Kommunikation und Zusammen­arbeit stärken für die Verbesserung der Kontinuität der Versorgung

Themenschwerpunkt
Ausgabe
2021/12
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2021.10601
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2021;21(12):419-421

Publiziert am 30.11.2021

In der Schweiz wird pro Jahr über eine Million Menschen hospitalisiert, 24% davon mehr als einmal. Der Grossteil der Hospitalisierungen steht im Zusammenhang mit Verletzungen und Erkrankungen des Muskel-Skelett- oder Kreislaufsystems. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Akutspital ist in den letzten beiden Jahrzehnten um zwei Tage gesunken, und zwar von 7,4 Tagen im Jahr 2004 auf 5,4 Tage im Jahr 2019.

Übergang zwischen Spital und ambulantem Bereich
In der Schweiz wird pro Jahr über eine Million Menschen hospitalisiert, 24% davon mehr als einmal [1]. Der Grossteil der Hospitalisierungen steht im Zusammenhang mit Verletzungen und Erkrankungen des Muskel-Skelett- oder Kreislaufsystems. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Akutspital ist in den letzten beiden Jahrzehnten um zwei Tage gesunken, und zwar von 7,4 Tagen im Jahr 2004 auf 5,4 Tage im Jahr 2019 [2]. Neben dem kürzeren Aufenthalt im Akutspital ist festzustellen, dass Patient:innen zwischen mehreren Versorgungseinrichtungen wie Rehabilitationszentren oder Pflegeheimen wechseln können, bevor sie endgültig nach Hause entlassen werden. Jeder Übergang geht mit einem Risiko für die Zugänglichkeit und Kontinuität der Versorgung einher. Durch die Stärkung der Kommunikation und Koordination zwischen den Patient:innen, den Angehörigen und den ­diversen Gesundheitsfachpersonen lassen sich die ­Risiken allerdings identifizieren und möglicherweise minimieren.
In den letzten Jahren wurde in der Fachliteratur eine beträchtliche Zahl von Interventionen zur Verbesserung von Qualität und Sicherheit der Entlassung nach Hause untersucht [3]. Die erzielten Ergebnisse scheinen jedoch weiterhin eher zufallsbedingt zu sein. Die derzeit verfügbaren Daten zeigen, dass sich Interventionen mit pädagogischer Komponente und jene mit ­einer Kombination aus Massnahmen vor und nach der Entlassung positiv auf den Versorgungsübergang auszuwirken scheinen. Den Koordinationspflegefachpersonen kommt in der Schweiz eine wichtige Rolle beim Übergang zwischen den Versorgungsphasen zu, indem sie im Spital, aber auch in der ambulanten Einrichtung Informationen einholen, die Aufnahme- und Entlassungsdokumente vorbereiten und weiterleiten und die stationären und ambulanten Akteure koordinieren [4, 5]. Sehr wertvoll ist der Kontakt, den die Koordina­tionspflegefachperson mit den Patient:innen, den ­Verwandten und den Angehörigen der verschiedenen Gesundheitsberufe während des Spitalaufenthalts herstellt, da er dazu dient, in einer für die Patient:innen besonders disruptiven Phase Verbindungen zu knüpfen.
Die Kommunikation während des Spitalaufenthalts zwischen den Ärzt:innen des stationären und des ambulanten Bereichs ist eine häufig diskutierte Frage. Der in den 1970er-Jahren eingeführte Entlassungsbrief ist weiterhin das gebräuchlichste Kommunikationsmittel für die Übermittlung wichtiger klinischer Informa­tionen an die für die ambulante Betreuung der Patient:innen Verantwortlichen [6]. Dieser schriftliche Bericht muss nach der Entlassung umgehend zugestellt werden, kompakt sein (bis zu zwei Seiten) und jene Punkte zusammenfassen, welche die besondere Aufmerksamkeit der Gesundheitsfachpersonen erfordern. Ungeachtet offizieller Empfehlungen und der beträchtlichen Anstrengungen der Spitäler werden die Entlassungsbriefe allerdings oftmals auch heute erst mehrere Tage nach der Entlassung übermittelt [7, 8]. Angesichts des angebrochenen Telekommunikationszeitalters sollten deshalb andere Kommunikationsmittel und -strategien ins Auge gefasst werden.

