CIRS-Flash Nr. 14: Helicobacter mit Ciproxin «eradiziert»

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Ausgabe
2021/01
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2021.10286
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2021;21(01):30

Publiziert am 06.01.2021

CIRS-Flash Nr. 14: Helicobacter mit Ciproxin «eradiziert»

«Die Patientin war in der Gastroskopie, ein Helicobacter pylori wurde nachgewiesen, und aus Zeitgründen wurde der Patientin ein handgeschriebenes Rezept mit Amoxicillin, Clarithromycin und Pantoprazol abgegeben.
Noch am selben Tag kommt die Patientin wegen eines Unfalls in die Sprechstunde (Bericht der Gastroskopie noch nicht vor­liegend) und die Patientin fragt beiläufig, ob sie diese Medikamente noch mitnehmen dürfe. Nach Rücksprache mit der Hausärztin geben die MPA die verordneten Medikamente ab. Aber anstelle von Clarithromycin geben sie Ciprofloxacin heraus (sie sind bei uns in der Apotheke direkt nebeneinander). Das Rezept wird nicht eingescannt (was eigentlich sein müsste) und ein Medikamenten­abgabefall wird auch nicht eröffnet (was auch sein müsste). Zufällig erfährt die Ärztin später, dass die Patientin das falsche Antibiotikum erhalten und schon 8,5 Tage ein­genommen hatte.
Zu welchem Resultat führte der Zwischenfall?
Frustrierte Patientin. Ob die Eradikation trotzdem erfolgreich war, wird sich zeigen. Ob die Patientin dann aber eine erneute Kur durchführt, mag ich bezweifeln.
Was haben Sie unternommen, um ähnliche Fehler in Zukunft zu vermeiden?
Jeweils Medikamentenfall eröffnen, Rezept mit Medikament ­abgleichen, Vier-Augen-Prinzip und Rezept ablegen ... Eventuell Ciprofloxacin und Clarithromycin in der Apotheke voneinander distanzieren. Bei handgeschriebenen Rezepten (sollte es in der heutigen digitalen Welt bei uns eigentlich nicht mehr geben ...) Rücksprache/Kontrolle mit dem Arzt.»
Kommentar 1: Man muss sich hier vernünftigerweise die Frage stellen, ob diese Art von Fehler in der Selbstdispensation leichter auftreten könnte als in Apotheken.
Kommentar 2: Die direkte Medikamentenabgabe DMA (Selbstdispensation) bedingt, dass ein Medikament durch den Arzt selbst oder durch die MPA in Auftrag des Arztes abgegeben wird. Hier haben verschiedene Sicherheitsfilter versagt: Das Rezept wurde nicht durch den Arzt persönlich kontrolliert. Das Rezept war hand- statt maschinengeschrieben. Es wurde nicht eingescannt. Es wurde kein Medikamentenfall im System eröffnet. Möglicherweise wurden somit die Medikamente fälschlich dem Unfall zugeordnet (ist aber nicht ausdrücklich so erwähnt). Das Vier-Augen-Prinzip wurde nicht eingehalten. Die Abgabe des ­falschen Medikaments wurde abends nicht durch die Leistungskontrolle des Arztes plausibilisiert. Als Risikofaktoren haben wir zudem die Konstellation: «sounds alike». Als weiterer begünstigender Faktor ist eine Schnittstellenproblematik (Spezialarzt/Hausarztpraxis) zu verzeichnen.
Kommentar 3: Eine Verwechslung, wie sie leider immer wieder vorkommen kann. Wir haben in der Praxis ein sogenanntes ­Ampelsystem eingeführt für die MPA. Rot bedeutet bei den Medikamenten, dass die MPA, egal ob es ein Dauerbezüger ist oder nicht, immer einen Arzt fragen muss, der die Medikation validiert, sprich Vier-Augen-Prinzip, um die bereits in anderen Fällen erwähnten 6-R-Regel zu beachten: richtiger Patient, richtiges Medikament, richtige Dosierung, richtige Zeit, richtige Applikation und eben auch richtige Dokumentation. Bei uns sind beispielsweise alle Antibiotika auf rot gestellt. Gelb erlaubt der MPA, gewisse Medikamente delegiert den Dauer­bezügern abzugeben, aber nur nach Rückfrage beim Patienten (wie und wann wendet er es an, ist die Dosierung klar?), sowie kurz beim Arzt, zum Beispiel Ventolin® Dosier-Aerosol. Diese Medikamente dürfen also nur abgegeben werden, wenn sie bereits zuvor in einer Konsultation durch den Arzt verschrieben wurden und der Patient instruiert wurde. Dies betrifft eine grosse Zahl von Medikamenten. Grün sind Medikamente, die eher für Banalitäten gedacht sind, beispielsweise Schnupfenspray, gewisse Analgetika etc. Diese dürfen delegiert durch die MPA abgegeben werden. Wir haben recht gute Erfahrungen damit gemacht und konnten dadurch die fehlerhaften Abgaben senken. Dass Rezepte handgeschrieben werden, sollte aus Gründen der Patientensicherheit, wie bereits erwähnt, vermieden werden. Die elektronische Verordnung sollte Standard sein, der Zeitaufwand ist gerechtfertigt, respektive ist bei einem guten Programm nur unwesentlich länger. Zudem ist die Dokumentation korrekt und nachvollziehbar.
Für Ihren nächsten Fall: www.forum-hausarztmedizin.ch.
Herzlichen Dank!
Das CIRS Team
Dominique Gut, Markus Gnädinger
Korrespondenz: Dr. med. Markus Gnädinger, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, ­Birkenweg 8, CH-9323 Steinach, markus.gnaedinger[at]hin.ch