Was gibt es Neues zur Therapie bei Diabetes mellitus Typ 2?

Fortbildung
Ausgabe
2022/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2022.10469
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2022;22(10):307-312

Publiziert am 05.10.2022

In der Schweiz sind rund 500'000 Personen von Diabetes betroffen, wobei die Mehrheit an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt ist. Diabetes mellitus ist ein wichtiger Risikofaktor insbesondere für kardiovaskuläre Erkrankungen und war 2019 ursächlich für 4,2 Millionen Todesfälle, daher ist nebst der Prävention eine adäquate Therapie zentral.

Weiter- und Fortbildung aus der Sicht des Nachwuchses

Diagnosestellung bei Diabetes Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 ist eine Stoffwechselstörung, die mit einer chronischen Erhöhung der Blutglukosewerte einhergeht. Die Entstehung von Typ-2-Diabetes ist assoziiert mit einer genetischen Komponente sowie mit Überernährung, oftmals im Rahmen eines metabolischen Syndroms, in Kombination mit einer gestörten Funktion der Insulin-produzierenden β-Zellen des Pankreas. Zudem besteht beim Typ-2-Diabetes eine Störung der Wirkung des Insulins an den Körperzellen, wodurch es zur Insulinresistenz kommt. Die Insulin­resistenz führt zusammen mit der im Verlauf abnehmenden Insulinsekretion der β-Zellen zu einer Hyperglykämie, die häufig über Jahre asymptomatisch bleibt.
Durch die schleichende Entwicklung des Diabetes ­mellitus Typ 2 und die Abwesenheit von Symptomen in den Frühstadien wird die Diagnose oft erst spät gestellt; im Durchschnitt dauert es sieben Jahre bis zur Diagnosestellung [1]. Da die pathologische Stoffwechsellage in dieser mehrheitlich klinisch inapparenten Erkrankungsphase des Typ-2-Diabetes jedoch bereits durch Mikro- und Makroangiopathien zu Organschädigungen von Herz, Gefässen, Nieren, Augen und Nervensystem führt, ist eine frühe Diagnosestellung von zentraler Bedeutung. Ein Typ-2-Diabetes kann sich klinisch auch durch Allgemeinsymptome wie Leistungsminderung, Müdigkeit, Gewichtsverlust sowie durch Polyurie, Polydipsie, Wadenkrämpfe, Pruritus oder rezidivierende Sehstörungen präsentieren.
Die Diagnose Diabetes mellitus kann anhand eines pathologisch erhöhten Nüchternblutzuckers ≥126 mg/dl nach achtstündiger Nahrungskarenz oder einer Erhöhung des HbA1c-Werts ≥6,5% gestellt werden [4]. Bei ­unklarer Diagnose des Diabetes kann die Diagnose­stellung auch durch den Nachweis einer pathologischen Glukosetoleranz im oralen Glukosetoleranztest (oGTT) erfolgen. Der Grenzwert von ≥11,1 mmol/l zur Diagnose des Diabetes mellitus gilt sowohl für den oGTT wie auch für Random-Plasma-Glukosemessungen tagsüber inklusive postprandial, jedoch nicht für Messungen mit kapillären Glukosemessgeräten.
Der Typ-2-Diabetes wird häufig als Zufallsbefund bei einer Vorsorgeuntersuchung durch eine Erhöhung der Nüchternglukose oder des HbA1c-Werts entdeckt. Bei der Diagnosestellung des Diabetes Typ 2 ist zu beachten, dass bei Erkrankungsbeginn auch Hypoglykämien möglich sind. Die Hypoglykämien in der Frühphase des Diabetes mellitus entstehen aufgrund einer Rest-Insulinsekretion der β-Zellen bei gleichzeitiger ­Insulinresistenz und einer kurzzeitigen Erhöhung der Insulinempfindlichkeit beispielsweise in Abhängigkeit vom Tagesverlauf. Im weiteren Krankheitsverlauf des Diabetes Typ 2 zeigt sich eine Abnahme der Insulinsekretion und eine zunehmende Hyperglykämie.
Da eine frühe Diagnosestellung zur Verhinderung möglicher Komplikationen von grosser Bedeutung ist, wird bei Personen ab 45 Jahren alle drei Jahre ein Screening für Typ-2-Diabetes mittels Bestimmung der Plasmaglukose empfohlen [5]. Bei Patienten und Patientinnen mit erhöhtem Risiko für Typ-2-Diabetes aufgrund von Vorerkrankungen wie arterieller Hypertonie, Adipositas und Dyslipidämie sowie bei positiver Familienanamnese wird das Screening bereits früher durchgeführt.