Antizipation, Begleitung und Überwachung

Die aktive Beteiligung der Ärztinnen und Ärzte des ambulanten Bereichs an der Aufnahme und der Entlassungsvorbereitung kann nützlich sein, um den Übergang zwischen den Versorgungsphasen zu optimieren und kollaborative Praktiken zu entwickeln [9]. Durch den verbreiteten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik und die Digitalisierung des Pa­tientendossiers entstehen neue Modelle der Zu­sammenarbeit und Kommunikation, besonders bei Personen, die eine komplexe Betreuung mit vielfältigen Akteuren benötigen. In diesem Artikel wird ein Modell vorgeschlagen, das eine Strategie zur Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Gesundheitsfachpersonen während der stationären Akutversorgung schematisch darstellen soll (Abb. 1).
Abbildung 1:
Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsfachpersonen im stationären und ambulanten Bereich während eines Spitalaufenthalts.
In der Antizipationsphase eines elektiven Krankenhausaufenthalts oder auch bei Patient:innen, die häufig als Notfall in ein Krankenhaus eingeliefert werden, muss der Hausarzt / die Hausärztin darauf achten, dass nützliche Informationen an das medizinische Fachpersonal des Krankenhauses weitergegeben werden, z.B. die Krankengeschichte, Allergien, die übliche Behandlung und frühere therapeutische Misserfolge, mögliche Überzeugungen und relevante psychosoziale Informationen. Es gilt, jene Personen zu identifizieren, welche die Rolle der pflegenden Angehörigen übernehmen, sowie das Netz der häuslichen Betreuung und seine Akteure und die an der ambulanten Versorgung beteiligten Gesundheitsfachpersonen (etwa die Apothekerin bzw. den Apotheker, die zuweisende Ärztin bzw. den zuweisenden Arzt). Die Hospitalisierung von Personen, die von mehreren Krankheiten gleichzeitig betroffen sind oder bei denen das Risiko von Komplikationen besteht, kann eine intensivere Vorbereitung mit einer Ad-hoc-Diskussion zwischen den Gesundheitsfachpersonen vor dem Spitalaufenthalt erfordern.
Nach der Aufnahme im Spital ist die Begleitung prioritär, um wichtige Informationen erhalten und weitergeben zu können. Auch wenn es bisweilen wenig sinnvoll erscheint, kann ein kurzes Telefonat zwischen der Hausärztin bzw. dem Hausarzt und der betreuenden Ärztin bzw. dem betreuenden Arzt des Spitals wichtige Informationen während des Aufenthalts liefern und möglicherweise den Übergang der Betreuung am Ende des Spitalaufenthalts erleichtern, auch wenn unmittelbar keine schriftlichen Informationen vorliegen. Im ambulanten Bereich können sich die Gesundheitsfachpersonen zudem an der Vorbereitung der Verwandten und pflegenden Angehörigen auf die Rückkehr nach Hause beteiligen, im Geiste der Zusammenarbeit mit dem Spitalteam und der Optimierung verfügbarer Ressourcen. Zur Planung der Entlassung stehen mehrere Modelle zur Verfügung, die leicht anwendbar sind. Die US-amerikanische Behörde für Gesundheitsforschung und -qualität (Agency for healthcare research and quality, AHRQ) schlägt das Akronym IDEAL vor, um die fünf Faktoren zu beschreiben, die bei der Entlassungsplanung beachtet werden müssen (Tab. 1) [10].
Tabelle 1:
Entlassungsvorbereitung gemäss dem Algorithmus IDEAL. Auf Deutsch angepasst nach [10]. Nachdruck mit freund­licher Genehmigung von Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ).
I für «Include» oder EinbeziehenDie Patientin bzw. den Patienten und die Angehörigen als ­Partner in die Entlassungsplanung einbeziehen.
D für «Discuss» oder DiskutierenMit der Patientin bzw. dem Patienten und den Angehörigen über fünf Schlüsselthemen diskutieren, um Problemen zu Hause vorzubeugen: 1. Beschreiben, wie das Leben zu Hause sein wird. 2. Medikamentöse Behandlung besprechen. 3. Warn­zeichen und Probleme identifizieren. 4. Untersuchungsergebnisse erklären. 5. Kontrolltermine planen.
E für «Educate» oder AufklärenDie Patientin bzw. den Patienten und die Angehörigen in geeigneter Sprache über Diagnose, folgende Schritte des Spitalaufenthalts und Entlassungsprozess aufklären.
A für «Assess» oder EvaluierenEvaluieren, wie die Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegefachpersonen die Diagnose und die nötigen Behandlungsmassnahmen erklären und in eigenen Worten darstellen können («Teach-back»).
L für «Listen» oder ZuhörenZiele, Präferenzen, Anmerkungen und Bedenken der Patientin bzw. des Patienten und der Angehörigen anhören und respektieren.
Die Phase der Überwachung schliesslich beginnt mit der Entlassung aus dem Spital und endet im Allgemeinen nach 30 Tagen. In den ersten sieben Tagen nach dem Übergang sollte im Falle eines Komplikations- oder Rehospitalisierungsrisikos eine erste klinische Evaluierung erfolgen, in der Praxis oder bei der Patientin bzw. dem Patienten zu Hause. Bei dieser Gelegenheit werden die relevanten klinischen Parameter kontrolliert und die Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen darauf hingewiesen, wie sie Warnzeichen frühzeitig erkennen. Jede Gesundheitsfachperson, auch jene des Spitals, sollte eine gewisse Verfügbarkeit aufrechterhalten, um allfällige Fragen der Pa­tientinnen und Patienten, pflegenden Angehörigen, Pflegefachpersonen oder Ärztinnen und Ärzte zu ­beantworten.

