COVID-19-Impfung – wer bezahlt?

Der Beifall ist der Lohn der Künstlerin

Editorial
Ausgabe
2021/04
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2021.10361
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2021;21(04):109

Affiliations
Präsident mfe, Haus- und Kinderärzte Schweiz

Publiziert am 30.03.2021

«Applaus! Applaus!» Der Ruf von Kermit, dem Chef-Frosch der Muppet Show, ist in unseren akustischen ­Erinnerungen eingebrannt (jedenfalls bei gewissen Jahrgängen). Der Beifall ist das Brot des Künstlers, ist der Lohn der Performerin. Viele Künstlerinnen vermissen diesen Moment schon einige Zeit, vermissen den direkten Kontakt mit dem Publikum, das Spüren der Reaktionen auf ihre Kunst. Applaus ist wichtig, nur: ­davon ­leben, können auch die besten Künstler nicht.
Haus- und Kinderärzte sind sicher Künstler in manchen Hinsichten. Unsere Art, mit Menschen und Situationen umzugehen, benötigt mehr als reines Sachwissen. Es war ein langer Weg, die Relevanz unserer Arbeit aufzuzeigen, die Emanzipation des GPs, des General Practicioners, hat in den letzten 20 Jahren unseren Wert und unseren Selbstwert auf der ganzen Welt ansteigen lassen. Dass sich dies aber auch in monetärer Hinsicht auswirkt, hat erst der bundesrätliche Tarif­eingriff 2014 bewirkt. Übrigens: bei der Einführung des Tarmed 2004 war uns versprochen worden, die von uns freiwillig eingegangenen Herabstufungen zu korrigieren, Santésuisse hat nie Anstalten gemacht, sich dafür einzusetzen.
Warum erwähne ich die Krankenkassen? Weil sie auch in der aktuellen Diskussion um die Entschädigung der COVID-19-Impfung in der Hausarztpraxis eine unsägliche Figur machen. Leider ist auch die GDK, die Gesundheitsdirektorenkonferenz, ein übler Mitspieler in diesem Trauerstück. Vorhang auf für diese Tragödie:
1. Akt: Der Bundesrat verspricht der Bevölkerung, dass die COVID-19-Impfung gratis ist. Da die Kantone laut Epidemiengesetz zuständig sind, werden Verhandlungen zwischen Versicherern und der GDK geführt: Die Krankenkassen bezahlen 14,50 Franken pro Impfung. Erst später realisieren die Kantone, dass dieser Preis auch für ein grosses Impfzentrum nie kostendeckend sein wird, mit 50 Franken muss man auch dort rechnen: Die GDK hat sich über den Tisch ziehen lassen.
2. Akt: Wir bei mfe erfahren, dass in einzelnen Kantonen Anfragen eingehen, um die Impfung durch die Hausärzte in den Praxen korrekt zu entschädigen. Um zu verhindern, dass nun 26 verschiedene Systeme verhandelt werden müssen, melden wir uns bei der GDK. Zusammen mit der FMH werden wir angehört, aber nicht als Tarifpartner einbezogen. Wir erstellen Berechnungen, in vielen Online-Sitzungen, mehrmals pro Woche, kurzfristig einberufen, erklären unsere Arbeit und unseren Aufwand.
3. Akt: Versicherer und GDK ziehen sich zurück und dekretieren, dass eine Impfung 24,50 Franken kostet, ohne selbst Berechnungen anzustellen und diese Zahl mit Daten zu belegen: Basar pur! Wertschätzung Null!
4. Akt: Es passiert genau das, was wir verhindern wollten: in vielen Kantonen wird die Entschädigung separat mit den Hausärzten verhandelt. Und dies, obwohl die GDK in einem internen Schreiben hinterrücks die Kantone gewarnt hat, Einzelverhandlungen zu führen.
Wir haben begonnen, unsere Risikopatientinnen und -patienten zu impfen, ohne zu wissen, wie wir entschädigt werden, und werden das, jeder mit seinen Möglichkeiten, auch weiter tun. Uns liegt die Bevölkerung nämlich am Herzen, anders als den Krankenkassen und der GDK.
Waldorf und Statler (die Nörgler aus der Muppet Show) würden sarkastisch kommentieren: «Selbst nichts beitragen zur Behebung der Pandemie, aber dafür denen im Weg stehen, die etwas tun!»
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Sandra Hügli-Jost 
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