Der Fall von Arosa – Folge 1

Der Skiunfall

Fortbildung
Ausgabe
2021/09
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2021.10409
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2021;21(09):290-291

Affiliations
Medizinisches Zentrum Arosa

Publiziert am 31.08.2021

Der Fall von Arosa – Folge 1

Ein 23-jähriger, gesunder Skilehrer erleidet einen Sturz auf die rechte Schulter beim Skifahren. Die Konsultation findet nach zwei Stunden statt.

Klinisches Bild

Es bestehen eine Asymmetrie der lateralen Clavicula, ein deutliches Klaviertastenphänomen und eine anteroposteriore Instabilität (Abb. 1).
Abbildung 1: Asymmetrie laterale Clavicula. Deutliches Klaviertastenphänomen und anteroposteriore Instabilität.

Bildgebung

Röntgen: Clavicula rechts ap und tangential (Abb. 2 A und B). Panoramaaufnahme zum Vergleich der beiden AC-Gelenke (Abb. 3 A und B).
Abbildung 2: A) Clavicula rechts ap B) tangential.
Abbildung 3: A) Panoramaaufnahme (Zum Vergleich der beiden AC-Gelenke: Patient zu «breit» für die verfügbare Röntgenplatte, deshalb siehe B) Panoramaaufnahme von einem anderen Patienten.

Was sind Ihre Diagnose und das weitere Vorgehen?

Antwort und Synopsis

Diagnose: Acromio-claviculäre Luxation Tossy III/ Rockwood IV rechts.
Klassifikation nach Tossy (1963) I–III, Rockwood (1998) I–VI (Tab. 1).
Tabelle 1: Klassifikation nach Tossy und Rockwood [1]. © Povilas Masionis, Rokas Bobina, Sigitas Ryliskis. The Relationship Between the Clinical and Radiological Findings and the Outcomes of Early Surgical Treatment After Tossy Type III Acromioclavicular Joint Dislocation. Cureus. 2020 Jan 16;12(1):e6681.doi: 10.7759/cureus.6681.
Type of injury
TossyRockwoodAC capsuleCC ligamentDT fasciaClavicle position
IISprainedIntactIntactNot displaced
IIIITornSprainedIntact<25% superior its thickness
 IIITornTornInjured25–100% superior
 IVTornTornDetachedPosterior to ­acromion
IIIVTornTornDetached>100% superior
 VI (very rare)TornTornDetachedUnder coracoid
AC: acromioclavicular; CC: coracoclavicular; DT: deltotrapezoidal
Differentialdiagnose: Laterale Claviculafraktur

Abklärungen/Bildgebung

Rx Clavicula ap und tangential. Die Panoramaaufnahme belastet mit 2–5 kg/Stressaufnahme die AC-­Gelenke [2]. Da diese Belastung mit dem Gewicht in den beiden Händen Schmerzen verursacht, kann diese Aufnahme zum Seitenvergleich auch ohne Gewicht oder in der sogenannten Selbstumarmungstechnik durchgeführt werden. Ein MRI ist nicht notwendig.

Therapie generell (von individuellen Ausnahmen abgesehen):

Tossy I und II, Rockwood I–III konservativ, ab Tossy III und Rockwood IV operativ (mehrere Techniken) [2, 3].
Dringlichkeit einer Operation: Der Patient kann postprimär versorgt werden (innerhalb 1 bis max. 2 Wochen).
Im vorliegenden Fall: Der Patient wurde postprimär operiert (Abb. 4).
Abbildung 4: Fixation mit tight rope mit dog bone button.

Zusammenfassung für die Praxis

Die acromioclaviculäre Luxation (AC-Luxation):
• Schulterrelief anschauen
• erste Abklärung mit Röntgen Clavicula ap und tangential (nicht Schulter ap/ Neer!)
• nur Tossy III, Rockwood ≥IV operieren
• keine Notfalloperation
• sofern Operation, postoperatives Prozedere des Operateurs beachten (mehrere Techniken möglich)
Mit dieser Serie «Der Fall von Arosa» wollen wir in kurzer, knackiger Form Notfälle zeigen, wie sie jeder Hausärztin / jedem Hausarzt in der Praxis begegnen können. Die Herkunft der Fälle aus einer Region mit viel sportlicher Aktivität verspricht, dass meist – aber nicht nur – über Unfälle berichtet wird. Machen Sie sich also fit für die gekonnte Erstversorgung solcher Fälle!
PD Dr. med. Dominik Heim
Medizinisches Zentrum Arosa
Poststrasse
CH-7050 Arosa
heim.dominik[at]bluewin.ch
1 Masionis P, Bobina R, Ryliskis S. The relationship between the clinical and radiological findings and the outcomes of early surgical treatment after Tossy type III acromioclavicular joint dislocation. Cureus 2020 Jan 16;12(1):e6681.
2 Jensen G. Verletzungen des acromioclavicularen Gelenkes. Unfallchirurg 2015;118:1041–55.
3 Cook JB, Krul KP. Challenges in treating acromioclavicular separations: current concept. J Am Acad Orthop Surg. 2018;26(19):669–77.