Resultate der 4. Workforce Studie
Aktuelle Daten zu Arbeitszeiten, Arbeitsgewohnheiten, Motivation und Arbeitspensen

Resultate der 4. Workforce Studie

Themenschwerpunkt
Ausgabe
2020/11
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2020.10311
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2020;20(11):325-328

Affiliations
Universitäres Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel

Publiziert am 03.11.2020

Gesundheitssysteme mit einer starken Hausarztversorgung sind kostengünstig und assoziiert mit einer besseren Gesundheit der Bevölkerung. Die ärztliche Grundversorgung, sichergestellt durch die Haus- und Kinderärzte, ist ein essentieller Grundpfeiler und ein wichtiges Qualitätsmerkmal des Schweizerischen Gesundheitswesens.

Einleitung

Gesundheitssysteme mit einer starken Hausarztversorgung sind kostengünstig und assoziiert mit einer besseren Gesundheit der Bevölkerung. Die ärztliche Grundversorgung, sichergestellt durch die Haus- und Kinderärzte, ist ein essentieller Grundpfeiler und ein wichtiges Qualitätsmerkmal des Schweizerischen Gesundheitswesens.
In den letzten sechs Jahren sind in der Schweiz auf politischer Ebene wichtige Entscheide gefallen, die sich in der Summe günstig auf die Hausarztmedizin auswirken sollen. Erfreulich war die Mitteilung des Bundes­rates vom 20. Juni 2015, mit 100 Millionen Franken ­zusätzliche Medizinstudienplätze in der Schweiz zu schaffen. Das Ziel war, bis 2023 die Zahl der Staatsexamensabgänger auf jährlich 1350 zu erhöhen. Das sind rund 450 zusätzliche Abschlüsse im Vergleich zu 2016. Ein relevanter Einfluss auf den aktuell manifesten Hausarztmangel ist aber frühestens nach zehn Jahren (sechs Jahre Studium plus fünf Jahre hausärztliche Weiterbildung) zu erwarten. Entscheidend ist zudem, wie viele der zusätzlichen Studienabgänger im Verlauf tatsächlich in die Grundversorgung einsteigen. Neue Zahlen bei fortgeschrittenen Medizinstudierenden (2. und 3. Masterjahr) in der Schweiz aus dem Jahre 2019 zeichnen ein erfreuliches Bild: Fast 20% der befragten Studierenden gab an, den Beruf Hausarzt anzustreben. Nochmals doppelt so viele (40%) sahen die Hausarztmedizin als interessante Option [1].
Um wichtige gesundheitspolitische Entscheide zu fällen und eine wissenschaftlich untermauerte Argumentation zu besitzen, braucht es repräsentative und verlässliche Daten zur Hausarztmedizin. Dieses Ziel verfolgte die erste Workforce Studie, die im Jahre 2005 durchgeführt worden war. Damals konnte nachgewiesen werden, dass weniger Hausärzte als von offizieller Seite angenommen in einer Hausarztpraxis aktiv waren [2]. Die Studie wurde 2005 so konzipiert, dass zukünftige Wiederholungen der Datenerhebung möglich sind, um Tendenzen und Veränderungen in der Grundversorgung aufzeigen zu können. Diesem Vorhaben folgend wurde im Jahre 2010 und 2015 die zweite und dritte Workforce Studie durchgeführt. Diese Erhebungen konnten eine ungünstige Altersdemographie der Schweizer Hausärzteschaft nachweisen. Zu viele Hausärzte nahe dem Pensionsalter gegenüber zu wenig hausärztlichem Nachwuchs liessen den Schluss eines manifesten Hausarztmangels zu [3].
Nun wurde im Frühjahr 2020 bei der Schweizer Hausärzteschaft die 4. Workforce Studie durchgeführt. Das Ziel war, aktuelle Daten zu Arbeitszeiten, Arbeitsgewohnheiten, Motivationen und Plänen hinsichtlich aktuellen und zukünftigen Arbeitspensen zu erhalten. Die Erhebung eröffnete auch die Möglichkeit, momentane Daten mit den ersten drei Workforce Studien zu vergleichen, mögliche Auswirkungen der politischen Veränderungen in den letzten Jahren aufzuzeigen und die Anliegen und Entwicklung der Hausarztmedizin in Zukunft wissenschaftlich gestützt vertreten zu können. Erstmals wurden 2020 auch Kinderärzte in die Befragung eingeschlossen.

