Diese zwei Formen der Ethik stehen meist im Vordergrund, aber diejenige, die mich hier interessiert, ist von einer anderen Beschaffenheit. Zusammen mit Fachleuten der unterschiedlichsten Richtungen (Pfleger:innen, Anwält:innen, Psychiater:innen, Ethiker:innen) gründeten wir vor mehr als zehn Jahren und leiten seitdem eine Ethikkommission im Rahmen der grössten Organisation für häusliche Pflege und Betreuung im Kanton Waadt [1]. Die Ethik, die uns vorrangig beschäftigt, betrifft das moralische Leiden des Pflegepersonals, das unserer Meinung nach das Hauptsymptom eines Problems, einer Schwierigkeit, in diesem Bereich ist. Dieses Unbehagen ergreift und überfordert manchmal unsere Kolleg:innen, wenn diese auf ihre Fragen zu einem bestimmten Patienten oder einer Patientin keine befriedigende oder vertretbare Antwort finden. Sie müssen gleichzeitig die eine Sache als auch die Entgegengesetzte tun. Zum Beispiel: Eine Pflegefachfrau muss eine Person in eine Klinik oder medizinisch-soziale Einrichtung einweisen, die damit nicht einverstanden ist und deren Wille auf einer zweifelhaften Autonomie und Urteilsfähigkeit beruht. In einem anderen Fall fühlt sie sich verpflichtet, jeder Ansteckung aus dem Weg zu gehen, um ihren eigenen Partner, der sich einer Chemotherapie unterzieht, oder ihre gebrechliche Verwandte zu schützen; gleichzeitig veranlasst sie ihre Pflicht, an ihrem Arbeitsplatz zu bleiben, weil es ihr Beruf ist und sie ihn gewählt hat. Oder es ist wichtig, den Besuch von Verwandten in der medizinisch-sozialen Einrichtung zu verbieten, um die Ad-hoc-Richtlinien zu befolgen und ein Leben zu schützen, obwohl dieses Leben nur im Kontakt mit der Familie Sinn findet. Diese ethischen Konflikte und das daraus resultierende Unbehagen sind wesentliche Bestandteile der Pflegebeziehung; es ist eine Binsenweisheit zu behaupten, dass diese auf ihrer Einzigartigkeit basierende Beziehung praktisch immer eine Folge dieses besonderen Unbehagens der Pflegeperson ist.