Therapiemöglichkeiten beim Diabetes mellitus Typ 2

Die Behandlungsmöglichkeiten des Diabetes mellitus zielen auf verschiedene Ebenen ab und ermöglichen so eine multifaktorielle Therapie. Bei Patienten und Patientinnen mit Typ-2-Diabetes stellen konservative Therapieansätze essenzielle Bestandteile des therapeutischen Stufenschemas dar und die Insulintherapie wird als Eskalationsstufe der therapeutischen Möglichkeiten eingesetzt.
Die Therapieziele beim Diabetesmanagement sind einerseits die Verhinderung oder das Hinauszögern von Diabetes-assoziierten Komplikationen und andererseits eine Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Die Therapiestrategie und die Therapieziele sollten mit den Patienten und Patientinnen zusammen und unter Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen und Präferenzen erarbeitet werden. Weitere wichtige Aspekte, die es bei der Herausarbeitung der individuell angepassten Therapie zu beachten gilt, sind die Vermeidung von Nebenwirkungen sowie die Therapieadhärenz des Patienten oder der Patientin. Diesbezüglich ist eine partizipative Entscheidungsfindung mit Einbezug und Motivation der Betroffenen von zentraler Bedeutung.

Therapeutisches Vorgehen und klinisches Management

Im Rahmen des Stufenschemas zur Therapie von Typ-2-Diabetes (Abb. 1) sollte jede Stufe während drei bis sechs Monaten angewendet werden. Die nicht medikamentösen Massnahmen sind die effektive Grundlage jeder Therapie von Diabetes mellitus Typ 2 und stellen zugleich die erste Stufe im therapeutischen Stufenschema dar. Grundsätzlich wird zu Beginn der Behandlung beim Diabetes mellitus Typ 2 eine nicht medikamentöse Therapie gestartet, wobei es zwei Ausnahmen gibt:
  • In Situationen mit stark erhöhten HbA1c-Werten ist eine suffiziente Reduktion des HbA1c-Werts oftmals nicht zu erwarten und daher ein direkter Beginn der Stufe II d.h. eine Monotherapie mit Metformin empfohlen.
  • Bei Patienten und Patientinnen mit einem kardiovaskulären Risikoprofil mit mehreren vorliegenden Risikofaktoren kann individuell und unabhängig vom HbA1c-Wert direkt eine medikamentöse Therapie begonnen werden.
Die nicht medikamentösen Massnahmen der Basis­therapie sehen unter anderem eine allfällige Gewichtsreduktion in Kombination mit einer Ernährungs­therapie, die Implementation von regelmässiger körperlicher Aktivität und eine Tabakentwöhnung vor. Weiter gehören zur Basistherapie auch die Kontrolle und Behandlung des Lipidstatus und des Blutdrucks, wobei die Blutdruckwerte bei Patienten und Patientinnen mit Diabetes Typ 2 systolisch <130 mm Hg und ­diastolisch ≤80 mm Hg liegen sollten. Einen weiteren zentralen Aspekt der Basismassnahmen stellen die Patientenedukation über die Erkrankung und mögliche Komplikationen sowie Instruktionen bezüglich Fuss-, Haut- und Zahnpflege dar.