Methode

Es handelt sich um eine für die Schweizer Grundversorgung repräsentative Querschnittsstudie, Fragebogen-basiert, in der ganzen Schweiz, in drei Sprachregionen (deutsch/französisch/italienisch), bei Haus­ärztinnen und Hausärzten, Kinderärztinnen und Kinderärzten, die im Jahre 2020 in einer Haus- oder Kinderarztpraxis tätig sind. Als Basis für die Stichprobenauswahl wurden auf www.comparis.ch alle Ärzte herausgesucht, die mit dem Facharzttitel «Allgemeine Innere Medizin» oder «Kinder- und Jugendmedizin» registriert sind. Ärzte mit zusätzlichen Facharzttiteln sowie im Spital tätige Ärzte mit dem Facharzttitel «Allgemeine Innere Medizin» oder «Kinder- und Jugendmedizin» wurden ausgeschlossen. Die Stichprobe wurde zudem mit den Listen des Medizinalberufe­registers (MedReg) [4] und den Zahlen der FMH abgeglichen [5]. Somit kann davon ausgegangen werden, dass effektiv nur aktuell in der Hausarzt- oder Kinderarztpraxis tätige Grundversorgerinnen und Grundversorger rekrutiert wurden.

Resultate

Insgesamt wurden 7090 Haus- (84%) und Kinderärzte (16%) angeschrieben. Die Antwortquote lag bei 38% (2015: 36%). Insgesamt konnten 2527 Fragebogen von 2037 Hausärzten (HÄ) (81%) und 490 Kinderärzten (KÄ) (19%) ausgewertet werden. Das mittlere Alter bei den HÄ lag bei 55 Jahren (2005: 51 Jahre), die KÄ waren im Mittel mit 51 Jahren signifikant jünger (p <0,01). Ein Drittel der HÄ (33,1%) war über 60-jährig und 14,8% über 65 Jahre alt. Auf der anderen Seite nimmt der Anteil der unter 50-jährigen HÄ seit 2010 kontinuierlich zu (2010: 25%; 2015: 28,5%; 2020: 34%) Bei den HÄ fanden sich 64% Männer (2005: 80%) und bei den KÄ waren zwei Drittel weiblichen Geschlechts.

Arbeitszufriedenheit und Stressempfinden

Bei den HÄ waren 71% der Befragten zufrieden mit ihrer Arbeitssituation, was vergleichbar ist mit den Resultaten aus dem Jahre 2015, aber signifikant (p <0,01) besser als 2005 (55%). Signifikant zufriedener sind HÄ, die eine Weiterbildung für Assistenzärzte in ihrer Praxis anbieten (OR = 1,99, 95% CI = 1,20–3,34, p = 0,009). Am wenigsten zufrieden mit der Arbeitssituation sind 50–60-Jährige und Ärzte in Einzelpraxen (75% zufrieden in Gruppenpraxis vs. 67% zufrieden in Einzelpraxis). Der Anteil der zufriedenen KÄ (82%) ist signifikant höher (p <0,01) im Vergleich zu den HÄ. Bezüglich starkem bis sehr starkem Stresserleben besteht kein Unterschied zwischen HÄ und KÄ. Das Stressempfinden ist tiefer bei älteren Hausärzten, ist höher bei Frauen als bei Männern (HÄ) und nimmt allgemein leicht zu seit 2015.

Arbeitszeit pro Woche

Quantitativ nehmen die Arbeitsstunden pro Woche ab, das heisst Patientenkontakte (Sprechstunde), Haus­besuche, Besuche in Alters- und Pflegeheimen nehmen bei den HÄ seit 2005 signifikant ab (ca. drei Stunden pro Dekade, p <0,001). Administrative Arbeitsstunden bleiben im Verlauf stabil. Eine Erklärung dafür ist am ehesten, dass mehr Ärzte/Ärztinnen Teilzeit arbeiten. Aktuell schätzen die HÄ ihre Arbeitszeit im Durchschnitt auf 7,9 Halbtage/Woche und die KÄ auf 7,3 ­Halbtage/Woche. Die Frauen in der Hausärzteschaft arbeiten im Schnitt 1,7 Halbtage weniger als ihre männ­lichen Kollegen, Kinderärzte im Schnitt 0,6 Halbtage weniger als Hausärzte. In Einzelpraxen wird länger ­gearbeitet als in Doppel- oder Gruppenpraxen. Es gibt eine Interaktion zwischen Geschlecht und Alter in Bezug auf die Anzahl Arbeitshalbtage bei HÄ und KÄ. Bei Frauen nimmt die Anzahl Arbeitshalbtage mit steigendem ­Alter mehr zu als bei Männern, weil letztere schon am Limit sind und nur eine leichte Zunahme möglich ist. Nach 65 Jahren nimmt die Anzahl Arbeitshalbtage drastisch ab (Abb. 1).
Abbildung 1: Workforce der Schweizer Haus- und Kinderärzteschaft 2020: «Wie viele Halbtage pro Woche arbeiten Sie?»

