Praxis übergeben, übernehmen und führen

Aktuelles
Ausgabe
2022/09
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2022.10526
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2022;22(09):261-262

Publiziert am 07.09.2022

Um die gesundheitliche Grundversorgung in der Schweiz sicherzustellen, sind leistungsfähige Hausarztpraxen zwingend notwendig. PraxisPro bietet als Non-Profit-Organisation mit dem Know-how und dem Netzwerk von erfahrenen Hausärztinnen und Hausärzten Beratung, Planung und Coaching bei Praxisübergaben an und unterstützt junge Hausärztinnen und Hausärzte bei der operativen Führung von Praxen. Die Basler Erfolgsgeschichte soll und kann andere Organisationen und/oder kantonale Hausärzteverbände inspirieren. Das Team von PraxisPro steht Interessierten mit Rat und Tat zur Seite. mfe unterstützt solche innovativen Initiativen aus der Ärzteschaft und stellt sich gerne als Mittler und Drehscheibe für die weitere Verbreitung dieses Konzeptes zur Verfügung.

Interview mit Dr. med. Stephan Gerosa, Verwaltungsratspräsident PraxisPro AG und Hausarzt in Läufelfingen Kanton Baselland: Von Hausärztinnen und -ärzten für Hausärztinnen und -ärzte