Schlussfolgerung

Um die Kontinuität der Versorgung zu gewährleisten, muss der Übergang zwischen Spital und ambulantem Bereich von allen Akteuren möglichst früh vorbereitet und während des Spitalaufenthalts ständig angepasst werden. Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsfachpersonen im stationären und ambulanten Bereich können durch eine proaktive Antizipations-, Begleitungs- und Überwachungsstrategie gestärkt werden.
Dr Alexandre Gouveia
Policlinique de médecine générale
Département des ­policliniques,
Unisanté
CH-1011 Lausanne
alexandre.gouveia[at]unisante.ch
1. OFS. Patients, hospitalisations. Statistique des hôpitaux 2020; Available from: https://www.bfs.admin.ch/bfs/fr/home/statistiques/sante/systeme-sante/hopitaux/patients-hospitalisations.html.
2. OFS. Durée de séjour dans les hôpitaux de soins aigus. Statistique des hôpitaux 2020; Available from: https://www.obsan.admin.ch/fr/indicateurs/duree-de-sejour-dans-les-hopitaux-de-soins-aigus.
3. Mistiaen, P., A.L. Francke, and E. Poot, Interventions aimed at reducing problems in adult patients discharged from hospital to home: a systematic meta-review. BMC Health Serv Res, 2007. 7: p. 47.
4. Préparer sa sortie d'hôpital. 2021; Available from: https://www.reseau-sante-region-lausanne.ch/preparer-sa-sortie-dhopital.
5. Aued, G.K., et al., Liaison nurse activities at hospital discharge: a strategy for continuity of care. Rev Lat Am Enfermagem, 2019. 27: p. e3162.
6. Gouveia, A., V. Kraege, and C. Sartori, [The discharge summary in the transition between hospital and ambulatory care]. Rev Med Suisse, 2018. 14(628): p. 2128-2130.
7. Kripalani, S., et al., Deficits in communication and information transfer between hospital-based and primary care physicians: implications for patient safety and continuity of care. JAMA, 2007. 297(8): p. 831-41.
8. Burruni, R., et al., Reduction and follow-up of hospital discharge letter delay using Little's law. Int J Qual Health Care, 2019. 31(10): p. 787-792.
9. Boddy, N., et al., How can communication to GPs at hospital discharge be improved? A systems approach. BJGP Open, 2021.
10. Strategy 4: Care Transitions From Hospital to Home: IDEAL Discharge Planning. 2017; Available from: https://www.ahrq.gov/patient-safety/patients-families/engagingfamilies/strategy4/index.html.