Praxisaufgabe und Pensionierung

Im Durchschnitt planen die Hausärzte und Kinderärzte, ihre Praxis im Alter von 65–66 Jahren zu übergeben bzw. ihre ärztliche Tätigkeit einzustellen. Die Entwicklung über die Jahre für diese Fragestellung ist in Tabelle 1 ersichtlich. Im Jahre 2020 sind 15% der HÄ und 5% der KÄ jenseits des 65. Altersjahrs noch in der Praxis tätig (2015 arbeiteten auch 15% der HÄ über 65-jährig weiterhin). Das heisst, bei den HÄ und KÄ wird aktuell ein relevanter Anteil der haus- und kinderärztlichen Workforce von über 65-Jährigen geleistet. Signifikant mehr Männer arbeiten im Alter über 65 Jahren, und dieser Anteil nimmt über die letzten Jahre stetig zu.
Tabelle 1: Praxisaufgabe, Pensionierung und Arbeitsleistung (HÄ = Hausärztinnen und -ärzte; KÄ = Kinderärztinnen und -ärzte).
 200520152020 (HÄ)2020 (KÄ)
Planen Sie ihre Praxistätigkeit nach dem 65. Lebensjahr weiter zu führen? (% der Antworten mit «Ja»)28%49%39%24%
Haben Sie Pläne, ihre Praxis vor dem 65. Lebensjahr aufzugeben
respektive zu ­übergeben? (% der Antworten mit «Ja»)
40%22%24.%29%
In welchem Alter planen Sie Praxisaufgabe/-übergabe? (Jahre als ­Mittelwert)*69,366,2 65,2
Arbeitsstunden pro Woche (total, inklusive Administration)50,0h47,2h43,4h36,8h
* Diese Frage wurde 2005 nicht gestellt.     

Praxistyp

Aktuell arbeitet nur noch jeder dritte Hausarzt in einer Einzelpraxis (2005: 60%; 2015: 40%), jeder fünfte in einer Doppel- und fast die Hälfte in einer Gruppenpraxis. Seit 2005 hat sich der Anteil an Gruppenpraxen bei den HÄ von 12% auf 45% erhöht. Bei den KÄ arbeiten aktuell 20% in einer Einzelpraxis, jeder dritte in einer Doppelpraxis und 44% in einer Gruppenpraxis. HÄ auf dem Land machen sich mehr Sorgen um die Nachfolge als HÄ in der Stadt (59% vs. 51%, p <0,01). Hausärzte, die einen Mangel an Hausärzten feststellen, machen sich mehr Sorgen um ihre Nachfolge (63% vs. 41%, p <0,01). Der wahrgenommene Hausarztmangel ist regional verschieden. In der Grossregion Mittelland (Espace Mittelland [8]) wird der Haus- und Kinderarztmangel von den Grundversorgern am stärksten wahrgenommen (72% respektive 65%). Abbildung 2 zeigt einen Überblick zur Frage «Besteht Ihrer Meinung nach ein Mangel Ihrer Berufsgruppe in Ihrer Region».
Abbildung 2: Wahrgenommener Hausarztmangel: «Nehmen Sie einen Mangel ihrer ­Berufsgruppe in ihrer Region wahr?» (% Ja-Antworten der Hausärzteschaft). Die Antworten aus den einzelnen Kantonen sind für die sieben Schweizer Grossregionen [8] dargestellt (Genferseeregion, Espace Mittelland, Nordwestschweiz, Zürich, Ostschweiz, Zentralschweiz und Tessin).