Im Rahmen der Therapie für Patienten und Patientinnen mit Typ-2-Diabetes ist gemäss der Nationalen ­Versorgungsleitlinien von 2020 ein Zielbereich vom HbA1c zwischen 6,5% bis 8,5% anzustreben [6], wobei der HbA1c-Wert individuell angepasst werden kann. Die individualisierte Adaptation des HbA1c-Zielwerts sollte immer unter Berücksichtigung von patientenspezifischen Aspekten wie das Risiko für Hypoglykämien, die Erkrankungsdauer, allfällige Komorbiditäten und Polypharmazie, die Lebenserwartung und Belastung durch die Therapie sowie die soziale Unterstützung und Kognition des Patienten bzw. der Patientin erfolgen. Auch bei der Wahl der Antidiabetika spielen individuelle patientenbezogene Faktoren eine wichtige Rolle. So sind insbesondere die kardiovaskulären Risikofaktoren wie auch eine allfällige Niereninsuffizienz zu beachten.
Nach der Etablierung der Diabetestherapie sollte bei insuffizienter Senkung des HbA1c-Werts mit Werten ≥7,5% beziehungsweise Werten, die den individuell festgelegten Zielbereich überschreiten, eine Überprüfung der Therapiestrategie erfolgen. Dabei sollte auch nach möglichen Gründen für die Nichteinhaltung von vorgängig vereinbarten Therapiezielen gesucht werden. Anschliessend kann die Indikation zum Beginn einer medikamentösen Therapie gestellt beziehungsweise ein Wirkstoffwechsel innerhalb einer Therapiestufe oder eine Therapieeskalation vorgenommen ­werden. Bei der regelmässigen Überprüfung der Be­handlungsstrategie sollten auch die Nebenwirkungen oder allfällige akute Erkrankungen berücksichtigt und gegebenenfalls eine Therapieänderung in Betracht gezogen werden.
Abbildung 1:
Algorithmus Medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes, © ÄZQ.

Klinisches Management bei Diabetes Typ 2

Nebst einer adäquaten Therapie gemäss dem Stufenschema und der Diabetesschulung des Patienten respektive der Patientin sind auch regelmässige ambulante Verlaufskontrollen unter der Voraussetzung einer stabilen Stoffwechsellage indiziert. Anlässlich dieser Verlaufskontrollen sollten alle drei bis sechs Monate eine Nüchternblutzucker- sowie HbA1c-Messung erfolgen. Zusätzlich zur regelmässigen Beurteilung der Diabeteseinstellung ist auch die Prävention allfälliger Komplikationen von grosser Bedeutung. Einmal jährlich sollte bei Typ-2-Diabetikern daher eine Messung des Taillenumfangs, eine Untersuchung der Füsse und eine Ophthalmoskopie sowie eine Kontrolle der Blutdruckwerte durchgeführt werden. Weiter werden ebenfalls einmal jährlich die Kontrolle der Lipidwerte sowie eine Überprüfung der Nierenfunktionswerte empfohlen. Zur Prävention von Komplikationen durch Diabetes mellitus gehört zudem eine weitere Abklärung bei allfälligem Vorhandensein einer depressiven Stimmung.

