CIRS-Flash Nr. 15: Kalium-Dragées mit Effervetten verwechselt

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Ausgabe
2021/09
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2021.10371
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2021;21(09):298

Publiziert am 31.08.2021

CIRS-Flash Nr. 15: Kalium-Dragées mit Effervetten verwechselt

«Der Nephrologe verschreibt einer peritonealdialysepflichtigen Patientin bei Hypokaliämie (2,4 mmol/l) Kalium Dragées 3× täglich und bittet mich, das Medikament entsprechend abzugeben.
Ich schaue bei uns nach und bestätige, dass wir diese Kalium Dragées (und hier passiert der Fehler – wir haben Effervetten) vorrätig haben. Die weiteren Kontrollen werden wie vereinbart vom Nephrologen übernommen.
Die Patientin erhält von uns Kalium Effervetten zur 3× täglichen Einnahme. Der Ehemann meldet sich nochmals beim Nephrologen, ob dies jetzt gut sei so. Nach einer Woche konsultiert die Patientin den Nephrologen mit Verschlechterung des Allgemeinzustands, Schwäche; sie könne kaum auf den Beinen stehen: ­Diagnose Hyperkaliämie von 7,7 mmol/l. Die weitere Einnahme des Medikaments wurde sofort gestoppt. Zur Elimination des Kaliums musste die Patientin eine Extradialyse durchführen und Natriumpolystyrensulfonat (Resonium® R) schlucken.
Gemäss Compendium gibt es «KCl-Retard Dragees 10 mmol/l» und «Kalium Effervetten» – die Effervetten enthalten 30, die Dragees 10 mmol Kalium. In der Teamsitzung wurde die Verwechslung besprochen, sodass alle Mitarbeiter aktuell den ­Unterschied zwischen Dragees und Effervetten kennen.»
Kommentar 1: Die Verwechslung von KCl-Retard Dragées und Kalium Effervetten ist ein Dauerbrenner; der Name ist ähnlich, und die Schachtel sieht gleich aus. In Gebieten mit direkter ­Medikamentenabgabe (Selbstdispensation) gehört ein Warnkleber aufs Kästchen «Dragée oder Brause?». Ob das Medikament auch in der Apotheke verwechselt werden kann? Wir werden den Fall an Swissmedic weitermelden.
Eigentlich wäre die Peritonealdialyse prädestiniert, sowohl einer Hyper- als auch einer Hypokaliämie ausgleichend entgegenzuwirken. Allerdings sind die kommerziell verfügbaren Dialysate kaliumfrei, und es wäre eine Kontaminationsquelle erster Güte, die Patienten Kaliumchlorid ins Dialysat spritzen zu lassen. Ob andererseits die Gabe von Kaliumpräparaten immer nötig ist? Sehr viel könnte wohl auch mit der gezielten Diätvorschrift über die Nahrung korrigiert werden. Und bei nicht dialysepflichtigen Patienten könnte die Kaliumkorrektur oftmals mit einer Reduktion des Thiazid- oder Schleifendiuretikums bei gleichzeitiger Gabe von Amilorid oder Spironolacton erreicht werden.
Kommentar 2: Medikationsfehler gehören zu den häufigsten Fehlern im Gesundheitswesen. Für eine sichere Praxis muss bei der Verordnung auf unzweideutige Angaben geachtet werden. Dies insbesondere bei einem Medikament wie Kalium, das als Elektrolyt zu den Hochrisikomedikamenten gezählt werden muss. Zur Vermeidung künftiger Zwischenfälle sollte also nicht «Kalium Dragées 3× täglich» stehen, sondern «KCl Dragées 10 mmol/l 3× täglich» (entsprechend 30 mmol/l pro Tag). So würde dem abgebenden Arzt auffallen, dass die Kalium Effervetten 30 mmol/l haben, und die Verwechslung wäre bereits im Vorfeld ausgeschlossen. Als Vergleich: wir verordnen ja auch nicht «Ibuprofen», sondern «Ibuprofen 400 mg» 3× täglich – die Dosierung sollte erkenn- und nachvollziehbar sein. Allenfalls wäre für die Praxis auch die Einführung einer Doppelkontrolle bei gewissen Medikamenten als sinnvolle Sicherheitsmassnahme zu erwägen (Ampelsystem).
Kommentar 3: Zu beachten ist auch, dass Kalium Dragées und Kalium Effervetten unterschiedliche Kaliumsalze enthalten, «die abhängig von der Stoffwechsellage (Säure-Basen-Haushalt) eingesetzt werden» (siehe Compendium!). Es ist also nicht nur eine Frage der Dosierung! Ich nehme an, dass der Nephrologe bei der Verschreibung auch dies, nämlich den Säure-Basen-Haushalt, berücksichtigt hat. Dragées und Effervetten sind also auch bei gleicher Dosierung nicht einfach austauschbar!
Für Ihren nächsten Fall: www.forum-hausarztmedizin.ch.
Herzlichen Dank!
Das CIRS Team
Dominique Gut, Markus Gnädinger
Dr. med. Markus Gnädinger Facharzt für Allgemeine Innere Medizin
Birkenweg 8
CH-9323 Steinach
markus.gnaedinger[at]hin.ch