Ausblick Schweizer Grundversorgung bis 2040

Wenn inskünftig 20% der Medizinstudierenden nach ihrer Weiterbildung in die Grundversorgung einsteigen (realistisch gemäss [4]), die von swissuniversities geplante Aufnahmekapazität für medizinische Studiengänge an Schweizer Universitäten erreicht wird (n = 1335 bis 2023) [6] und die Zahlen zu Strukturdaten der Arztpraxen der MAS Erhebung 2017 [7] herangezogen werden, würde der Grundversorgerbestand wegen der Pensionierung von heute tätigen Haus- und Kinderärzten bis 2030 um 8,4% schrumpfen. Bis im Jahre 2040 könnte der heute bestehende Mangel an Grundversorgern mit den vorher erwähnten Annahmen möglicherweise aufgefangen werden. In Abbildung 3 findet sich die Entwicklung der Hausärztedichte pro 1000 Einwohner in Abhängigkeit von den jährlich neu hinzukommenden Hausärzten und unter der Annahme, dass 20% der Staatsabgänger [4] später in einer Hausarztpraxis arbeiten werden.
Abbildung 3: Prognose der Hausärztedichte bis 2040. «20%» : Gemäss Ref. [1] gab ein Fünftel der Medizinstudierenden (3. Masterjahr) das Berufsziel Hausarzt/-ärztin an. «1089» : Gemäss Ref. [10] schlossen im Jahre 2019 1089 Medizinstudierende ihr Studium mit dem Staatsexamen ab. «1350» : Gemäss Ref. [6] werden im Jahre 2023 1350 Medizinstudierende das Staatsexamen abschliessen.

Und nun?

Die Workforce Erhebung 2020 zeigt, dass die Schweizer Grundversorgung weiterhin stark überaltert ist und bis mindestens 2030 der Mangel an Haus- und Kinderärzten bestehen bleiben wird. Das zeigt sich darin, dass im Moment rund 15% der heutigen Arbeitsleistung in der Grundversorgung von über 65-Jährigen geleistet wird. Zuversichtlich stimmt die Tatsache, dass das Durchschnittsalter der Hausärzte seit 2010 nicht weiter ansteigt und der Anteil der jüngeren Grundversorger seit 2010 kontinuierlich zunimmt. Weiter wird sichtbar, dass die «klinische Workforce am Patienten» bei der Hausärzteschaft im Durchschnitt seit 2005 rückläufig ist. Das ist möglicherweise begründet in der Tatsache, dass die Grundversorger – Männer wie Frauen – im Jahre 2020 im Mittel ihre klinische Arbeitsleistung auf sieben bis acht Halbtage pro Woche schätzen, und die durchschnittliche Gesamtarbeitszeit pro Woche seit 2005 kontinuierlich sinkt.
Sowohl Haus- wie auch Kinderärzte setzen zunehmend auf Teamwork in Doppel- und Gruppenpraxen, die Einzelpraxis scheint ein Auslaufmodell zu sein. Dies basiert am ehesten auf wirtschaftlichen Überlegungen (finanzielle Investitionen werden verteilt auf mehrere Schultern) und einer besseren Vereinbarkeit der Arbeit mit Familien- und Freizeitangelegenheiten (Work-Life-Balance). Die Arbeitszufriedenheit der Grundversorger ist in etwa vergleichbar zu 2015, aber signifikant besser als 2005. Der Grund hierfür könnte sein, dass in den vergangenen Jahren auf politischer Ebene wichtige Entscheide gefallen sind, die sich positiv auf die Nachwuchsförderung, auf die Abgeltung der hausärztlichen Arbeit und auf das Image der Hausarztmedizin aus­gewirkt haben. So wurde vom Bundesrat 2014 eine Zuschlagsposition (Tarmed Pos. 00.0015) für Hausärzte eingeführt, welche Grundversorgerleistungen kostenneutral um 200 Millionen Franken aufwerteten. Auch das Praxislabor wurde wieder aufgewertet. Zudem finden sich in der Schweiz unterdessen insgesamt acht ­Institute für Hausarztmedizin, wo enorm wichtige ­Arbeit für den hausärztlichen Nachwuchs und die Attraktivitätssteigerung der Hausarztmedizin in Lehre und Forschung geleistet wird. Ein bedeutungsvoller Entscheid des Bundesrates war auch die sukzessive Steigerung der Aufnahmekapazität für medizinische Studiengänge an den Schweizer Universitäten, und die Finanzierung dieses Plans zu sichern. Ein wichtiges Fernziel war und ist weiterhin, durch eine gesteigerte Anzahl Staatsexamensabgänger in Zukunft auch mehr Grundversorger generieren zu können. Natürlich kann niemand wissen, geschweige denn vorausplanen, wie viele Studienabgänger letztendlich in der Grundversorgung tätig sein werden. Es gibt jedoch Evidenz, dass 20% der fortgeschrittenen Medizinstudierenden nach der Weiterbildung in die Grundversorgung gehen ­wollen, und zusätzlich bei 40% ein Interesse an einer ­Tätigkeit in der Grundversorgung besteht [1]. Diese Zahlen sind um ein Vielfaches besser als vor 15 Jahren. Damals konnten sich weniger als 5% der Studienanfänger vorstellen, später als Hausärztinnen oder Hausärzte zu arbeiten [9]. Ein entscheidender Faktor ist also, dass die Studierenden und die Assistenzärzteschaft ­begeistert werden müssen, nach der Aus- und Weiter­bildung den Traumberuf Grundversorger zu ergreifen. Wenn in Zukunft in der Tat jeder fünfte Staatsexamensabgänger in die Grundversorgung geht, die geplanten Zahlen an Medizinstudierenden erreicht werden und sich die Pläne der aktuell um das Pensionsalter arbeitenden Grundversorger bewahrheiten, bleibt bis 2030 eine Durststrecke im Sinne eines weiteren Rückgangs an Grundversorgern von 8% bestehen. Es zeigt sich aber ein Licht am Ende des Tunnels. Unter Berücksichtigung des momentanen Wissenstands lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt bis 2040 ein eher positives Bild für die Schweizer Grundversorgung ableiten, will heissen, dass der Grundversorgermangel bis in 20 Jahren aufgefangen werden beziehungsweise sich auf dem Stand von 2020 stabilisieren könnte. Die aktuelle ­Pandemie-Situation und auch der bundesrätliche ­Vorschlag von hausärztlichen Erstberatungsstellen zeigen, dass nicht vorhersehbare Entwicklungen jederzeit auftreten können und positive Einflussfaktoren aber auch negative Störfaktoren gerade bei Entwicklungs- und Zukunftsszenarien mitberücksichtigt werden müssen.