Neuigkeiten bei der medikamentösen Therapie bei Diabetes Typ 2

Neue Indikationen für GLP-1-Analoga und SGLT-2-Hemmer

Seit der Etablierung der RAAS-Hemmer zur Therapie der diabetischen Nephropathie im Jahr 2000 sind in den letzten 20 Jahren keine neuen Behandlungsmöglichkeiten auf den Markt gekommen. Studien zu kardiovaskulären Ereignissen und renalen Endpunkten aus dem vergangenen Jahr mit SGLT-2-Hemmern bei Patienten und Patientinnen mit und ohne Diabetes haben gezeigt, dass SGLT-2-Hemmer sowohl zu einer HbA1c-Senkung um 0,2% sowie auch zu einer deutlich verminderten kardiovaskulären Mortalität führten [7]. Weiter zeigten sich gute Effekte der SGLT-2-Hemmer bezüglich der untersuchten renalen Endpunkte bei Personen mit Diabetes. Daher wird empfohlen, bei Patienten und Patientinnen mit einer prädominanten Herzinsuffizienz oder chronischen Nierenerkrankung mit adäquater eGFR einen SGLT-2-Hemmer zur Verminderung der Herzinsuffizienz beziehungsweise zur Progressionsminderung der chronischen Nephropathie zur antidiabetischen Therapie mit Metformin dazu zu geben [8]. Bei Patienten und Patientinnen mit einer atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankung sollte vorzugsweise ein GLP-1-Rezeptor-Agonist gewählt werden [8]. Bei den GLP-1-Analoga zeigte sich insbesondere Semaglutide in oraler Anwendung mit guten Effekten hinsichtlich der HbA1c-Senkung sowie einer deutlichen Gewichtsreduktion und positiver Wirkung auf Herz und Gefässe [9].

Kombination GLP-1-Analoga und SGLT-2-­Hemmer

In einer Metaanalyse von Castellana et. al [10] wurde zudem gezeigt, dass durch eine Kombination von GLP-1-Analoga und SGLT-2-Hemmer bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 unter inadäquater Blutzuckerkontrolle sowohl der HbA1c-Wert wie auch das Gewicht positiv beeinflusst werden konnten. Die Kombination von GLP-1-Analoga und SGLT-2-Hemmer wird jedoch durch eine Limitation in der Spezialitätenliste des Bundesamts für Gesundheit (BAG) von der Kostenübernahme durch die Krankenkassen ausgeschlossen, weswegen vor einem allfälligen Behandlungsbeginn mit einer Kombinationstherapie aus diesen zwei Antidiabetika-Klassen eine Abklärung der Kostenübernahme erfolgen sollte [11].

Nebenwirkungsprofil GLP-1-Analoga und SGLT-2-Hemmer im Vergleich

GLP-1-Analoga führen am häufigsten zu gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Nausea, Erbrechen und Diarrhoe während bei SGLT-2-Inhibitoren gehäuft genitale Candida-Infektionen sowie Polyurie beobachtet wurden [12]. Unter der Therapie mit SGLT-2-Hemmern besteht zudem das Risiko einer diabetischen Ketoazidose (DKA), die eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation mit Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung darstellt. Zu den prädisponierenden Faktoren für das Auftreten einer Ketoazidose bei Diabetes mellitus zählen eine lange Krankheitsdauer des Typ-2-Diabetes mit deutlich verminderter endogener Insulinsekretion, eine Dosisreduktion des Insulins, akute Erkrankungszustände oder Operationen, Alkohol­abusus sowie eine verminderte Kohlenhydrataufnahme beispielsweise beim Fasten [13]. Klinisch kann sich eine diabetische Ketoazidose durch Symptome wie Polyurie, Polydipsie, Übelkeit und Erbrechen bis hin zu Bewusstseinseintrübung und Kussmaul-Atmung zeigen. Labordiagnostisch ist eine diabetische Ketoazidose durch den Ketonnachweis in Blut und Urin sowie durch eine metabolische Azidose mit einer grossen Anionenlücke gekennzeichnet, dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die diabetische Ketoazidose beim Typ-2-Diabetes unter Therapie mit SGLT-2-Hemmern auch in normoglykämischen Stoffwechsellagen auftreten kann.

Neue Applikationsform: intranasales Glukagon

Eine weitere Neuigkeit bei der medikamentösen Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 ist bezüglich der Behandlungsmöglichkeiten bei zu hohen Insulinspiegeln mit nachfolgender Hypoglykämie zu erwähnen. Bisher wurde Glukagon als Gegenmittel bei erhöhten Insulinspiegeln in der Form von GlucaGen® 1 mg injiziert, seit 2020 ist nun Glukagon auch als Nasenspray auf dem Markt, wobei die Dosierung von 3 mg Glukagon intranasal zu ähnlichen Blutglukosespiegeln führt wie 1 mg injiziertes Glukagon [14]. Das Präparat zur intranasalen Applikation von Glukagon zur Behandlung von schweren Hypoglykämien bei Diabetespatienten und -patientinnen ab vier Jahren ist seit November 2020 in der Schweiz zugelassen.

