit beratender Stimme), Ressort ­Exzellenz in der AIM
• Dr. med. Silvana Rampini Speck, Ressort Arbeitsplatzsicherheit, Wellbeing
• Dr. med. Adrian Rohrbasser, Ressort Qualitätszirkel
• PD Dr. med. Markus Schneemann, Ressort Exzellenz in der AIM
• Dr. med. Brigitte Zirbs Savigny (Vertretung mfe), Ressort Interprofessionalität sowie Ressort Kommunikation/Public Relations
• Dr. med. Marc Michael Jungi (Vertretung mfe), Ressort Interprofessionalität sowie Ressort Multimorbidität (Zeitbedarf für eine optimale Patientenbehandlung)
• vakant, Ressort Nachhaltigkeit
Claudia Schade
Kommunikations­verantwortliche und ­stellvertretende General­sekretärin
Schweizerische Gesellschaft für Allgemeine Innere ­Medizin (SGAIM)
Monbijoustrasse 43
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CH-3001 Bern
claudia.schade[at]sgaim.ch