COVID-19 – Aktuelle und zukünftige Rolle der Haus- und ­Kinder­arztmedizin in Pandemien
mfe Regionaltreffen 2020

COVID-19 – Aktuelle und zukünftige Rolle der Haus- und ­Kinder­arztmedizin in Pandemien

Aktuelles
Ausgabe
2020/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2020.10326
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2020;20(12):366-367

Affiliations
a Verantwortliche Gesundheitspolitik, Interprofessionalität mfe, Haus- und Kinderärzte Schweiz b Kommunikationsbeauftragte mfe, Haus- und Kinderärzte Schweiz

Publiziert am 01.12.2020

Angesichts der Intensität, mit der sich das Coronavirus auf den Praxis­alltag auswirkt, hat es mfe als sehr wichtig erachtet, die persönlichen Erfahrungen der Mitglieder während der ersten Welle zu erheben, Beispiele bewährter Praktiken auszutauschen und diese Erkenntnisse somit auch anderen zugutekommen zu lassen. Die zentrale Frage war: Wie können ähnliche Situationen in Zukunft erfolgreich bewältigt werden?

Intensive Gespräche über ein aktuelles Thema

Die Krise im Gesundheitswesen im Zusammenhang mit COVID-19 stand also im Mittelpunkt der drei Re­gionaltreffen. Dieses Thema von hoher Aktualität hat – vor allem angesichts der zweiten Welle – zahlreiche Mitglieder angezogen. Alle Teilnehmenden waren eingeladen, im Rahmen einer Umfrage darüber Auskunft zu geben, wie sie den bisherigen Verlauf der Pandemie erlebten. In intensiven Gesprächen im Rahmen von Workshops wurden die Erkenntnisse aus der ersten Welle ausgewertet und gemeinsam Lehren für die Zukunft daraus gezogen. Drei Ehrengäste bereicherten die Debatten, indem sie eine kantonale Perspektive auf die Gesundheitspolitik im Zusammenhang mit dem Coronavirus einbrachten, und stellten ihre Sicht der Rolle der Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte in Pandemien dar. Gastreferenten waren Hans-Peter Kohler, Mitglied des Grossen Rats Bern, Gemeinderat in Köniz und Präsident der Gesundheits- und Sozialkommission (GSoK), Bruno Damann, ehemaliger Hausarzt und Vorsteher des Gesundheitsdepartements des Kantons St. Gallen, und Mauro Poggia, Genfer Staatsrat und Direktor des Departements für Sicherheit, Arbeit und Gesundheit.

Auswertung der Erkenntnisse aus der ­ersten Welle

Die Umfrage ergab, dass sich viele Mitglieder um die Gesundheit ihrer Patientinnen und Patienten und der Risikogruppen sorgten, aber auch um die Gesundheit der Angestellten im Gesundheitswesen und um die eigene: Wer würde sich um die Patientinnen und Patienten kümmern, wenn das Praxispersonal erkrankt? Auch die Folgen der finanziellen Verluste für ihre Praxis waren Teil der Bedenken. Viele gaben an, von Informationen überschwemmt worden zu sein, die sich bisweilen widersprachen. Bei der Krisen­kommunikation besteht also ein konkreter Verbesserungsbedarf. Da die erste Welle im Tessin besonders stark spürbar war, war es mfe ­wichtig, die Meinung der Tessinerinnen und Tessiner zu hören. Darum wurde die Umfrage auch allen Tessiner Mitgliedern übermittelt; ein ­Treffen ist geplant, um die Ergebnisse zu erörtern. Die Beispiele bewährter Praktiken, die von den Teil­nehmenden mitgeteilt wurden, werden den Mitgliedern in einer noch festzulegenden Form zur Ver­fügung gestellt.

Schlüsselbotschaften nach den drei ­Regionaltreffen

• Die Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte müssen in der COVID-19-Taskforce auf Bundes- und Kantonsebene vertreten sein. Die Hausarztmedizin spielt eine entscheidende Rolle, insbesondere bei der Diagnose und Kategorisierung der Patientinnen und Patienten, und muss unbedingt an der Definition, Verwaltung und Umsetzung gesundheitspolitischer Massnahmen beteiligt sein. Die Vertreterin bzw. der Vertreter muss zudem die Verbindung mit der Basis sicherstellen, damit die Empfehlungen mit der Realität in der Praxis abgestimmt sind. Neben dieser Schlüsselrolle in der Pandemie ­müssen Hausärztinnen und Hausärzte auch die Versorgung aller anderen Patientinnen und Patienten gewährleisten. Sie sind also zweifach gefordert und müssen deshalb umso stärker in die strategischen Entscheidungen eingebunden sein.
• Die Versorgung mit Schutzausrüstung muss unkompliziert und für alle Primärversorgerinnen und -versorger sichergestellt sein, sowohl in der Hausarzt- als auch in der Kinderarztmedizin. Der Mangel an Schutzausrüstung hat die Arbeitsbedingungen in der Tat erschwert.
• Im Rahmen des Krisenmanagements muss der Informationsfluss vonseiten der Fachgesellschaften und der Behörden besser gesteuert und koordiniert werden – die Schnittstellen sollten überdacht werden. Es gilt zu vermeiden, dass die von diversen Akteuren heraus­gegebenen Informationen die ärztliche Arbeit in der Praxis verkomplizieren.
• In der externen Kommunikation ist es angebracht, gegenüber den Zielgruppen (Bevölkerung, Medien, Politik) eindringlich zu wiederholen, dass die Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte stets für ihre Patientinnen und Patienten verfügbar sind. Niemand sollte zögern, seinen Arzt zu kontaktieren, um sich behandeln zu lassen. Zu Beginn der Krise waren die Vorgaben nicht eindeutig und es kam vor, dass Patientinnen und Patienten auf notwendige Konsultationen verzichteten.
• Die sozioökonomischen Folgen der durch COVID-19 ­bedingten Krise im Gesundheitswesen sind für die ­gesamte Gesellschaft spürbar. Die Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte sind der erste Kontakt für Patientinnen und Patienten, die aufgrund körperlicher, ­psychischer oder sozialer Probleme Rat suchen.
• Es ist nötig, auf die Entwicklung der Pandemie vorausschauender zu reagieren und den Versorgungsprozess und die Kommunikationsinstanzen besser zu organisieren. Ausserdem muss die Zusammenarbeit zwischen den Spitälern und den interprofessionellen Partnern verbessert werden.

Welche Lehren für die Zukunft?

Ausgehend von den Erfahrungen und den Rückmeldungen darüber, wie die Pandemie erlebt und wie ihr begegnet wurde, ist es die Aufgabe von mfe, mit Blick auf die künftige Rolle der Haus- und Kinderarztmedizin in Pandemien konkrete Forderungen an die Politik zu formulieren. Bei der nächsten Delegiertenversammlung von mfe am 26. November 2020 werden sich die Delegierten mit dieser Thematik be­fassen.
Die drei Regionaltreffen haben eindrücklich die wichtige Rolle der Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte in dieser Krise gezeigt. An vorderster Front stehend waren sie in der Lage, die Empfehlungen umzusetzen, ihre Praxis an die neue ­Situation anzupassen, flexibel zu sein und vor allem ihre Patientinnen und Patienten in einem besonderen Kontext sicher zu versorgen.
Die drei Regionaltreffen finden auch 2021 wieder statt, wir freuen uns bereits darauf, Sie dabei zahlreich begrüssen zu können. Die Termine werden in Kürze ­bekannt gegeben.
Sandra Hügli-Jost
Kommunikations­beauftragte mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz
Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.Huegli[at]hausaerzteschweiz.ch