Neue Möglichkeiten im Rahmen des CGM

Mit Systemen zum kontinuierlichen Glukose-Monitoring (CGM), die den Glukosespiegel im Subkutangewebe messen, kann bei Patienten und Patientinnen mit Diabetes mellitus unter Insulintherapie einerseits der Glukosespiegel im Verlauf beurteilt und andererseits allfällige Hypoglykämien durch Alarmsysteme frühzeitig erkannt und somit behandelt werden. Die kontinuierliche Glukosemessung kann jedoch auch zur ­Detektion von Hyperglykämien und damit zur verbesserten Therapiekontrolle bei Typ-2-Diabetes genutzt werden.

Ausblick in die Zukunft: Basalinsulin-Analogon zur wöchentlichen Injektion

Relevante Neuigkeiten sind auch bei der Insulintherapie zu verzeichnen: Zurzeit wird an Basalinsulinen zur wöchentlichen Anwendung wie Insulin Icodec geforscht, welche die Insulintherapie für Patienten und Patientinnen mit Diabetes mellitus erheblich vereinfachen und so die Therapieadhärenz steigern könnten. Insulin Icodec ist ein Basalinsulin-Analogon, das eine Halbwertszeit von 196 Stunden aufweist und nach der Injektion reversibel an Albumin bindet, wodurch eine kontinuierliche Freisetzung des Wirkstoffs erzielt und dadurch eine effektive Senkung des Blutzuckerspiegels während einer Woche ermöglicht wird. In einer randomisierten kontrollierten Studie von Rosenstock et al. von 2020 wurde Insulin Icodec bei Patienten und ­Patientinnen mit unter oralen Antidiabetika inadäquat behandeltem Diabetes Typ 2 ohne vorgängige ­Insulintherapie im Vergleich zur herkömmlichen täg­lichen Insulintherapie mit Insulin Glargin untersucht [15]. Die wöchentliche Injektion von Insulin Icodec zeigte dabei eine ähnliche Wirksamkeit bezüglich der HbA1c-Reduktion sowie ein vergleichbares Sicherheitsprofil in Bezug auf Hypoglykämien und Nebenwirkungen [15].