Zur Person

Dr med. Stephan Gerosa ist 58 Jahr alt und arbeitet seit 24 Jahren als Hausarzt auf dem Lande in Läufelfingen im Oberbaselbiet. Anfänglich in einer Einzelpraxis heute ergänzen eine Ärztin und zwei Ärzte das Praxisteam.
Bildnachweis: zVg / Stephan Gerosa
Herr Gerosa, wie ist die Idee von PraxisPro entstanden?
Mein Treuhänder fand es bedauerlich, dass viele gut­gehende Arztpraxen keine Nachfolgerin, keinen Nachfolger fanden und die Praxen deshalb einfach schliessen mussten. Seine Idee war, eine Gruppe mit alt­eingesessenen Ärztinnen und Ärzten zu gründen und mit Hilfe deren Fachwissen, Netzwerk und Connections diese Vakanzen zu füllen. So entstand die ­erste Idee zur Gründung von PraxisPro.
Wer steht hinter PraxisPro?
Wir sind eine Gruppe junger und älterer Hausärztinnen und Hausärzte, ein Treuhänder und eine Praxis­administratorin.
Was zeichnet Ihre Organisation besonders aus?
Unser Motto lautet: «Ärztinnen und Ärzte helfen und unterstützen Ärztinnen und Ärzte». Wir sind eine Non-Profit Organisation, unser Ziel ist es einerseits, junge Hausärztinnen und Hausärzte für die Selbständigkeit zu ermuntern, sie auf diesem Weg zu begleiten, beraten, coachen und unterstützen. Auf der anderen Seite helfen wir älteren Ärztinnen und Ärzten, jüngere Kolleginnen und Kollegen zu finden und eine Übergabe der Praxis zu planen und zu realisieren.
Was genau bieten Sie Hausärztinnen und Hausärzten an, die eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für ihre Praxis suchen?
In einem ersten Schritt besichtigen wir die Praxis und beurteilen diese im Hinblick auf eine Übergabe an jüngere Kolleginnen und Kollegen. Meist sind es Einzelpraxen, die nachher als Gemeinschaftspraxen funktionieren sollen. Meist zeigen wir auf, dass die zu übergebende Praxis doch etwas Renovation und frischen Wind benötigt. In einem zweiten Schritt begleiten wir die älteren Kolleginnen und Kollegen bei der Suche nach Nachfolgerinnen bzw. Nachfolgern, bieten Unterstützung bei Verhandlungen an und versuchen, Jung und Alt auf den gleichen Weg zu bringen, was nicht immer einfach ist, da die älteren und jüngeren Kolleginnen und Kollegen meist unterschiedliche Ansichten und Preisvorstellungen für einen Kauf bzw. Verkauf der Praxis haben! Vielfach sind wir auch einfach als Mediatoren tätig, damit es zu einer erfolgreichen Praxisübernahme kommt, wenn bereits Interessierte vorhanden sind, die Verhandlungen jedoch nicht auf einen grünen Zweig kommen.
Und wie profitieren junge Hausärztinnen und ­Hausärzte von Ihrem Angebot?
Den angehenden jungen Hausärztinnen und Hausärzten bieten wir Hilfe an bei der Bewertung von Praxen, beim Erstellen eines Businessplans, Kursen über korrektes Abrechnen und Unterstützung beim Personalwesen und der Praxisadministration. Viele Junge kommen direkt aus dem Spital und haben vor diesen Aufgaben grossen Respekt. Wir kaufen auch Hausarztpraxen auf und stellen initial Ärztinnen und Ärzte an, wenn Interesse vorhanden ist, jedoch stets im Hinblick auf eine Übernahme und Selbständigkeit, dies bleibt und ist das Ziel. Die PraxisPro betreibt über längere Zeit keine Arztpraxen.
Wir bieten offene, kollegiale Hilfe auf gleicher Augenhöhe, wir kommunizieren mit absolut offenen Karten, wir ebnen den Weg für einen einfachen Einstieg in eine Hausarztpraxis, jedoch mit der Sicherheit und Unterstützung eines erfahrenen Partners im Hintergrund.
Nennen Sie fünf Punkte, wie sich Ihr Modell von ­anderen Angeboten differenziert.
1. Eine Non-Profit-Organisation, nicht geführt von «Wirtschaftlern».
2. Ärztinnen und Ärzte helfen Ärztinnen und Ärzten.
3. Die Selbständigkeit ist das oberste Ziel.
4. Verlässlicher und erfahrener Partner im Hintergrund, der auch lange nach Eintritt in die Selbständigkeit gerne weiter Hilfe bietet.
5. Bei vorgängiger Anstellung: keine Umsatzvorgaben, keine Laborvorgaben, keine vorgeschriebenen Zeitlimiten für Patientenkontakte, dafür gutes Coaching und Entlastung in allen administrativen Bereichen.
Können Sie uns eine typische Erfolgsgeschichte erzählen? Wie läuft eine Praxisübernahme mit PraxisPro ab?
Eine Erfolgsgeschichte ist die Übernahme einer gutgehenden Hausarztpraxis bei Basel. Zwei junge Hausärzte suchten via PraxisPro eine Praxis, wollten aber das Risiko der Selbständigkeit und Lohnsicherheit vorerst mit einem Angestelltenverhältnis umgehen. PraxisPro kaufte die Praxis auf und in einem ersten Schritt führte der ältere Arzt zusammen mit einem der beiden ­jungen Ärzte die Praxis ein halbes Jahr lang, bevor der zweite junge Arzt dazukam und der ältere Arzt sich pensionieren liess. Bereits in diesem ersten halben Jahr wurde der junge Arzt von PraxisPro begleitet und gecoacht, die Unterstützung von PraxisPro wurde auch nach Eintritt des zweiten Arztes weiterhin regelmässig in Anspruch genommen. Sie wurden auch regelmässig über den Geschäftsverlauf und die Abschlüsse informiert. Nach zwei Jahren realisierten die jungen Ärzte, wie gut ihre Praxis läuft und übernahmen die Praxis von PraxisPro. Die beiden Ärzte sind heute sehr zufrieden, die Praxis läuft hervorragend, und einer der beiden ist heute bei der PraxisPro dabei!
Gibt es PraxisPro nur in der Region Basel und falls ja, warum?
Ja, wir von PraxisPro sind alle in Vollzeit tätig und betreiben die PraxisPro als «Hobby». Wir haben leider keine Kapazitäten, um uns in der ganzen Schweiz zu engagieren.
Das Problem existiert aber auch in anderen Kantonen – wie könnten diese von Ihren Ideen profitieren?
Gerne stellen wir unser Konzept und unsere Vorgehensweise Ärztinnen und Ärzten in anderen Regionen vor, was wir auch bereits im Kanton Graubünden getan haben; der Anklang war gross. Wir finden es wichtig, dass sich Ärztinnen und Ärzte in der Region für dieses Thema interessieren und engagieren.
Was motiviert Sie ganz persönlich, sich für dieses ­Projekt zu engagieren?
Ich engagiere mich gerne zur Erhaltung der Hausarztmedizin in der Region Basel, bin auch Dozent am uniham-bb und freue mich, junge angehende Kolleginnen und Kollegen zu unterrichten. Bereits vor zehn Jahren habe ich begonnen, meine Nachfolgeregelung zu planen bzw. meine Einzelpraxis in eine Gemeinschaftspraxis zu überführen. Heute sind wir ein gut eingespieltes und motiviertes Team; mit jungen Kolleginnen und Kollegen zu arbeiten, erfüllt mich mit Freude und Zufriedenheit.
Die Genugtuung, dass junge Hausärztinnen und Hausärzte in der eigenen Praxis und in der Selbständigkeit zufrieden sind, erfreut und motiviert mich immer wieder von neuem. Ich bzw. PraxisPro haben noch keine Übernahme oder Übergabe erlebt, wo die Hausärztinnen und Hausärzte (sowohl die alten wie auch die jungen!) schlussendlich nicht wohl mit der Situation waren.
Redaktionelle ­Verantwortung:
Sandra Hügli-Jost, mfe
Sandra Hügli-Jost
Kommunikations­beauftragte
mfe Haus- und Kinderärzte
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