Haupterkenntnisse der Workforce Studie 2020

→ Es besteht weiterhin eine manifeste Überalterung der Schweizer Hausärzteschaft, weniger bei den Kinderärzten.
→ 15% der aktuellen Workforce der Schweizer Hausärzteschaft wird von über 65-Jährigen geleistet.
→ Der Anteil der unter 50-jährigen Hausärzte nimmt seit 2010 kontinuierlich zu (von 25% auf 34%).
→ Aktuell sind zwei von drei Hausärzten Männer und zwei von drei Kinderärzten Frauen.
→ Eine grosse Mehrheit der Haus- und Kinderärzte arbeitet 2020 weniger als 100%, im Schnitt sieben bis acht Halbtage pro Woche.
→ Die Schweizer Haus- und Kinderärzte sind mehrheitlich zufrieden mit ­ihrer Arbeits­situation.
→ Die Einzelpraxis ist ein Auslaufmodell.
→ Der Grundversorgermangel verschärft sich noch bis zirka 2030, eine ­Entspannung ab 2040 ist wahrscheinlich.
Ein grosses und herzliches Dankeschön geht an die zahlreichen ­Ärztinnen und Ärzte, welche sich an der Studie beteiligt haben.
Prof. Dr. med. Andreas Zeller MSc
Universitäres Zentrum für Hausarztmedizin ­beider ­Basel
Rheinstrasse 26
CH-4410 Liestal
andreas.zeller[at]unibas.ch
 1 B Diallo, Z Rozsnyai, M Bachofner, H Maisonneuve, C Moser-Bucher, Y Mueller, N Scherz, S Martin, S Streit. How Many Advanced Medical Students Aim for a Career as a GP? ­Survey among Swiss Students. Praxis. 2019;108(12):779–86.
 2 P Tschudi. Der Hausarzt – Spielball der Patienten und der Gesundheitspolitik? Primary and Hospital Care – Allgemeine Innere Medizin 2009;9(8):158–62.
 3 A Zeller, P Tschudi. Anamnese und Status» bei Schweizer Hausärzten. Primary and Hospital Care – Allgemeine Innere Medizin 2016;16(15):277–280.
 5 Berufstätige Ärzte nach Sektor 2019 [Available from: https://aerztestatistik.myfmh2.fmh.ch/]
 7 Bundesamt für Statistik. Arztpraxen BFS: BFS; 2017; available from: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitswesen/arztpraxen.html.
 8 Die sieben Grossregionen der Schweiz: Die Schweiz im europäischen Regionalsystem; available from: https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-10585.html
 9 U Halter, P Tschudi, K Bally, R Isler. Primary Care. 2005;5(20):486–72.
10 Bundesamt für Gesundheit. 2019 Bericht «Ärztinnen und Ärzte 2019». S. 3/12, Kapitel 1.1