Das Wichtigste für die Praxis

  • Diabetes mellitus Typ 2 ist eine Stoffwechselstörung mit weltweit hoher Prävalenz mit steigender Tendenz und stellt einer der wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren dar, daher ist das Screening auf Typ-2-Diabetes bei Personen ab 45 Jahren von grosser Bedeutung zur rechtzeitigen Diagnosestellung.
  • Die Behandlung beim Typ-2-Diabetes ist multifaktoriell und sowohl die Therapiestrategie wie auch das Therapieziel sollten individuell und partizipativ mit dem Patienten bzw. der Patientin gemeinsam festgelegt werden. Zum klinischen Management des Diabetes mellitus Typ 2 gehören auch die Patientenedukation sowie regelmässige Verlaufskontrollen mit Blutzuckermessungen und Komplikationsprävention.
  • Zur Basistherapie, die bei allen Patienten und Patientinnen mit Typ-2-Diabetes etabliert werden sollte, gehören die Tabakentwöhnung und eine Gewichtsreduktion falls indiziert, eine Ernährungstherapie und regelmässige körperliche Aktivität sowie eine Therapie einer allfälligen Hyperlipidämie und Hypertonie.
  • Bei insuffizienter Blutzuckerkontrolle unter Einhaltung der Basismassnahmen sollte eine Monotherapie mit Metformin gestartet werden. Bei weiterhin inadäquaten HbA1c-Werten wird die ­Erweiterung der medikamentösen Therapie mit Metformin in Kombination mit einem anderen Antidiabetikum oder einem Insulin empfohlen.
  • Bei Patienten und Patientinnen mit einer prädominanten Herzinsuffizienz oder chronischen Nierenerkrankung und Diabetes Typ 2 wird, unter der Voraussetzung einer adäquaten eGFR, aufgrund der günstigen kardio- und nephroprotektiven Effekte die Kombinationstherapie mit einem SGLT-2-Hemmer und Metformin empfohlen.
  • Bei Menschen mit Diabetes und mit einer atherosklerotischen Erkrankung zeigt eine Kombinationstherapie bestehend aus einem GLP-1-Analogon und Metformin gute Effekte hinsichtlich der HbA1c-Senkung, der Gewichtsreduktion sowie des kardiovaskulären Systems.
  • Eine Kombinationstherapie mit einem GLP-1-­Analogon und einem SGLT-2-Inhibitor führte bei Patienten und Patientinnen mit insuffizient therapiertem Typ-2-Diabetes sowohl zu einer HbA1c-Senkung wie auch zu einer Gewichtsreduktion, ist jedoch bezüglich der Kostenübernahme durch die Krankenkassen vor einem Therapiebeginn abklärungsbedürftig.
  • Die häufigsten Nebenwirkungen bei GLP-1-Analoga sind Nausea, Erbrechen und Diarrhoe. Bei SGLT-1-Hemmern zeigten sich genitale Candida-Infektionen und Polyurie als häufigste Nebenwirkungen.
  • Unter der Therapie mit SGLT-2-Hemmern kann eine diabetische Ketoazidose auftreten, darauf ist insbesondere beim Vorliegen von Risikofaktoren wie geringe endogene Insulinproduktion, Reduktion der Insulindosis, akute Erkrankung oder Operation, Alkoholabusus und verminderte Kohlenhydrataufnahme zu achten.
  • Seit 2020 ist Glukagon als Präparat zur intranasalen Applikation zur Behandlung von schweren Hypoglykämien bei Patienten und Patientinnen mit Diabetes mellitus in der Schweiz zugelassen.
  • Systeme zum kontinuierlichen Glukose-Monitoring können auch zur Beurteilung des Glukosespiegels und insbesondere Hypo- und Hyper­glykämien hinsichtlich der Therapiekontrolle eingesetzt werden.
  • Ausblick in die Zukunft: Basalinsulin-Analoga zur wöchentlichen Anwendung für Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes zeigen in Studien eine effektive HbA1c-Reduktion sowie gute Resultate bezüglich sicherheitsrelevanter Aspekte wie Hypoglykämien und anderen unerwünschten Arzneimittelwirkungen.
Jasmin Hell
Managing Editor Primary and Hospital Care
EMH Schweizerischer ­Ärzteverlag
Farnsburgerstrasse 8
CH-4132 Muttenz
office[at]primary-hospital-care.ch
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5. . Erste Behandlungsschritte beim neuentdeckten Diabetes mellitus Typ 2 – praktische Tipps. Schweiz Med Forum 2012;12(48):929-935
6. . Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes – Teilpublikation der Langfassung, 2. Auflage. Version 1. 2021
7. . for the DAPA-CKD Trial Committees and Investigators. Dapagliflozin in Patients with Chronic Kidney Disease. October 8, 2020. N Engl J Med. 2020;383(15):1436–46. http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa2024816
8. . SGLT2 Inhibitors: Cardiovascular Benefits Beyond HbA1c-Translating Evidence into Practice [Erratum in: Diabetes Ther. 2019 Jul 18; PMID: 31290126; PMCID: PMC6778582]. Diabetes Ther. 2019 Oct;10(5):1595–622. http://dx.doi.org/10.1007/s13300-019-0657-8 PubMed
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